Die IG Kultur Zug hat Ende Juni an ihrer Generalversammlung nach 26 Jahren den Präsidenten Christoph Balmer verabschiedet. An die Spitze des kulturellen Schaffens im Kanton Zug ist die 43-jährige Barbara Gysel gerückt. Die engagierte Kulturmanagerin und Zuger Politikerin schlägt Brücken zwischen dem Kulturerlebnis und der politischen Arbeit. Im Interview spricht Barbara Gysel von Kulturdiamanten, die weit über den Kanton hinaus strahlen dürfen.
Frau Gysel, Sie wurden an der GV der IG Kultur Zug ehrenvoll als Präsidentin gewählt. Herzliche Gratulation. Sie sind bereits Mitglied seit 2019 im Vorstand der IG. Was ändert sich nun an Ihren Aufgaben?
Ich gehe davon aus, dass durch den Generationenwechsel Parameter und Paradigmen ändern werden. Ein Präsidium bedeutet mehr Verantwortung – aber nicht mehr Stimmrecht. Ich verstehe mich insofern als Prima inter pares in einem vielfältigen Team. Wir werden auch das anerkannte Grundangebot weiterentwickeln. Heute bildet Zugkultur.ch viele der öffentlich zugänglichen Angebote der Zuger Kulturszene ab, monatlich sind es 300 bis 400 Veranstaltungen, jährlich 1’000 Kulturnachrichten, 250 Porträts sowie 80 bis 100 Vermittlungsangebote. Das ist doch beeindruckend!
Frau Gysel, eine neue Ära hat begonnen. Sie führen die IG Kultur Zug. Halten Sie an Bewährtem fest? Was möchten Sie ändern oder ergänzen?
Unsere Vorgängerinnen und Vorgänger der IG Kultur Zug haben Grossartiges aufgebaut. Aber wir dürfen uns nicht auf den Lorbeeren ausruhen. Es ist insofern eine Ehre, diese Dachorganisation weiterzuentwickeln. Seit 1995 können sich Zugerinnen und Zuger zentral über einen «Kulturkalender» über Angebote informieren. Das Webportal kulturzug.ch hat sich zu DER zentralen Anlaufstelle gemausert: im Schnitt verzeichnen wir täglich fast 650 Besuche!
Frau Gysel, wohin zielt die weitere Entwicklung?
Entwicklungsmöglichkeiten orte ich im Bereich der Kulturvermittlung. Es existiert im Kanton schon viel, insbesondere im schulischen Bereich. Doch die Kulturvermittlung steckt im Vergleich zu anderen Regionen leider noch in den Kinderschuhen. Zwar haben wir dank der Unterstützung von Kanton und Gemeinden in technischer Hinsicht ebenfalls eine Plattform aufbauen können, aber sie ist weder für Publikum noch Anbietende fest etabliert und um verschiedene Qualitätskriterien versehen. Da stehen wir am Anfang und wir können unsere Expertise in Qualitätssicherung und Informationsverbreitung sicher vertieft einbringen.
Frau Gysel, und was dann?
Ein zweites Feld für Weiterentwicklung sehe ich im Bereich der kulturpolitischen Interessenvertretung. Das ist an und für sich, nichts Neues. Doch gerade die Corona-Pandemie hat in überraschender Art die Ansprüche von unterschiedlichen Anspruchsgruppen wie Kulturanbietenden, Kulturschaffenden, Publikum und auch der öffentlichen Hand gezeigt. Da wurde in kurzer Zeit bemerkenswert viel Förderung und Unterstützung für den Kulturbereich sichtbar. Das sollte aber nicht nur in Krisensituationen so sein, sondern das sollte das normale Kulturklima im Kanton sein.
Frau Gysel, Sie sind Kulturmanagerin. Was bedeutet Ihnen die Kultur im Kanton Zug?
Zug IST Kultur. Wir sollten Kultur-Kanton sein. Die Voraussetzungen dazu haben wir. Wir leben zwar quasi zwischen den Leuchttürmen KKL und Opernhaus, aber wir haben selbst auch zahlreiche Perlen von Kulturangeboten in verschiedenen Sparten. Eben habe ich im Rahmen der «Sommerklänge» einer Welturaufführung im Zephir Hangar der V-Zug gelauscht – wunderbar, wie das in diesem «Zwischen-Raum» akustisch funktioniert hat. Wo heute Kultur gepflegt wird, werden morgen Brennöfen mit 800 Grad laufen. Was für ein Momentum! Daneben pflegen wir in Zug auch kulturelles Brauchtum wie etwa das «Chrööpfelimee». Das findet sich sogar auf der Liste der «lebendigen Traditionen» vom Bundesamt für Kultur, weil es für den immateriellen Kulturgüterschutz einzigartig ist in der Schweiz. Gleichzeit leben wir ja auch in einem äusserst dynamischen Kanton. Ein Vorstandsmitglied hat uns kürzlich erzählt, dass er an der allerersten Kunstmesse beteiligt ist, die virtuell durchgeführt wird. Die Chancen und Herausforderungen von Digitalisierung lohnen sich zu beobachten.
Frau Gysel, Sie sind Kantonsrätin. Können die Synergien mit der Parteiarbeit und der Kultur genutzt werden?
Ich bin bekannt dafür, Brücken schlagen zu können. So können sachdienliche Vernetzungen entstehen. Zur Politik kam ich durch freiwillige zivilgesellschaftliche Tätigkeiten. Seit ich Teenagerjahren präsidiere ich einen WWF-Verein und bin offen für Vielfalt. Das zeigt sich in meinen Engagements. Und: ich bin Kulturoptimistin. Dieses breite Verständnis von Kultur passt zu Zug, schliesslich haben wir die höchste Migrationsvielfalt in der Zentralschweiz. Unsere Wirtschaft ist vielfältig. Ebenso erwarte ich es für die Kulturszene, dass sie glokal wird – also lokal verankert und global verbunden.
Politik als Eintrittsticket in das Kulturschaffen?
Die IG Kultur Zug pflegt seit jeher die unabhängige Begleitung von politischen Prozessen. Nehmen wir nur mal die Stadt Zug: Mitte der 1990er Jahre trug der Einsatz der IG Kultur Zug dazu bei, dass die Stelle einer städtischen Kulturbeauftragten geschaffen wurde. Oder denken Sie an die Chollerhalle. Aktuellstes Beispiel: Wir geben aktiv Inputs zur städtischen Kulturstrategie, deren Weiterentwicklung gerade lanciert wurde. Das sind Beispiele dafür, wie wir auch gegenüber Politik und Verwaltung und der Gesellschaft überhaupt Interessen seitens Kultur einzubringen versuchen.
Welche Wünsche sind offen?
Wir haben viele Kulturdiamanten, wir sollten bereit sein, sie noch mehr zu schleifen. So wächst die Ausstrahlung – über den Kanton hinaus in andere Regionen und die Welt. So schaffen wir eine hochgradige Kultur. Kultur ist gleichzeitig ein Potpourri – die etablierte Szene wie auch eine Sub-, Gegen- und alternativer Kultur sollten Platz haben.
Herzlichen Dank für das Gespräch. Wir wünschen viel Erfolg.
www.kulturzug.ch
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