Ist Ihnen das Internet auch verleidet? Mir schon. Das heisst, ich muss zugeben, das Internet ist genial, wenn man etwas suchen will. Will man aber etwas finden, ist es nahezu unbrauchbar.
Vielleicht müsste man bei Google zuerst einen vierzehntägigen Kurs machen, wie man verhindern kann, dass auf ein Stichwort zwar 4.4 Millionen Treffer angezeigt werden, die ersten 1.2 Millionen Treffer aber nutzlos sind. Klar, wenn ich eingebe „Ameise mit zwei hellgrünen Pantöffelchen“, dann kommen nur wenige Treffer, aber dieses Thema interessiert mich nur selten. Ich habe sogar etwas gefunden zum Stichwort „Ins Gläsli furzen“.
Letzthin war das Internet mir aber eine grosse Hilfe. Ich suchte nach einem Text und den Noten eines alten Hits. Ich fand ihn tatsächlich und suchte nach einem Buch, in welchem das Stück abgedruckt ist. Ich fand es wirklich, das Titelblatt kam mir seltsam bekannt vor und ich dachte plötzlich: Das Buch habe ich doch! Ich fand es in meinem Büchergestell.
Das war faszinierend: Mit Hilfe des weltweiten Internets fand ich, per Google-Hupf, nach Durchforsten von Millionen von Webseiten das Buch, welches bei mir zu Hause stand.
Oder wir stellen unser Profil weltweit ins Netz und merken dann nach einem Jahr, dass von all den Milliarden Usern sich definitiv für uns doch keine Sau interessiert.
Wir haben auf Fratzebook 1’267 Freunde, von denen aber auch gar keiner zu unserer Beerdigung kommen wird. Wir arbeiten jeden Tag eine Stunde an unserem Profil im Netz, und gleichzeitig haben wir persönlich immer weniger Profil.
Wohlverstanden, ich finde diese neuen Möglichkeiten nicht schlecht, sie bringen aber nicht grundsätzlich mehr Lebensqualität und man darf sie nicht allzu ernst nehmen.
Was man aber dringend ernst nehmen müsste, ist die Tatsache, dass das Internet eine Art tolerierter, rechtsfreier Raum ist. Das wundert mich schon lange. Da schauen wir alle zu und sind nicht fähig, irgendwelche Grenzen zu setzen. Und dieser rechtsfreie Raum ist problemlos zugänglich für Kinder.
Wir stellen ihnen ein Internet vor die Nase, das zur Hälfte aus Schrott und zu einem Viertel aus Schweinereien besteht. Wir lassen es einfach laufen und checken nicht, dass die Kinder, ohne böse Absicht, da mit zwei Klicks von einem herzigen „Häschen mit Rüebli“ zu einem „Hasen mit einem gewaltigen Rüebli“ kommen können.
Ich fordere keineswegs eine strikte Zensur, aber einfach zuschauen und laufen lassen, das ist nicht Freiheit, sondern Feigheit.
Das wird auch auf längere Sicht eine Abstumpfung erzeugen, die uns noch grosse Probleme bereiten wird.
Ich weiss heute über Twitter nach zwei Sekunden alles über George Clooney. Wo er gerade ist, und welches Model ihm gerade die letzte Nespresso-Kapsel weggetrunken hat. Wenn der Nachbar aber tot in der Wohnung liegt, merke ich es erst nach drei Wochen.
Ist das die Folge unserer 360°-Panorama-Langeweile, in der Kriegs- und Katastrophenbilder nur noch der Unterhaltung dienen, der Belustigung?
Zeugen immer mehr Leute keine Kinder mehr, weil es so mühsam ist? Wäre es anders, wenn es Kinder zum Runterladen gäbe? Und, statt sie in die Schule zu schicken, jeden Monat ein Update drauf!
Zurück zum Thema: Wir sind so gleichgültig dem Internet gegenüber. Jeder Idiot kann jeden Schrott ins Netz stellen und dort bleibt es dann, in Festplatten gemeisselt.
Im Internet gefunden: Der Amerikaner Steven Gabbit sitzt jeden Tag zwischen 11.00 und 11.30 vor einer Selbstschussanlage mit Live-Webcam. Das Gewehr zielt auf seinen Kopf, es kann ausgelöst werden dadurch, dass zwei Millionen User gleichzeitig einen Button drücken, dann würde Steven Gabbit erschossen. Steven meinte dazu: „Ich wollte mich schon seit drei Jahren umbringen, hatte aber den Mut nicht. Erst diese Idee hat meinem Leben wieder Sinn gegeben, der Nervenkitzel und die Aufmerksamkeit …“
Bisher war die höchste Anzahl der abgegebenen Klicks 134’500, es werden aber täglich mehr. Schauen Sie doch unter www.youkillmyself.com und Sie werden sehen, dass es noch erfunden ist, aber ich wette, es wird kommen …
Peach Weber