Ein Zürcher Start-up will die Schweizer Töffs aus der Garage holen und auf die Strassen bringen. Mit der Plattform Ribe möchte man Biker und Bikerinnen näher zusammenbringen. Denn Freude ist am schönsten, wenn sie geteilt wird.
Wir benutzen in unserem Leben zahlreiche Alltagsgegenstände so gut wie jeden Tag. Ob die elektrische Zahnbürste, Kochtöpfe oder das eigene Auto. Und dann gibt es noch die Gegenstände, die wir sicher im Keller oder in der Abstellkammer platziert haben, weil wir sie demnächst eventuell noch einmal gebrauchen könnten. Die Nähmaschine, die wir während der Pandemie gekauft haben, den Akkuschrauber vom letzten Umzug oder den 3D-Drucker, den wir unbedingt zu Weihnachten haben wollten. Es muss dabei nicht mal ein Platzproblem sein, was uns am Sinn einiger Investitionen zweifeln lässt. Es erscheint schlicht wenig sinnvoll, wenn etwas 99 Prozent der Zeit nicht genutzt wird.
Hier kommt die Sharing Economy ins Spiel, die in den letzten 15 Jahren Unternehmen hervorgebracht hat, die sogar etwas über das Ziel hinausgeschossen sind. So führten die Unterkunftsvermietung Airbnb und der Taxiersatz Uber zu fast mehr Problemen als sie tatsächlich lösten. Letztendlich soll aber durch das Teilen von Gütern nicht nur die Anschaffung erleichtert und die Nutzung effizienter, sondern auch weniger produziert werden. Wer kein Heimwerkerkönig ist, leiht sich einfach das passende Werkzeug, wenn es benötigt wird, und ein Hochzeitskleid trägt man meist nur an diesem einen besonderen Tag.
Fahrzeug statt Stehzeug
Sharing-Plattformen betreten dabei jeweils meist Neuland, versprechen ein grosses Wachstumspotenzial und eignen sich damit ideal für Start-ups. Das Zürcher Unternehmen Ribe etwa erweitert das kommunale Angebot seit Kurzem mit Motorrädern. Einer der Beweggründe: Die insgesamt 750‘000 zugelassenen Töffs in der Schweiz werden im Durchschnitt nur 2000 km pro Jahr bewegt. «99 Prozent der Zeit steht der Töff nur herum», erklärt Kevin Bieler, einer der drei Gründer des Start-ups aus Uetikon am See. Damit sei das Motorrad das perfekte Objekt für die Sharing Economy.
Angefangen hat Ribe 2020 noch mit einem Abomodell. So konnten Kundinnen aus einem kleinen Pool von Motorrädern wählen und diese ausleihen. Im Herbst 2021 machte man die ersten Schritte in Richtung Sharingmodell, bevor man sich 2022 endgültig dafür entschied. Die drei Gründer Kris Fiocchi, Kevin Bieler und Tsering Selang sind dabei allesamt selbst begeisterte Töfffahrer. So findet sich auch auf der Website jeweils die aktuelle Maschine unter ihrem Jobtitel. Inzwischen sind auch alle drei Vollzeit im Start-up aktiv und seit Juli hat das Unternehmen insgesamt sechs Mitarbeiterinnen plus Entwickler für die Plattform.
Wer bei Ribe vorbeischaut, kann aktuell 2200 verfügbare Motorräder begutachten und nach verschiedenen Kategorien sortieren. Ob Neuheiten, Fahrzeuge in der Nähe, Preis oder die Empfehlungen der Mitarbeiter. So findet man etwa aktuell in der Nähe unseres Redaktionsbüros eine klassische Suzuki, eine Enduro von BMW und eine neue MV Agusta. Der Preis wird dabei jeweils als Miete pro Tag angegeben, wobei es auch Rabatte für mehrtägige Mieten gibt. Der Durchschnittspreis liegt bei 80 Franken pro Tag. Für einen Supersportler kann der Preis aber durchaus mal 200 Franken übersteigen. Nachdem man den gewünschten Zeitraum ausgewählt hat, geht die Anfrage auch schon an den Vermieter oder die Vermieterin.
Biker unter sich
Als Hobby- und Liebhaberobjekt unterscheidet sich das Motorrad dann doch von Mietwagen und Alltagsgegenständen. So soll Ribe auch eine Anlaufstelle für die Community sein. «Sehr viele Leute chatten über unsere Plattform und verstehen sich von Anfang an gut», erzählt Bieler. So werden Hinweise und Tipps zum Umgang mit der Maschine schon vor der Fahrt ausgetauscht. «Das Vertrauen ist ein anderes, wenn der mietenden Person der Wert des Töffs bewusst ist», so Bieler weiter. So wird die Sharing Economy noch ein wenig persönlicher, wenn beide Akteure derselben Leidenschaft nachgehen. Ausserdem kann man nach der Ausfahrt ein ehrliches Feedback erwarten. So seien sogar schon Töff-Freundschaften über die Plattform entstanden.
Um mögliche Beschädigungen müssen sich die Ribe-Nutzerinnen auch nur bedingt Gedanken machen. Die Maschinen sind über die Plattform versichert und auch der Grenzübertritt ist problemlos möglich. Ebenso finden sich auch bereits einige Motorräder aus Süddeutschland im Angebot des Start-ups. Nur auf die Rennstrecke darf man mit der geliehenen Maschine nicht. «Dafür findet man leider keine Versicherung. Aber wenn es in Zukunft super läuft, könnten wir uns vorstellen, eine Rennstreckenflotte zusammenzustellen. Damit auch andere Töfffahrer einmal diese Erfahrung machen können», erklärt Bieler, der selbst gerne auf der Rennstrecke unterwegs ist.
Der lange Sommer
Genutzt wird Ribe vor allem am Wochenende, aber auch die Langzeitmiete sei eine beliebte Option. So lassen sich bereits im Voraus Reise-Enduros für die mehrwöchigen Ferien im August buchen. Zusammen mit den Choppern zählen sie zu den beliebtesten Motorradtypen der Ribe-Nutzer. Neben der Option einer längeren Motorradtour lockt die Plattform auch Wiedereinsteigerinnen zurück in den Sattel. «Wir haben zudem viele Töffbesitzer, die für eine Tour mit Kolleginnen mal einen anderen Typen mieten», erzählt Selang. Und auch für ausgiebigere Probefahrten vor einem möglichen Töff-Kauf oder die erste Fahrt mit einem Elektro-Motorrad ist das Sharingmodell eine Alternative zum Händler.
Im teilweise verregneten Mai kam man auf 300 Buchungen, wobei das sonnige Pfingstwochenende für einen Grossteil der Buchungen sorgte. Motorradfahren bleibt eben ein wetterabhängiges und saisonales Hobby. Wobei der Klimawandel den Bikerinnen ein Stück weit entgegenkommt und die Saison in die Länge zieht. So hatte Ribe sogar im Dezember 2022 noch eine Buchung. In der Nebensaison, die normalerweise von Oktober bis März dauert, beschäftigt man sich in Uetikon dann mit der Weiterentwicklung der Webplattform sowie der Community und geht auf Investorensuche. Durch einen Auftritt in der Sendung «Die Höhle der Löwen» konnte man im letzten Jahr bereits Roland Brack als Investor und Teilhaber für sich gewinnen.
Als nächsten Meilenstein möchte man im Juli eine eigene App an den Start bringen, damit der Zugang zu Motorrädern noch einfacher wird. Zu den Wachstumsplänen gehört auch, dass man sich als deutschsprachige Plattform gezielt weiter Richtung Norden orientiert. «Bei den Marktplatz-Geschäftsmodellen muss man geografisch und strategisch vorgehen», erklärt Tsering Selang. Um die Marke bekannter zu machen, stand man zuletzt auch mit Motorradweltmeister Tom Lüthi vor der Kamera. Ausserdem vertreibt man Fanartikel mit dem eigenen Logo über einen Onlineshop. Aber auch Messen und Events spielen eine Rolle. So war man im Juni offizieller Partner der Vespa Days 2023 in Interlaken. Durch das Teilen der Fahrzeuge können Biker an solchen Events teilnehmen, auch wenn das passende Gefährt nicht in der eigenen Garage steht.