Ende November erwartet die Berufsmesse Zürich erneut Zehntausende Jugendliche, die vor der schwierigen Wahl einer Lehrausbildung stehen. Neben der Präsentation von über 240 Grundbildungen, geht es auch um Geschlechterrollen, Bewerbungsprozesse und den Fachkräftemangel.
Jedes Jahr im August starten Tausende junge Menschen in der Schweiz ihre Berufslehre. Das Schweizer Modell der beruflichen Ausbildung ist dabei weltweit ziemlich einzigartig und wird von vielen Beteiligten als Erfolgsmodell verstanden. Im vergangenen Jahr erreichte die Zahl der Lehrverhältnisse sogar einen neuen Höchstwert. Insgesamt 211’583 Menschen gingen 2021 in der Schweiz einer beruflichen Grundbildung nach.
Dabei ist die richtige Wahl für die eigene berufliche Zukunft für viele Jugendliche eine Herausforderung. Zwischen dem Ende der Schulzeit, der Pubertät und dem Einstieg in die Arbeitswelt den richtigen Ausbildungsbetrieb zu finden, gelingt nicht allen auf Anhieb. Eine wichtige Anlaufstelle, um die Jugendlichen auf ihrem Weg zu unterstützen, ist die jährlich stattfindende Berufsmesse Zürich. Auf dem Gelände der Messe Zürich in Oerlikon findet sie in diesem Jahr vom 22. bis zum 26. November statt.
Organisiert wird die grösste Schweizer Berufsinformationsplattform für Jugendliche von der Messe Schweiz und dem KMU- und Gewerbeverband Kanton Zürich (KGV). Und auch an der 17. Ausgabe geht es um die Darstellung der verschiedenen Berufsfelder, Weiterbildungen sowie den Wandel von Berufen. Insgesamt werden den SchülerInnen über 240 verschiedene Grundbildungen auf der Berufsmesse präsentiert.
Freier Eintritt
In diesem Jahr konnte die Messe wie gewohnt geplant werden. Nach dem Ausfall im ersten Coronajahr 2020, stand die Durchführung auch im vergangenen Jahr auf der Kippe. «Wir wissen, was es bedeutet, wenn die Messe ausfällt. Den Jugendlichen fehlt dann ein wichtiger Teil im Berufswahlprozess», erzählt KGV-Präsident Thomas Hess im Gespräch. Nachdem 2021 bereits wieder 50’000 Eintritte zur Messe gezählt wurden, hofft man, in diesem Jahr wieder an das vorpandemische Niveau von 55’000 Eintritten anzuknüpfen. Der Eintritt zur Messe ist dabei kostenlos. Nur für Besuche von Schulklassen benötigt es eine Anmeldung. Und zumindest in diesem Bereich konnte man schon mehr Registrationen als 2019 verbuchen. «Der Bedarf ist ungebrochen», kommentiert Hess die Nachfrage.
Neben dem Freundeskreis sind für die jungen BesucherInnen die eigenen Eltern die wichtigsten Ansprechpartner, die sie auch über die Messe begleiten. Die Jugendlichen bräuchten bei der Berufswahl jede Unterstützung, die sie bekommen können, erzählt Hess, denn «sie durchleben die anspruchsvollsten Jahre, die man sich vorstellen kann». Die Vereinbarkeit von Freizeit und dem ersten Beruf ist entsprechend auch ein Thema auf der Messe.
Schluss mit typischen Männerberufen
Neben der Vorstellung der unterschiedlichen Lehrberufe – inklusive einiger Arbeitsübungen vor Ort, gibt es ein umfassendes Angebot zum Thema Bewerbungen. In der Messe Oerlikon können Bewerbungsbilder geschossen werden, Lebensläufe perfektioniert und sogar Bewerbungsgespräche in einem Rollenspiel geübt werden. Diese Angebote werden laut Hess auch rege in Anspruch genommen.
Ein weiterer Bereich, für den jährlich auf der Veranstaltung geworben wird, ist die Gleichstellung. Vom spezifischen «Mädchen in der IT» bis zum allgemeinen Aufbrechen von Genderstereotypen in Berufen. So soll ein Forum vor Ort auch für die Fleischfachfrau oder den Fachmann Pflege werben. «Es gibt keinen Grund, warum man Berufe nach dem Geschlecht einteilen sollte. Tatsächlich gibt es aber noch sehr grosse Unterschiede», sagt KGV-Chef Hess. Die Hauptsache sei, dass jeder Auszubildende und jede Auszubildende im Beruf glücklich wird – egal ob es ein typischer Männer- oder Frauenberuf ist.
Kein Homeoffice für Bauarbeiter
Ansprechen möchte man die Jugendlichen auf Jobsuche auch durch die digitalen Kanäle. So ist die Berufsmesse unter anderem auf TikTok und Instagram vertreten. Und auch die nötigen Messeunterlagen sind an den Ständen per QR-Code verfügbar. Ein rein digitales Angebot sei für Hess derzeit allerdings keine Option: «Das physische Zusammenkommen ist unersetzlich, alles andere ist nur ein Bonus.»
Die Digitalisierung der Berufswelt war dagegen schon vor ein paar Jahren ein Schwerpunkt der Messe. «Sie hält Einzug in die Berufe und nach Möglichkeit wollen wir das auch aufzeigen, weil es zukunftsträchtig ist und Spass macht», sagt Hess. Die Aktualität Homeoffice ist zwar ein Thema auf der Messe, aber abseits der kaufmännischen Berufe lässt es sich in den allermeisten Lehrausbildungen nicht von zuhause aus arbeiten.
The Kids Are All Right
Ein Problem mit der viel gescholtenen Generation Z sieht Hess übrigens nicht. Man höre zwar von Lehrbetrieben, dass es bei den Jugendlichen Lücken in elementaren Bereichen wie Schreiben, Rechnen und Textverständnis gebe, aber die Kritik müsse er relativieren. «Wenn man in den alten Jahresberichten von vor 40, 50 oder 100 Jahren nachschauen geht, sagt eigentlich jede Generation, die Lehrlinge ausbildet, dass die aktuellen Lehrlinge nicht mehr so gut sind wie die Generation zuvor», erzählt der gelernte Historiker. Die Kritik am Ausbildungsstandard der Jugend ist also nicht neu. «Und ob es früher wirklich besser war – da bin ich mir nicht sicher», ergänzt Hess.
«Wenn man die Jugendlichen vor Ort sieht, dann ist die Motivation sehr gross und das macht auch Freude», beschreibt er seinen Eindruck von den Rundgängen vergangener Messen. Ein grosser Teil der Jugendlichen sei «ganz normal unterwegs» und wolle sich gut in die Gesellschaft einbringen.
Der Wind wird sich drehen
Ein echtes Thema ist dagegen der Fachkräftemangel. Momentan gibt es noch ein Überangebot auf dem Lehrstellenmarkt. Das ist zwar positiv für die Jugendlichen, die gute Chancen auf einen Lehrberuf ihrer Wahl haben, auf der anderen Seiten bleiben so aber auch viele Lehrstellen unbesetzt. Neben der Gastronomie ist davon vor allem auch die Hotellerie betroffen und somit Berufe, die in der Pandemie viele Abgänge zu verzeichnen hatten. Unbeständige Arbeitszeiten sind nämlich auch für BerufseinsteigerInnen eine Herausforderung.
«Leider ist es so, dass sehr viele Stellen nicht besetzt werden, bei denen man vielleicht ein wenig schmutzige Finger bekommt», sagt Hess. Dabei haben viele dieser Berufe eine Zukunft, die sogar die Selbstständigkeit ermöglichen. Aber genau dafür, um auch für diese Jobs zu werben, gibt es ja die Berufsmesse Zürich.
Schliesslich gibt Hess noch einen Ausblick in die Zukunft, denn der demografische Wandel der Schweiz wird dafür sorgen, dass das Überangebot für Auszubildende bald endet: «In fünf bis zehn Jahren werden wir massiv mehr Ausbildungsplätze brauchen für eine geburtenstarke Generation, die bereits auf der Welt ist.»