Probleme ansprechen und positives Feedback nicht vergessen

(Re)integration psychisch erkrankter Mitarbeitenden

Um psychisch erkrankte Mitarbeitende erfolgreich in den Arbeitsprozess zu reintegrieren, ist es wichtig, bestimmte Faktoren zu berücksichtigen. Auch für die Betroffenen gilt es, Aspekte wie eine offene Kommunikation umzusetzen, um sich am alten oder neuen Arbeitsplatz (wieder) gesund und wohlzufühlen.

«Ich fühle mich überfordert, überlastet, überarbeitet – und gefangen. Es gibt keinen Ausweg.» Aussagen wie diese können auf eine chronische Erschöpfung oder psychische Erkrankung hindeuten und sollten entsprechend aufhorchen lassen. Psychische Erkrankungen können das Denken, Fühlen und Handeln der betroffenen Menschen beeinflussen, was sich in beruflicher Hinsicht wiederum auf deren Arbeitsleistung und die Zusammenarbeit auswirkt. Während einige Symptome für Aussenstehende klar erkennbar sind, bleiben andere häufig verborgen. «Betroffene fühlen sich oftmals stark eingeschränkt, aber mit den richtigen Anpassungen am Arbeitsplatz können sie dennoch gute Leistungen erbringen», äussert sich die Psychologin Bettina Bärtsch dazu auf «HR Today». 

Zu den möglichen Veränderungen der Arbeitsleistung, wenn Betroffene nach einer psychischen Erkrankung an ihren Arbeitsplatz zurückkehren, zählt Bärtsch zum Beispiel ein verringertes Arbeitstempo und einen erhöhten Bedarf an Pausen. Schwankende Arbeitsqualität sowie eine eingeschränkte Konzentrations- und Belastungsfähigkeit können ebenfalls daraus resultieren. Auch die Anzahl der Absenzen kann steigen. Zudem kann sich das Verhalten der Mitarbeitenden ändern, beispielsweise durch Rückzug oder ungewöhnliche Stimmungsschwankungen. 

Klarheit schaffen sowie Probleme offen ansprechen

Für eine erfolgreiche Wiedereingliederung ist es laut Bettina Bärtsch, die auf Supervision und Coaching von Organisationen spezialisiert ist, generell entscheidend, klare Führungsstrukturen zu schaffen und die Aufgabenverteilung transparent zu gestalten. Arbeitsvolumen und -inhalte sollten nach Absprache angepasst werden, um die Belastung zu reduzieren. Probleme sollten offen angesprochen und gleichzeitig positives Feedback gegeben werden, da Lob in solchen Situationen besonders wichtig ist. Zudem kann der Beizug eines Job-Coaches hilfreich sein, um den Wiedereinstieg zu erleichtern. 

Eine Job-Coachin spricht mit einem Klienten, der auf dem Sofa sitzt

Ein Job-Coach kann die (Re)integration erleichtern. Bild: IgorVetushko / Depositphotos

Für neue Mitarbeitende mit psychischen Erkrankungen gelten ähnliche Prinzipien. Die Auswahl erfolgt nach den üblichen Kriterien wie Qualifikationen und Pensum, wobei Teilzeitstellen oder Jobsharing sinnvolle Optionen darstellen können. Ein Schnuppereinsatz ermöglicht beiden Seiten, die Erwartungen abzugleichen. Führungskräfte sollten zudem von ihrer Entscheidung, den Bewerber einzustellen, überzeugt sein und Unterstützung im Arbeitsalltag anbieten. Zu professioneller Hilfe sollte ebenfalls ermutigt werden, um die Reintegration langfristig erfolgreich zu gestalten​. 

Es gibt eine Vielzahl von psychischen Erkrankungen, bei denen Menschen weiterhin arbeiten können, insbesondere wenn die Symptome gut behandelt oder gemanagt werden. Denn viele Betroffene können – mit entsprechenden Anpassungen und Unterstützung am Arbeitsplatz – ihre berufliche Tätigkeit fortführen.  

Betroffene können weiterhin arbeiten, aber…

Bei leichten bis mittelschweren Depressionen können Betroffene oft weiterarbeiten, wenn sie therapeutische Unterstützung oder eine medikamentöse Behandlung erhalten. Anpassungen wie flexiblere Arbeitszeiten oder reduzierte Arbeitsbelastung können hilfreich sein. Menschen mit generalisierter Angststörung, Panikstörung oder sozialen Phobien können arbeitsfähig bleiben, wenn sie ihre Angst durch Therapie und möglicherweise Medikamente unter Kontrolle halten. Unterstützung durch das Team und klare Strukturen im Arbeitsumfeld sind oft förderlich. 

Frau sitzt erschöpft am Pult. Neben ihr sind stapelweise Ordner

Ist die Arbeitsbelastung zu hoch, kann sich dies in einer chronischen Erschöpfung äussern. Bild: AndreyPopov / Depositphotos

Eine biopolare Störung ist durch extreme Stimmungsschwankungen gekennzeichnet, doch viele Betroffene können mit geeigneter Behandlung in stabilen Phasen weiterarbeiten. Arbeitsplatzanpassungen und ein verständnisvolles Arbeitsumfeld sind hier oft entscheidend für den Erfolg der Reintegration. Menschen, die an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) leiden, können häufig arbeiten, wenn ihre Symptome wie Flashbacks oder Schlafstörungen gut behandelt werden. Hier können flexible Arbeitszeiten und die Möglichkeit, Pausen einzulegen, hilfreich sein. 

ADHS: Schwierigkeiten mit der Konzentration

Erwachsene mit ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) haben Schwierigkeiten mit ihrer Konzentration und Impulsivität, sind aber oft sehr leistungsfähig, wenn sie sich auf ihre Stärken fokussieren können. Arbeitsumgebungen, die Struktur und Flexibilität bieten, sind oft förderlich. In stabilen Phasen können Menschen mit Schizophrenie, besonders wenn sie medikamentös behandelt werden, wiederum durchaus arbeitsfähig sein. Unterstützungsangebote wie regelmässige Betreuung und klare Aufgaben können hierbei eine wichtige Rolle spielen. 

Personen mit Essstörungen wie Anorexie, Bulimie oder Binge-Eating-Störungen können oftmals weiterarbeiten, solange sie Unterstützung in ihrer Behandlung erfahren. Der Arbeitsdruck sollte nicht zur Verschärfung der Symptome beitragen, und ein verständnisvolles Umfeld ist hier zentral. Wichtig zu bedenken ist, dass die Schwere und der Verlauf der Erkrankung stark variieren können. Mit professioneller Hilfe, geeigneten Behandlungen und angepassten Arbeitsbedingungen können viele Menschen mit psychischen Erkrankungen ihre Arbeitsfähigkeit erhalten und einen Beitrag leisten. 

Burnout: keine psychische Störung

Das Burnout auf der anderen Seite ist ein Spezialfall. «Es figuriert nicht in der Liste der psychischen Störungen im ICD-10», schreibt das Beratungszentrum für betriebliches Gesundheitsmanagement Zürich in einem Fachbeitrag. Die ICD-10 ist eine medizinische Klassifikationsliste der Weltgesundheitsorganisation WHO über alle Krankheiten. Das Burnout zählt zu den «Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Beanspruchung von Gesundheitsdiensten führen», also ein Problem, verbunden mit «Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung» und als «Erschöpfungssyndrom». Ein Burnout ist philosophisch formuliert ein Verschleiss der Seele. 

Ein Chef lobt seinen Mitarbeiter, hält ihm die Hand auf die Schulter

Zu loben und nicht nur zu kritisieren, ist generell wichtig. Bild: imtmphoto / Depositphotos

Personen, die unter einem Burnout litten, sollten laut Experten stufenweise wieder in den Arbeitsprozess eingegliedert werden. Angezeigt ist eventuell ein «Schonarbeitsplatz» oder auch eine neue Stelle. Zu den erforderlichen Massnahmen am Arbeitsplatz zählen die Anpassung des Arbeitsvolumens und der Inhalte. 

Was Betroffene beachten sollten

Es braucht immer zwei Seiten für den Erfolg. Für einen psychisch erkrankten Menschen, der sich (wieder) in den Arbeitsalltag reintegrieren möchte, ist es entscheidend, einige Schritte zu beachten, um den Übergang so erfolgreich wie möglich zu gestalten. So sollte die Person offen mit dem Arbeitgeber kommunizieren. Es kann hilfreich sein, diesen über die Erkrankung zu informieren, insbesondere wenn Anpassungen am Arbeitsplatz notwendig sind. Auch ein Gespräch über die Erwartungen des oder der Vorgesetzten bezüglich Aufgaben, Arbeitszeiten und Leistungen ist hilfreich. Und der oder die Betroffene sollte mitteilen, welche Art von Unterstützung wertvoll ist und wo die Belastungsgrenzen liegen. 

Der Wiedereinstieg sollte langsam vonstattengehen – reduzierte Stunden und eine schrittweise Steigerung des Pensums sowie regelmässige Pausen sind förderlich. Zudem ist es wichtig, sich Unterstützung im Arbeitsumfeld bei offenen Kolleginnen und Kollegen zu suchen – aber auch selbst eine Art «Gesundheitsmanagement» zu betreiben und Warnsignale ernst zu nehmen. Psychologische Behandlungen, sei es durch eine Therapie oder Medikamente, sollten auch während der Arbeitsphase weitergeführt werden, um Rückfälle zu vermeiden.  

Durch solche Massnahmen kann der oder die Betroffene seine Chancen auf eine erfolgreiche Reintegration in den Arbeitsmarkt deutlich erhöhen. Ein stabiler, gut unterstützter Wiedereinstieg ins Arbeitsleben kann wesentlich zum langfristigen Erfolg und zur Stabilisierung der psychischen Gesundheit beitragen. 

Nützliche Adressen: 

www.stressnostress.ch
www.swissburnout.ch
www.kmu-vital.ch