Die Stadt Zug ehrt das Werk und die Erinnerung an den Künstler Walter F. Haettenschweiler, der den Kanton mit seinen Schriften und Logos stark geprägt hat. Durch Ausstellungen, Stadtführungen und Erzählungen seiner Freunde wird seine Lebensgeschichte und Kunst zu neuem Leben erweckt.
Am 9. März startet in Zug eine zehntägige Hommage an den Zuger Grafiker und Künstler Walter F. Haettenschweiler. Dieser wurde am 2. Januar 1933 in Zug geboren und ist am besten für seine Schrift «Haettenschweiler» bekannt, die unter anderem auch in Microsoft Word zur Auswahl freisteht – zwar wurde die Schrift nach ihrem Schaffer benannt, doch wurde der Grafiker nie von Microsoft für das Design entlöhnt. Logos und Schriftzüge Haettenschweilers sind auf zahlreichen Geschäften und Einrichtungen im Kanton Zug zu sehen. So stammt zum Beispiel das Logo des Löwengartenbiers und der Reparaturstelle Risi Service von ihm. Auch die Statue und das Logo des mittlerweile geschlossenen Restaurants Löwen in Steinhausen hat der Zuger entworfen.
Wer nicht viel über den Künstler weiss, dem ist gar nicht bewusst, wie sehr Haettenschweiler den Kanton Zug durch sein Werk geprägt hat. Durch die Hommage kann diese Wissenslücke nun geschlossen werden. Vom 9. bis 19. März blickt die Stadt Zug auf das Schaffen des Grafikers zurück und erinnert sich an dessen Persönlichkeit durch Videos und Erzählungen seiner Freunde und Kinder. So galt er als ein charismatischer Künstler, der selten ein Blatt vor den Mund nahm. «Mein Vater war gesellig und ein Menschenfreund», erzählt Sasha Haettenschweiler, Tochter des Künstlers. «Er wurde in der Stadt Zug gern gesehen und für ein kleines Intermezzo stets gut aufgelegt. Man kannte ihn als echtes Stadtoriginal, stets mit einer Zigarre im Mund, manchmal in Gedanken versunken oder auch unterwegs zu einer seiner geliebten Schachpartien.»
Unter den Spitznamen «Haetti» und «Walti» bekannt, besass der Künstler vielseitige Talente und hat entsprechend zahlreiche Werke mit unterschiedlichsten Mitteln geschaffen. Diese reichen von Logos über Skulpturen und Mosaiken bis hin zu Briefmarken. Als Sohn eines Chauffeurs und in einem ländlichen Umfeld aufgewachsen, verfügte Haettenschweilers Familie über keinen Bezug zur Kunst. Doch als «Haetti» 17 Jahre alt war und einen Weihnachtskalender mit Holzschnitten im Zuger Tagblatt veröffentlichen durfte, fand er seine Berufung: bildnerisches Gestalten und insbesondere Grafik. Während er als Multitalent in der Kunstszene bekannt war, erzielte Haettenschweiler mit seinen Schriftarten seinen grössten künstlerischen Erfolg. So erlangte seine Schrift «Schmalfette Grotesk» Weltruhm und wurde auch von Microsoft in die Systemschrift aufgenommen.
«Mein Vater wusste sich in seinem Beruf als Grafiker durchzusetzen. Mit seinem Charme und Charisma pflegte er einen freundschaftlichen und professionellen Umgang», so die Tochter des Künstlers. «Er war ein guter Geschäftsmann und ein stilsicherer Künstler. Dank diesen Charakterstärken punktete er in beiden Disziplinen – in der freien Kunst wie in präzisen Grafikarbeiten.»
Kunst auf Stoff
Die Hommage an Haettenschweiler startet am Donnerstag um 17.15 Uhr auf dem Zuger Postplatz mit einigen Ansprachen, unter anderem vom abgetretenen Stadtpräsidenten Karl Kobelt. Auf dem Postplatz wird auch die Vernissage der textilen Installation stattfinden. Diese besteht aus Flaggen und sonstigen Textilien, die mit Haettenschweilers Motiven bedruckt sind.
Die ausgestellten Textilien werden durch ConSol nach Ende der Ausstellung zu Kissen, Taschen und anderen Alltagsgegenständen verarbeitet. ConSol ist eine soziale Institution in Baar, die Personen mit geistigen oder körperlichen Einschränkungen berufliche Perspektiven bietet. Ermöglicht wird die Installation durch Sasha Haettenschweiler. Auch sie ist künstlerisch tätig und hat sich einen Namen als Modedesignerin gemacht. Weiter zeigt die Vernissage Werke von SchülerInnen der Zürcher Hochschule der Künste. Acht Typographie-Studierende interpretieren die Schriften, die Haettenschweiler berühmt gemacht haben, auf eine neue und eigenwillige Art.
Ab durch die Stadt
Zu Ehren des Künstlers wird Haettenschweilers berühmter Stadtführer aus den 1960er Jahren erneut aufgegriffen. Er bildet die Grundlage für die Stadtführungen der Hommage, die den Spuren des Grafikers im öffentlichen Raum folgen. Die Führungen finden in Kooperation mit dem Verein Zuger Stadtführungen statt.
Zur ersten Stadtführung gehören auch zwei Performances von Jugendlichen des K’werks Zug im Hirschensaal. Diese liessen sich für die Performances von Videos inspirieren, die in der Ausstellung «Haettenschweiler von A bis Z» im Museum für Gestaltung Zürich ausgestellt werden.
Auch die Zuger Kantonalbank hat sich pünktlich zur Hommage mit einem Kunstwerk schmücken lassen. So hat die Bank dem 18-jährigen Grafikstudenten Tobias Grätzer die Möglichkeit gegeben, das Entrée des Hauptsitzes der Bank in Zug mit einer Installation zu gestalten. Die voluminöse Ballonskulptur wurde dabei erst nach einer intensiven Auseinandersetzung mit den Werken von Haettenschweiler entworfen. Sie interpretiert die typisch schwungvolle Strichführung von Haettenschweiler und stellt sie in plastischer Form dar.
In Erinnerungen schwelgen
Den Schlusspunkt der Stadtführungen bildet die Kunsthandlung und Galerie Carla Renggli. Hier werden während der gesamten Hommage ausgewählte Werke Haettenschweilers präsentiert. Zur Arbeit des Grafikers sagt seine Tochter: «Er war ein passionierter und getriebener Kreativer und steckte all sein Können und Wissen in sein Werk. Ob für Coiffeurgeschäfte, Kleinläden und Gewerbe bis hin zu grossen und auch internationalen Firmen konnte er sich engagiert in die Gestaltung von Logos, Schriftzügen und sekundärer Architektur hineinversetzten und gestalten.»
Am Donnerstag, 9. März, erzählen die Kuratorin der Grafiksammlung des Museums für Gestaltung Zürich Barbara Junod und ALG-Nationalrätin Manuela Weichelt von der Bedeutung «Haettis» für Zug. Am Sonntag, 12. März, erhalten Interessierte einen tieferen, persönlicheren Einblick ins Leben des Künstlers. So werden dessen Weggefährtinnen von ihren Begegnungen mit Haettenschweiler erzählen.
Hinter den Kulissen
An der Schanz, in der Nähe des Postplatzes, dürfen Interessierte einen Blick in die Garage des Grafikers werfen. «Haetti» nutzte sie als zusätzlichen Stauraum für Kunst, die in seinem Atelier keinen Platz fand. So hat sein Sohn Samuel, der ebenfalls Künstler und begeisterter Sammler ist, die Garage mit Fotocollagen bespielt. Zusammen mit der Fotografin Claudia Breitschmid hat er dafür Schicht für Schicht Fotos aus der Zeitschrift «National Geographic» abgetragen.
Im Hirschensaal neben der Garage lässt der Grafiker und Illustrator David Haettenschweiler Interessierte in die Welt seines Vaters eintauchen. Besuchende können hier eine dreidimensionale Visualisierung dessen Ateliers geniessen und die Sammlung seiner Kunst in animierter Form erleben.
Im Rahmen der Finissage und somit zum Abschluss der Hommage laden «Waltis» ehemalige Schachfreunde von 13 bis 16.30 Uhr am Sonntag, 19. März, im Theater im Burgbachkeller zu einer gemütlichen Partie des klassischen Spiels ein. Nach einer Pause startet eine Gesprächsrunde mit Gästen aus dem Bereich der Grafik und Fotografie. Moderiert wird die Diskussion vom Filmemacher und Kunstschaffenden Remo Hegglin, der sich mit Haettenschweiler in Bezug auf das künstlerische Schaffen regelmässig austauschte. In zwangloser Atmosphäre wird hier Haettenschweilers Leben Revue passiert sowie seine grössten Erfolge und Visionen diskutiert.
Kunst nach Hause mitnehmen
Wer die Werke Haettenschweilers auch zu Hause betrachten möchte, kann sich eine der limitierten Kunstboxen holen, die während der Hommage an ausgewählten Standorten erhältlich sein werden. Die in einer Auflage von 400 Stück erschienene Box wurde von Sasha Haettenschweiler und Art Director Thomas Rhyner zusammengestellt. Sie besteht aus über 90 Bilder, Grafiken, Fotografien, Experimenten und Erzählungen, die sich in der Einzelausstellung «Haettenschweiler von A bis Z» finden lassen. Durch diese handliche Sammlung lässt sich die gestalterische Vorgehensweise und das handwerkliche Können des Grafikers aus verschiedensten Blickwinkeln betrachten. «Mit dieser Box wie auch mit der gesamten Hommage möchten wir als Familie ‹Haetti› von seiner künstlerischen sowie persönlichen Seite zeigen und zelebrieren», sagt Sasha Haettenschweiler.