Ich möchte mit diesen Zeilen niemanden angreifen oder verurteilen, viel mehr möchte ich zu Diskussionen anregen, dass man weniger verurteilt und mehr hinterfragt. Kurz zu meiner Person, ich bin Tierärztin und laut meinen Eltern vernarrt in Tiere, seit ich kriechen kann. Ich selbst besitze drei Pferde/Ponys, mit denen ich die unterschiedlichsten Dinge mache. Diese Leidenschaft lebt mein bald 14-jähriger Sohn mit.
Mich haben einige «Medienberichte» und Posts von sozialen Netzwerken dazu angeregt, über dieses Thema zu schreiben. Dazu gehören die Euthanasie von Jet Set, das Verhalten der Fünfkämpferin Annika Schleu, der Unfall von Clooney und die Kritik der Tierquälerei im Dressursport gegen Isabell Werth. Darauf möchte ich hier aber nicht näher eingehen.
Wenn es um Equiden geht, werden sehr viele Vorwürfe vorgebracht, und zwar in allen Bereichen und jeder gegen jeden und auch Nicht-Wisser – vor allem auch Medien – mischen mit. Aus meiner persönlichen Sicht ist keine Sparte besser als die andere, egal ob Freizeitreiter, Profireiter, Breitensport, Pferdeflüsterer etc.
Was macht ein 80 kg schwerer Mensch auf einem Pony? Und ein Kind, das die Beine unterhalb des Sattels an den Bauch des Ponys bekommt, wird von den Richtern als zu gross erachtet? Wie viele Erwachsene tragen die Füsse unterhalb des Bauches eines Pferdes? Wie viele Menschen möchten unbedingt mal reiten gehen und reiten – oder besser gesagt wackeln oder fallen in den Rücken – stundenlang? Pferde werden trainingshalber nur auf kleinen Volten bewegt. Ist das natürlich und ist der Bewegungsapparat darauf ausgelegt? Wer sieht Gangunregelmässigkeiten und nicht erst Lahmheiten? Wer kennt noch das ABC – Verhalten, Umgang, beobachten etc. – des Reitens, das früher beigebracht wurde?
Ist es verwerflich, einen Equiden im richtigen Moment und in angemessener Härte zum Beispiel mit einer Gerte zu bestrafen, wenn er seinen Kopf durchsetzen möchte? Wie gefährlich wird es, wenn ein 500 kg schwerer Equide merkt, dass er stärker ist als der Mensch? Wie brutal sind Pferde untereinander und in der Wildnis? In einem Dokumentarfilm wurde einmal gezeigt, wie ein Mustanghengst ein nicht-lebensfähiges Fohlen mit den Zähnen durch die Luft geworfen hat und auf diesem herumgetrampelt ist, bis es Tod war. Ich möchte damit aber in keiner Weise einen brutalen Umgang mit diesen sensiblen Tieren gutheissen. Ist Reitsport Tierquälerei? Ist reiten Tierquälerei, denn eigentlich ist ein Equide nicht zum Tragen von Lasten ausgerichtet. Wie sieht es mit der Haltung und der Fütterung aus? Ist nicht schon die Domestikation und die «Nutzung» eines Tieres Tierquälerei?
Ein Pferd auf der Rennbahn rennt – das Natürlichste auf der Welt für ein Pferd mit einem Leichtgewicht auf dem Rücken und ohne in eine bestimmte Haltung gezwungen zu werden. Passage und Piaffe sind Dressurlektionen – zeigt jedoch ein Pferd auch in freier Wildbahn und auch einige Pferde, mit denen man das nie trainiert hat, wenn sie nervös oder ängstlich sind unter dem Reiter.
Wir gehen doch Kompromisse ein mit unserem Hobby oder unserem Beruf mit Equiden. Für jeden Equiden ist etwas Anderes optimal oder zu bevorzugen, da diese genau so unterschiedlich sind wie wir Menschen, mit eigenem Charakter und Bedürfnissen. Egal, was wir mit diesen Equiden machen, wir sind in der Pflicht, das Mittelmass zu Gunsten unseres Vierbeiners und dessen Lebensqualität zu suchen. Wir dürfen nicht mit unserem Kopf und unserer Überzeugung durch die Wand laufen und unseren Partner Pferd vergessen. Ich würde mir wünschen, dass wir von all den verschiedenen Lehren, Reitweisen, Therapiemöglichkeiten und Ausstattungsmaterial das Optimalste für unseren Partner Pferd wählen, immer die Augen offen halten und nie stehen bleiben in der Entwicklung, und die Equiden nicht in Watte packen, sondern fördern und fordern wie ein Kind in der Schule.
Dr. med. vet. Nadja Iveta Meier