Wieso sieht die Kuh so aus, wie wir sie kennen? Und welche Bedeutung hat sie heute als Nutztier und Symbol? Die neue Ausstellung «Braun. Vieh. Zucht.» im Museum Burg Zug lädt Kuhliebhaberinnen sowie Skeptiker der Rinderzucht dazu ein, ihr Wissen auf diesem Gebiet zu vertiefen.
Zarte Vollmilchschokolade, unverwechselbarer Schweizer Käse und Trachtengurte aus hochwertigem Rindleder – diese und viele weitere Produkte hat die Schweiz der Kuh zu verdanken, viele davon sind seit langer Zeit absolute Exportschlager. Und das ist nur der eine Aspekt, denn das Tier bildet ein inoffizielles Motiv, das für die Schweizer Traditionen und Werte, ja gar für das Land selbst, steht.
Trotz ihrer Präsenz und kulturellen Bedeutung ist die Kuh heute nicht unumstritten. Von Umweltschützern wird sie als Klimakillerin bezeichnet, im Geiste des Tierschutzes eine überzüchtete Milchmaschine genannt und doch wird die Kuh auf der anderen Seite hin und wieder gar als ultimatives Symbol für Naturverbundenheit und Bodenständigkeit gepriesen.
Ungeachtet dieser polarisierenden Ansichten ist die Kuh ein wichtiger Bestandteil einer hochaktuellen Debatte rund um Viehzucht, nachhaltige Landwirtschaft und nationale Werte mit jahrtausendealter Geschichte und wird wohl noch lange auf unseren Weiden zu sehen sein. Mit der neuen Sonderausstellung «Braun. Vieh. Zucht.» rückt das Museum Burg Zug das Rind nun ins Rampenlicht, hinterfragt seine Bedeutung und veranschaulicht, wie sich die Kuh, wie wir sie kennen, durch die Zucht herausgebildet hat.
Die Ausstellung ist seit Anfang April für BesucherInnen offen. Bis zum 4. Dezember bietet sie mit Videos, Tonaufnahmen und Fotos einen Einblick zur Kuh und ihrer Zucht, während Objekte wie ein Melkstand und eine Krippe zum Spielen und Entdecken bereitstehen und so auch die Kleinen miteinbeziehen. Als Highlight der Ausstellung bezeichnet Mediensprecherin Miriam Wismer-de Sepibus eine präparierte Kuh, welche die BesucherInnen zum Abschluss ihres Rundgangs betrachten können.
Vom Urrind zur Hochleistungskuh
Die Kuh, die wir bei der Durchquerung der Weide während der Wanderung jeweils beim Grasen sehen, ist das Ergebnis jahrtausendelanger Rinderhaltung und Viehzucht. Angefangen mit dem Urrind, hat sie die heutige Hochleistungskuh geschaffen. Durch die Kulturtechnik des Züchtens haben sich einige Schweizer Rinderrassen entwickelt, wie zum Beispiel das bekannte Braunvieh. Verfahren wie die künstliche Besamung haben die Zucht beschleunigt und somit die Leistung der Kühe rasch gesteigert. Das bedeutet, dass sie innerhalb weniger Generationen deutlich mehr Milch produzierten oder viel stärker waren.
Parallel dazu hat die künstliche Besamung Anlässe wie den traditionellen Zuger Stierenmarkt an ihrer Bedeutung für die Zucht verlieren lassen. Einst hat man an solchen Märkten einen Stier nach äusseren Merkmalen ausgesucht und mit einer Kuh, die viel Milch gab, oder die sehr stark war, gekreuzt. Welche Kuh man dafür wählte, hing davon ab, welches Zuchtziel man verfolgte, also welche Merkmale man von der Kuh besonders ausgeprägt erwartete – viel Muskelkraft oder viel Milch und Langlebigkeit.
Einst standen um die eintausend Stiere auf dem Stierenmarktareal zum Verkauf bereit, doch inzwischen ist diese Zahl auf etwa zweihundert gesunken. Grund dafür ist, dass die Bäuerinnen keine Stiere mehr kaufen müssen, damit ihre Kühe Kälber bekommen. Mit der künstlichen Besamung können spezialisierte Tierärzte Stiersperma mit einem Katheter in die Kuh giessen, ohne dass sich die beiden Tiere für die Befruchtung treffen müssen. Während auch heute noch Stiere aus der ganzen Schweiz am Zuger Stierenmarkt gekauft und verkauft werden, trägt die Gestaltung des Markts mittlerweile eher Volksfestcharakter.
Wie geht’s weiter?
Nach dem Blick zurück auf die Zucht von damals stellt sich die Frage, wie es mit der Kuh und auch mit unserer Ernährungsweise generell in Zukunft aussehen wird. So werden Rinder heute nicht mehr zu Krafttieren, sondern vor allem zur möglichst effizienten Milch- und Fleischproduktion gezüchtet. Dies fällt den Rindern sowie der Umwelt zur Last, was einer der Gründe ist, wieso Tierschützerinnen und Veganer zum Wechsel zu einer pflanzlichen Ernährungsweise aufrufen.
Würde die gesamte Menschheit auf tierische Lebensmittel verzichten, könnte die landwirtschaftlich genutzte Agrarfläche um 75 Prozent verringert werden. Das hängt damit zusammen, dass dann das Land, auf dem das Futter für die Nutztiere produziert wird, grösstenteils für den Anbau von Pflanzen als Nahrung für Menschen genutzt werden könnte. So würde auch der durch den Transport verursachte CO2-Ausstoss verringert, da die Pflanzen nicht erst zu den Nutztieren geliefert werden müssten, sondern direkt zur weiteren Verarbeitung zu Lebensmitteln versendet werden könnten. Also stellt sich die Frage, ob die Haltung und Zucht von Rindern heute überhaupt noch aktuell ist.
Doch der technische Fortschritt steht bekanntlich nicht still und so hat sich auch die Zucht weiterentwickelt und noch mehr ethische Dilemmas erschaffen. Statt anhand der äusseren Merkmale das Tier zu züchten, hat man mittlerweile die Möglichkeit, einen Blick ins Innerste der Kuh zu werfen – auf ihre Gene. Inwiefern diese in Zukunft manipuliert werden dürfen und ob die Viehzucht nicht doch bereits an ihrem Höhepunkt angelangt ist, lässt die Ausstellung des Museums Burg Zug offen. Ab welchem Punkt es ethisch nicht mehr vertretbar ist, die Gene der Rinder zu modifizieren und weiterhin Rinder zu halten, müssen die BesucherInnen selbst für sich entscheiden.
Eine Einladung zum Gespräch
«Braun. Vieh. Zucht.» bietet eine Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit dem Thema der Zucht und der Rinderhaltung, durch welche BesucherInnen sich eine eigene Meinung bilden können. Deswegen wertet die Ausstellung auch nicht, sondern gewährleistet einen Zugang zu ausführlichen Informationen zur Zucht und Kuhhaltung, die durch die vielseitigen Ausstellungsstücke lebendig vermittelt werden.
Eine neue Perspektive auf die Ausstellung und ihre Themen kann man mit Führungen des Historikers Beat Bächi, dessen Spezialgebiet die Landwirtschaft ist, und dem Ausstellungskurator Christoph Tschanz entdecken. Am Sonntag, 23. Oktober, werden die beiden Experten zusammen eine dialogische Führung veranstalten.
Vertiefende Dialoge und Aktivitäten
Um das Thema noch ein Stück weiter zu vertiefen, organisiert das Museum Burg Zug einige Veranstaltungen und eine Podiumsdiskussion. So wird die Zuger Schriftstellerin und Kabarettistin Judith Stadlin während der Zuger Kunstnacht am Samstag, 29. Oktober, im Museum Burg Zug zu Gast sein und am 24. November wird die Podiumsdiskussion in der Bibliothek Zug stattfinden.
Kinder und Familien können sich ausserdem für einen Bauernhofbesuch am Sonntag, 3. Juli, anmelden oder eine verkürzte Führung mit anschliessender Bastelstunde im Museum geniessen. Für Kindergarten- und Schulklassen werden stufengerechte Führungen angeboten, die verschiedene Schwerpunkte behandeln und spielerisch-erzählerisch bis naturwissenschaftlich gestaltet sind. In der Schule oder noch im Museum können Klassen die Diskussion um die Zukunft der Kuh im Gespräch und in Kurzdebatten weiterführen oder einen eigenen Podcast dazu aufnehmen.