Stellensuchend und über 50 – ein hoffnungsloser Fall?

Die Alten behalten

Es grassiert ein branchenübergreifender Fachkräftemangel und trotzdem werden über 50-jährige Stellensuchende oftmals aussen vor gelassen. Obwohl sich dies viele Branchen eigentlich nicht leisten können – zumal sich die Situation in den kommenden Jahren noch verschärfen wird. Was ist aus Sicht von Arbeitgeber und -nehmer also zu tun?

Sie hängen wie ein Damoklesschwert über der ganzen westlichen Welt und so auch über der Schweiz: Die Jahre, wenn die Baby-Boomer, also die geburtenstarken Jahrgänge, in Pension gehen werden. Hierzulande gelten Personen mit den Jahrgängen 1946 bis 1964 als (Baby-)Boomer; 1965 erfolgte anschliessend der Pillenknick. Will heissen, in wenigen Jahren ist es soweit und eine grosse Zahl an ArbeitnehmerInnen, die bislang AHV-Beiträge und in die Pensionskasse (ein)bezahlt haben, treten aus dem Arbeitsmarkt aus und gehen in Rente.

Was dies beutet, ist klar: Nicht nur werden weniger Arbeitstätige die Altersvorsorge stemmen müssen, sondern wird sich auch der Fachkräftemangel weiter zuspitzen. Umso gefragter werden dann Fachkenntnis, Erfahrung und Loyalität dem Arbeitgeber gegenüber sein. Alles Kriterien, die auf ältere Arbeitnehmende zutreffen und doch haben gerade Stellensuchende über 50 oftmals Mühe, wieder einen Job zu finden. Im Kanton Zug waren im August gemäss Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) 431 registrierte arbeitslose Personen zwischen 50 und 65 Jahre alt gemeldet. Im Kanton Luzern lag die Arbeitslosenquote 2022 bei über 50-Jährigen bei 1,4 Prozent.

Hauptsache günstig

Die sich aktuell durch alle Altersschichten durchziehende sehr tiefe Arbeitslosenquote deutet bereits auf einen Fachkräftemangel hin, der sich in den kommenden Jahren weiter akzentuieren wird. Stellt sich die Frage, wie dem entgegengewirkt werden kann. Daniel Neugart kennt einen möglichen Ansatz. Der Basler ist nicht nur Job- und Motivationstrainer, sondern auch Geschäftsführer von SAVE 50Plus Schweiz. Der 61-Jährige gründete den Verband, der sich für über 50-Jährige im Arbeitsmarkt engagiert und über 400 Mitglieder zählt, vor gut zehn Jahren und plädiert für «die Alten behalten».

Profilbild Daniel Neugart

Daniel Neugart war einst selbst stellensuchend und kann sich entsprechend in die Lage der Betroffenen hineinversetzen. Bild: zVg

Er verweist auf die eingangs erwähnten Vorzüge älterer Arbeitnehmender und da seit rund fünf Jahren in der Schweiz mehr Menschen aus dem Arbeitsmarkt aus- als eintreten, könnten es sich die Unternehmen gar nicht mehr leisten, ArbeitnehmerInnen über 50 wegzusparen und auf ihre Dienste und ihr Wissen zu verzichten. Und doch hält auf der anderen Seite die Tendenz zu Frühpensionierungen weiter an.

Neugart hat in diesem Zusammenhang einen neuen Trend feststellen können, der ihm missfällt: «Immer mehr Unternehmen stellen ihre frühpensionierten Mitarbeitenden später über ein Temporärbüro mit einem Teilzeitpensum wieder ein.» Konkret bedeutet dies für das Unternehmen eine qualifizierte und erfahrene Arbeitskraft zum Billigpreis, die auf diesem Weg weniger Sozialleistung erhält. «Dies verkaufen die Firmen dann auch noch als Wertschätzung, dabei ist es eine Schweinerei. Zudem konkurrieren sie so ArbeitnehmerInnen in diesem Alter mit einem ‹normalen› Lohn.» Leider sei diese Praxis nur schwer nachzuweisen.

60 Jahre lang zugewartet

Stattdessen müsste man aus seiner Sicht die sogenannten Fachrentnerkarrieren fördern, damit ältere ArbeitnehmerInnen beispielsweise über ein Jobsplitting-Modell weiter in einem geringen Pensum arbeitstätig sein können. Jobsplitting ist eine Form des Jobsharing, bei der es um eine zeitliche Aufteilung eines Arbeitsplatzes in zwei oder mehrere voneinander unabhängige Teilzeitstellen geht. Dabei haben beide Teilzeitkräfte identische Aufgabenprofile und es besteht kein Interaktions- oder Kooperationsbedarf. «Die Fachrentnerkarriere sollte ab 50 Jahren aufgegleist werden, damit sich beide Seiten darauf vorbereiten und bereits die nötigen Kontakte aufgebaut werden können», erklärt Neugart.

Ältere Frau und Mann arbeiten zusammen am Schreibtisch

Für die Arbeitgeber gibt es die Möglichkeit von Einarbeitungszuschüssen bei der Einstellung einer über 50-jährigen Arbeitnehmerin. Bild: AndreyPopov / Depositphotos

Hierbei nimmt er insbesondere die Arbeitgeber in die Pflicht, denn hätten es diese in der Vergangenheit verpasst, sich auf den nun eintreffenden Rückgang von Arbeitnehmenden vorzubereiten, was in absehbarer Zeit das gesamte Rentensystem gefährden werde. «Und dies, obwohl es die Wirtschaft seit knapp 60 Jahren weiss», wie er betont.

Dabei können die Unternehmen sogar auf Unterstützung zählen, wenn es um die Integration von älteren ArbeitnehmerInnen im Betrieb geht. So kann einem allfälligen Mehraufwand bei der Einarbeitung mittels Verfügung eines Einarbeitungszuschusses oder Berufspraktikums von der Arbeitslosenversicherung (ALV) entgegengewirkt werden.

Mit der Hilfe von Coaches

Betroffene Stellensuchende auf der anderen Seite geniessen mehrere Möglichkeiten, um eine rasche Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt zu beschleunigen. Im Kanton Luzern ist eine davon das Angebot Integration ALV, das WAS wira Luzern im August 2020 für Stellensuchende ab 50 lancierte. «Dieses zeichnet sich durch gezielte, ressourcenorientierte Unterstützung unter anderem durch Coaching und aktive Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt aus», erklärt Karin Lewis, Bereichsleiterin Arbeitsmarkt von WAS wira Luzern. Stellensuchende Personen mit erschwertem Zugang zum Arbeitsmarkt profitieren somit von einer Doppelbegleitung. Einerseits durch die Integration ALV und andererseits durch die RAV Personalberatung. «Diese zusätzlichen Ressourcen ermöglichen das Arbeiten an individuellen Fragestellungen oder Themen mit einer Fachperson», so Lewis.

Karin Lewis, dunkle Haare, schwarze runde Brille

Karin Lewis ist Bereichsleiterin Arbeitsmarkt von WAS wira Luzern. Bild: zVg

Die ALV ist wiederum im SECO angesiedelt, das auf nationaler Ebene mit Supported Employment ebenfalls ein Angebot für Stellensuchende über 50 Jahre geschaffen hat. Diese werden zur Teilnahme am Angebot eingeladen, ohne dass eine Zuweisung durch das zuständige RAV nötig ist. Job Coaches beteiligen sich an der Stellensuche und begleiten die Teilnehmenden und die Arbeitgebenden bis zu 18 Monate nach dem Stellenantritt. Falls für die neue Tätigkeit ergänzende Qualifikationen nötig sind, können die Job Coaches zudem entsprechende Kurse oder Schulungen finanzieren.

Auch eine mentale Stütze

Auch SAVE 50Plus Schweiz wartet mit einem breiten Angebot für Stellensuchende ab 50 auf, wobei in sämtlichen Bereichen mit spezialisierten Partnern zusammengearbeitet wird. Dies beginnt beim Beratungsgespräch, führt über Selbstvermarktungsangebote, Stilberatung, die Erstellung eines Bewerbungsvideos, einen Persönlichkeitstest bis hin zu Coaching, das sich unter anderem darauf fokussiert, das Selbstwertgefühl der stellensuchenden Person (wieder) zu stärken.

Dass auch auf psychologischer Ebene Unterstützung nötig sein kann, bestätigt auch Karin Lewis: «Je älter eine stellensuchende Person ist, desto häufiger treten Existenzängste ins Zentrum. Die psychologische Komponente nimmt in Beratungsgesprächen eine zunehmend wichtigere Rolle ein.» Es sei wichtig, Ängste ernst zu nehmen und zu thematisieren. Der Fokus liege dabei auf dem Aufzeigen von Chancen und Möglichkeiten in der jeweiligen Situation und auf der gemeinsamen Erstellung eines Aktionsplans zur Bewältigung des Problems, «sodass allfällige Ängste in den Hintergrund rücken».

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2 Kommentare

personalberatung 10. Januar 2024 - 23:07

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PERSONALBERATUNG 21. Januar 2024 - 14:44

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