Interview mit René Schudel

«Ich fühle mich in dieser archaischen Umgebung sicher»

René Schudel führt seit neuestem ein Restaurant auf Ibiza. Fans des TV-Kochs müssen sich jedoch keine Sorgen machen: Seine Standbeine in der Schweiz vernachlässigt der Interlakener deswegen keineswegs.

Warum gastronomisch nur in einem Land tätig sein, wenn man gleich mehrere Regionen dieser Welt bekochen kann? Dies sagt sich Starkoch René Schudel (45) nicht nur in Bezug auf seine Fernsehsendung «Schudel’s Food Stories», sondern beherzigt sich dies der Interlakener nun auch bei seinen Restaurants. So führt er nicht nur das Restaurant Stadthaus in Unterseen, das unter seiner Ägide 2014 neu eröffnet wurde, sondern seit April auch das Restaurant Green auf Ibiza. 

Wir haben bei René Schudel nachgefragt, was er für ein Konzept mit seinem neuen Restaurant verfolgt, warum er von Ibiza bis heute fasziniert ist und ob wir in Bezug auf Food Waste tatsächlich auf einem so guten Weg sind, wie wir es uns manchmal gerne einreden. 

René Schudel, am 8. April haben Sie das Green, Ihr neues Restaurant auf Ibiza, offiziell eröffnet. Ist zum Start hin soweit alles glatt gelaufen?

Ja, wobei es sich um ein «Soft Opening» handelte. Bis zur offiziellen Eröffnung Mitte Mai gibt es schon noch das eine oder andere zu tun. Zuletzt arbeiteten wir eigentlich ausschliesslich mit dem Kernteam, sprich der Geschäftsleitung, das übrige Personal stösst Schritt für Schritt dazu. Wobei man natürlich auch auf Ibiza spürt, dass die Coronapandemie den Fachkräftemangel in der Gastronomie massiv verschärft hat. 

Green auf ibiza

Das Restaurant Green auf Ibiza wird seinem Namen gerecht. Bild: zVg

Gibt der Name des Restaurants einen Hinweis darauf, was die Gäste auf der Karte vorfinden werden?

Jein. Wir verzichten nicht komplett auf tierische Produkte, doch wird unsere Karte zu etwa 80 Prozent vegetarisch und mit einem hohen Gemüse- und Früchteanteil daherkommen. Plus sind Fleisch und Fisch entweder gedämpft oder roh und nicht angebraten und wir beziehen es ausschliesslich von Ibiza selbst. Einen veganen Schwerpunkt setzen wir nicht, es ergibt sich bei manchen Gerichten jedoch einfach, dass sie vegan sind. 

Schudel-Kräuter

Auf Ibiza bei der Kräutersuche. Bild: Instagram René Schudel

Was ist sonst noch Teil des Konzepts?

Am Vormittag ist im Take-Away-Format Frühstück inklusive verschiedenen Säften angesagt. Über den Nachmittag schliessen wir und am Abend fungieren wir dann als klassisches Restaurant inklusive Barbetrieb.  

Bedeutet das Restaurant Green, dass Sie über die Frühlings- und Sommerwochen nun öfter auf Ibiza als in der Schweiz anzutreffen sein werden?

Nein, auf keinen Fall. Für die offizielle Eröffnung werde ich natürlich dort sein, dann jedoch nur noch sporadisch. Denn habe ich in der Schweiz genügend andere Projekte, die ich nicht vernachlässigen möchte. 

René Schudel

Schudels kulinarische Karriere begann in seiner Heimat in Interlaken. Bild: STUDIO RUDE – Rahel Schneuwly

Dass dieses Projekt auf Ibiza zustande gekommen ist, ist bestimmt kein Zufall. Sie pflegen eine ganz besondere Beziehung zu dieser Insel.

Zum ersten Mal war ich im Alter von acht Jahren dort. Anschliessend zog es mich immer wieder nach Ibiza, auch in meinen wilden Jahren als DJ (lacht). Mit der Zeit entstanden Freundschaften und viele Kolleginnen und Kollegen dort, die ich schon im Jugendalter kennengelernt habe, arbeiten mittlerweile in Berufen, die sich gut mit meiner gastronomischen Tätigkeit kombinieren lassen. So ist auch das Green entstanden. Wir haben uns zusammengesetzt, überlegt, was wir gemeinsam auf die Beine stellen könnten und dann die Chance ergriffen, als gerade ein passendes Ladenlokal leer wurde. 

Was macht für Sie den Reiz von Ibiza aus?

Es ist klein, eigen, dynamisch, urban, international und generell ein magischer Ort mit viel Power. Gerade im Gastrobereich weist die Insel zudem viel starke Konkurrenz von Weltformat auf. Einfach mal etwas probieren und auf gut Glück ein Restaurant eröffnen, funktioniert da nicht. Ibiza ist zwar seit jeher ein Hotspot für Gastro, Events und pulsierendes Nachtleben, der sich seine DNA bis heute hat bewahren können, erlebt aktuell jedoch einen Wandel. 

Inwiefern?

Es findet ein Generationenwechsel statt. Jene Generation, die sich durch ihre Projekte das heutige Ibiza geschaffen hat, reicht den Stab weiter. Die NachfolgerInnen müssen nun beweisen, dass sie diesen Innovationsgeist und die gleiche Machermentalität besitzen. Zumal die Voraussetzungen nun andere sind. Sie müssen die Betriebe nicht mehr aus dem Boden stampfen, sondern können diese einfach übernehmen und die damalige Leichtigkeit ist nicht mehr vorhanden. Ausserdem muss darauf geachtet werden, dass die Zitrone auf Kosten der Insel nicht zu stark ausgepresst wird. 

Was heisst das konkret?

Mittlerweile beginnt die Saison bereits Anfang April und dauert bis Anfang Dezember. Während der Hochsommer aus meiner Sicht mittlerweile unerträglich ist, sind die Wintermonate vom Spirit her inzwischen sogar ebenbürtig. Das Problem ist, dass sich die Insel den Winter über so im Gegensatz zu früher gar nicht mehr regenerieren kann. 

Von Ibiza zurück in die Schweiz. Sie hatten geplant, im Restaurant Des Alpes in Interlaken eine Brasserie zu eröffnen mit Restaurant, Grill, Café-Bar und Patisserie. Plus Tapas-Bar und Biergarten. Der Sanierungsbedarf war jedoch gross und so richteten Sie im vergangenen Sommer vorerst einen Pop-up-Betrieb ein. Wie geht es dort nun weiter?

Tatsächlich hat sich die Gemeinde dazu entschieden, das Lokal neu auszuschreiben. Ich bin mir nicht sicher, weshalb. Wir werden nun abwarten und uns dann entscheiden, ob die Ausschreibung für uns immer noch interessant ist. 

René Schudel als Helikopterpilot

Helikopterpilot Schudel mit dem Matterhorn im Visier. Bild: Claudio Bezerra / Instagram René Schudel

Selbst ohne die Brasserie ist die Gefahr eher gering, dass Ihnen langweilig zu werden droht. So führen Sie unter anderem seit 2014 auch das Restaurant Stadthaus in Unterseen. Brauchen Sie das, mehrere Projekte gleichzeitig am Laufen zu haben?

Gute Frage. Auf der einen Seite kribbelt es mir unter den Nägeln, wenn ich mich nicht um mehrere Dinge parallel kümmere. Auf der anderen Seite frage ich mich, warum ich nicht Nein sagen kann, wenn es mir über den Kopf zu wachsen droht (lacht). Tatsache ist jedoch auch, dass man permanent liefern muss, wenn man in der Gastrowelt überleben will. Ausserdem kommen Projekte nicht erst seit Covid-19 oftmals sehr kurzfristig zustande. Da hilft es, fixe Anker zu haben, wie das Stadthaus oder mein Engagement am Greenfield Festival, wo ich mit angehenden KöchInnen in einem Zelt über Feuer koche. 

René Schudel am Greenfield Festival

Am Greenfield Festival arbeitet er jeweils mit Lehrlingen zusammen. Bild: Instagram René Schudel

Hinzu kommt Ihr TV-Engagement, Mitte April startete die 4. Staffel von «Schudel’s Food Stories». Haben Sie für die neue Staffel neue Anreize zu schaffen versucht oder geschieht dies durch die verschiedenen Destinationen automatisch?

Das Gute ist, dass wir gar keinen Bedarf haben, unser Erfolgskonzept allzu stark zu verändern. Die Formel der Sendung hat sich mehr als bewährt und wir können davon profitieren, dass wir schon von Beginn an qualitativ sehr hochwertig produziert haben. Die Leute schätzen das klare Konzept, die Einfachheit und Verbundenheit mit der Natur und den Elementen. 

Wie wird es für Sie fernsehtechnisch anschliessend weitergehen?

Das ist noch offen. Ich bin seit 14 Jahren praktisch pausenlos als Koch im Fernsehen zu sehen, weswegen ich gerne auf mich zukommen lasse, was als Nächstes folgen wird. 

Sie sind bekannt für das Kochen über offenem Feuer. Wann haben Sie für sich den Reiz dieser Zubereitungsart entdeckt?

Schon bei meinen ersten Kochsendungen für den «Funky Kitchen Club» vor 14 Jahren setzte ich darauf. Es ist seit jeher meine Leidenschaft, so zu kochen. Es ist meine Welt, ich fühle mich sicher in dieser sozusagen archaischen Umgebung. Wobei natürlich auch die feinmotorische Küche für mich kein Problem ist (lacht). 

Das Kochen über offenem Feuer ist doch mindestens genauso anspruchsvoll: Die Temperatur kann nicht so einfach reguliert werden und Feuer ist nicht gleich Feuer. Nur schon, was die Holzart anbelangt, hat diese doch einen grossen Einfluss auf den Geschmack.

Es ist einfach ein ganz anderes Kochen. In einer regulären Küche droht man von den Geräten abgelenkt zu werden. Das Feuer hingegen zwingt einen dazu, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Sprich, auf die Produkte an sich sowie die Umgebung, Elemente etc. 

Sie sind schon durch unzählige Länder gereist und haben dort gekocht. Was war Ihre bislang extremste Kocherfahrung respektive der extremste Ort, an dem Sie gekocht haben?

Ich würde sagen Indien: Das Leben dort, die Küche, das Kochen auf einem Rooftop hoch über Udaipur – das war eine ganz besondere Erfahrung. Grundsätzlich hat aber jeder Ort sein Extrem, überall begegnen einem Herausforderungen, wenn man dort unter freiem Himmel kochen will. Am Strand ist es das Meer und in der Schweiz die hohen Berge, die es knifflig machen. 

René Schudel am Matterhorn

Ein Bild, wie es René Schudel nicht besser beschreiben könnte: Feuer, Helikopter und Berge. Bild: Facebook René Schudel

Welche Küche würden Sie gerne einmal noch besser kennenlernen?

Ich bin ein grosser Fan der argentinischen Küche, habe mich mit ihr jedoch noch nicht so intensiv befassen können, wie ich es gerne würde.  

Obwohl Sie ständig auf Achse zu sein scheinen, kommen Sie immer wieder gerne nach Hause zurück. Würden Sie Interlaken für irgendeinen anderen Wohnort auf dieser Welt aufgeben?

Nein, und generell die Schweiz nicht. Sie ist ein tolles Land und es wäre echt dumm, ihr den Rücken zu kehren. Allerdings könnte ich auch nicht ausschliesslich in der Schweiz sein, ich brauche regelmässig eine zwischenzeitliche Luftveränderung. Obwohl das Land viele Vorteile mit sich bringt, müssen wir auch aufpassen, dass wir uns nicht in eine falsche Richtung bewegen. Ich sage mal so: Ich vermisse etwas den Blick durch das Weitwinkelobjektiv. 

In der Lebensmittel- und Ernährungsbranche gibt es aktuell viele sehr heiss diskutierte Themen. Zum Beispiel vegetarische und vegane Ernährung. Ein anderes ist Food Waste. Mit der «Zero Foodwaste Kitchen» von Lidl Schweiz sind auch Sie diesbezüglich aktiv, liefern dabei passende Rezeptideen, um Lebensmittelabfälle möglichst zu vermeiden. Haben Sie das Gefühl, in den letzten Jahren ist das Bewusstsein der Leute grösser geworden, wie man unnötige Lebensmittelabfälle umgehen und Reste möglichst effizient verwerten kann?

Ich würde sagen, das Thema hat vor allem medial an Präsenz gewonnen, da es für die Medien auch ein dankbares Thema ist. Tatsache ist, dass immer noch viel Arbeit vor uns liegt, gerade auch, wenn ich an die Lebensmittelverpackungen denke. Aber ja, es sind natürlich viele gute Ansätze in Bewegung, die in die richtige Richtung gehen. Dies ist jedoch auch nötig, denn darüber zu schreiben ist schön und gut, doch braucht es schlussendlich Taten. 

Zur Person

Geboren in Wilderswil BE, wuchs René Schudel in der Region Interlaken auf, wo er auch heute noch wohnhaft ist. Seine kulinarische Karriere begann im Hotel Victoria Jungfrau in Interlaken, wo er eine Lehre bei Erwin Stocker absolvierte. Anschliessend blieb der 45-Jährige der Gastronomie bis heute treu. Schudel führt das Restaurant Stadthaus in Unterseen und das Restaurant Green auf Ibiza. Bis Ende 2019 bewirtete er 16 Jahre lang das Restaurant Benacus in Unterseen. 

Der Berner ist seit 2008 mit verschiedenen TV-Sendungen im Fernsehen zu sehen: «Flavorites», «Schudel on the Rocks», «Funky Kitchen Club» und seit 2019 «Schudel’s Food Stories». Aktuell läuft auf ProSieben die 4 Staffel. Den Anfang nahm seine TV-Karriere im Hotel Eden in Arosa, wo er seinen heutigen Produzenten kennenlernte und sie begannen, zusammen kleine Videos zu drehen. Bekannt ist René Schudel auch durch seine Zusammenarbeit mit McDonald’s, wo er eigene Burger-Kreationen hatte. 

Am Greenfield Festival kocht er jeweils mit angehenden KöchInnen über Feuer, wofür er 2018 den Milestone erhielt. Damit werden besonders innovative Projekte und Persönlichkeiten in der Schweizer Tourismuslandschaft gewürdigt. Daneben ist Schudel passionierter Helikopterpilot und Feuerwehrmann in Interlaken. 

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