Zürcher Start-up setzt auf Fleisch aus dem Labor – und hat Grosses vor

Zuercher Start up setzt auf Fleisch aus dem Labor – und hat Grosses vor
Das Team von Mirai Foods rund um CEO Christoph Mayr (unten, 4. v. l.). Bild: zVg

Das Start-up Mirai Foods mit Sitz in Wädenswil stellt zellbasiertes Fleisch her. Dafür braucht es einzig etwas Fett- und Muskelgewebe der Tiere. Das Potenzial von kultiviertem Fleisch ist enorm. Ein Hindernis stellen aktuell jedoch noch die enorm hohen Produktionskosten dar.

Vor Kurzem wurde bekannt, dass Schauspieler Leonardo DiCaprio gleich bei zwei internationalen Start-ups einsteigt, die führend bei der Produktion von Laborfleisch sind.

Dass eine Grösse wie der Hollywood-Star und Umweltaktivist an die Zukunft «nicht-herkömmlichen» Fleischs glaubt, ist nur ein Beispiel dafür, dass sich der Markt für solche Produkte global im Steigflug befindet.

Ein Player in diesem Markt ist auch das Start-up Mirai Foods mit Sitz in Wädenswil. Vor rund zwei Jahren gegründet, hat sich das 13-köpfige Team zum Ziel gesetzt, Fleisch umweltschonender, nachhaltiger und unter dem ethischen Gesichtspunkt unbedenklich herzustellen. Dies will Mirai (japanisch für Zukunft) Foods mithilfe von kultiviertem Fleisch erreichen.

Vom kleinen Piks zum fertigen Stück Fleisch

Konkret funktioniert dies folgendermassen: Dem lebendigen Tier werden kleine Teile von Fett- und Muskelgewebe per Biopsie entnommen. Für das Tier ein kleiner Piks, vergleichbar mit einer Blutentnahme beim Menschen.

Auch ein frisches Stück Fleisch kann als Startpunkt dienen. Daraus werden Fett- und Muskelstammzellen isoliert und in einer Zellbank eingelagert. Damit sich diese anschliessend vermehren können, werden sie in einen Bioreaktor transferiert und mit Nährlösungen gespeist.

Ein kleines Stuck von kultiviertem Rindfleisch.
Noch gab es den Rindsburger von Mirai Foods erst im Miniaturformat zu bestaunen. Bild: zVg

Wurden genügend Stammzellen produziert, müssen sie in Fett- und Muskelzellen umgewandelt werden. Dafür gelangen die Zellen in ein sogenanntes Scaffold, ein geleeartiges Gerüst, das ähnlich wie ein interzelluläres Gewebe im Tier funktioniert.

Schliesslich müssen die Muskel- und Fettzellen noch zusammengefügt werden, um zellbasiertes Fleisch zu erhalten, das sowohl geschmacklich als auch in der Konsistenz wie tierisches Fleisch schmeckt.

Nährwerte können gezielt gesteuert werden

Die Vorteile dieser Art der Fleischproduktion liegen auf der Hand: Auf Mastbetriebe sowie Massentierhaltung kann verzichtet werden und aus ökologischer Perspektive macht diese Art der Fleischproduktion gleich in mehrfacher Hinsicht einen gewaltigen Unterschied.

Christoph Mayr ist CEO und Mitgründer von Mirai Foods. Er rechnet vor: «15 % der globalen Treibhausgasemissionen werden durch die industrielle Fleischwirtschaft verursacht.

Mit unserer Weise der Fleischproduktion könnte dieser Anteil auf 1,5 % gesenkt werden.» Auch was den Landverbrauch anbelangt, ist das Potenzial enorm. 80 % der Agrarflächen werden direkt und indirekt für die Fleischproduktion genutzt. Mayr schätzt, dass kultiviertes Fleisch den Anteil auf 16 % senken könnte.

Mayr nimmt auch gleich jenen den Wind aus den Segeln, die fürchten, das Fleisch von Mirai Foods wäre ungesunder oder ärmer an Nährstoffen. «Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall.

Unser Ziel ist es, dass unser Fleisch sogar bessere Nährwerte aufweist. Dies können wir während des Prozesses steuern – je nachdem, was wir den Zellen zugeben, beispielsweise weniger gesättigte Fettsäuren.»

Ein Stuck Fleisch liegt in einer Petrischale auf einem Labortisch.
Wird Fleisch aus dem Labor irgendwann «herkömmliches» Fleisch komplett ersetzen? Bild: anyaivanova@gmail.com/Depositphotos

Warum die Produktion aktuell noch sehr teuer ist

Irgendwann soll kultiviertes Fleisch auch billiger sein als herkömmliches. Bis dorthin ist es jedoch noch ein weiter Weg und genau hier sind Mirai Foods aktuell noch Grenzen gesetzt.

Denn: Die Herstellung eines Kilos Mirai-Fleisch kostet ähnlich viel wie ein Kleinwagen. Einige der Kostentreiber wurden bereits erwähnt, nämlich die Nährlösungen und das Scaffold.

Ein dritter kommt am Ende gar nicht im Produkt vor, nimmt jedoch während des Herstellungsprozesses eine wichtige Rolle ein: Sogenannte Microcarrier, sprich Mikroträger, bilden mehr Oberfläche, was die Zellproduktion beschleunigt.

Die Produktionskosten sind ein Grund dafür, weshalb erst eine Handvoll Leute anlässlich einer Verkostung im vergangenen Jahr Mirai-Fleisch probieren konnte. Präsentiert wurden kleine Rindsburger. Generell konzentriert sich Mirai Foods vorerst auf Rindfleisch. Mayr erklärt dies damit, dass Rindfleisch pro Kilogramm am umweltschädlichsten ist.

«Rinder sind extrem ineffizient in der Nahrungsverwertung: Für ein Kilogramm produziertes Fleisch werden bis zu 30 Kilogramm Futter benötigt. Ausserdem ist der Methanausstoss der Rinder natürlich enorm, was die Umwelt zusätzlich belastet», führt er aus.

Milchkuhe im Stall
Die Kuhhaltung ist wenig umweltschonend und wird in Zukunft wahrscheinlich zu einem Grossteil durch Fleischlabore ersetzt. Bild: Ivanov/Depositphotos

Welche Fleischsorten wird es in Zukunft geben?

Er betont auch, dass die Produktepalette Schritt für Schritt ausgebaut werden soll. «Auf diese Produktionsweise sind natürlich auch exotischere Fleischsorten möglich, denn in der Herstellungsmethodik gibt es kaum Unterschiede», blickt er in die Zukunft. Dabei sei einzig die Frage, was die KonsumentInnen wünschen.

Dies sei aktuell noch schwierig abzuschätzen. Was Mayr jedoch weiss, ist, dass die Menschen in Europa es zu schätzen wissen, dass Mirai Foods ohne Gentechnik auskommt. «In Nordamerika ist gentechfreie Produktion ein deutlich kleineres Thema», sagt er.

Auf die Frage, was es braucht, damit das kultivierte Fleisch von Mirai Foods markttauglich wird, antwortet Mayr mit zwei Worten: «Zeit und Geld.» Einerseits muss sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene von den zuständigen Behörden die Erlaubnis eingeholt werden, dies ist mit grossem Zeitaufwand verbunden.

Andererseits ist neben der Produktion auch die Forschung sehr kostenintensiv. Entsprechend ist das Unternehmen weiterhin auf der Suche nach zusätzlichen Investoren.

Allerdings ist man diesbezüglich bereits auf einem guten Weg. In einer Seed-Runde hat Mirai Foods insgesamt 4 – 5 Millionen Franken eingesammelt und kann sowohl auf private Investoren als auch auf die Unterstützung verschiedener Institutionen zählen.

Ausserdem erhielt das Start-up Fördergelder von Innosuisse, der staatlichen Agentur für Innovationsförderung, und vom Eurostars-Programm, im Rahmen dessen innovative KMU unterstützt werden, die Dienstleistungen mit ausländischen Partnerfirmen oder Forschungsteams entwickeln.

Ein Wissenschaftler haelt eine Petrischale mit einem Stueck Fleisch.
Mirai Foods verzichtet auf Gentechnik. Bild: belchonock/Depositphotos

Wird tierisches Fleisch irgendwann komplett verschwinden?

Aktuell produziert Mirai Foods nur kleine Mengen Fleisch und es sind für den Moment auch keine Verköstigungen geplant – man legt den Fokus momentan auf die Skalierung und Kostenreduktion. Diesbezüglich mache man grosse Fortschritte, freut sich Mayr. Ausserdem steht im Dezember innerhalb von Wädenswil ein Umzug an, das stete Wachstum des Start-ups macht es nötig.

«Seit unserer Gründung haben wir bislang 13 Arbeitsplätze geschaffen, doch ist unser Ziel, innerhalb der nächsten zwölf Monate deren weitere 15 zu schaffen, wobei wir insbesondere auf der Suche nach WissenschafterInnen sind», sagt er.

Es ist nur ein Zeichen, das unterstreicht, wie überzeugt Mayr von der Zukunft kultivierten Fleisches ist. Er sagt: «Ich schätze, im Jahre 2040 werden in der Schweiz 30 bis 40 % des Fleisches aus dem Labor stammen, wobei es auch dann noch eine Herausforderung sein wird, die nötigen Produktionskapazitäten zur Verfügung stellen zu können – die Dimensionen der Fleischproduktion sind einfach enorm.»

Dass tierisches Fleisch irgendwann komplett ersetzt werden wird, glaubt Mayr nicht. «In 50 Jahren wird der Anteil aber vielleicht nur noch ein bis zwei Prozent betragen, da bis dann kultiviertes Fleisch nahrhafter, günstiger und gesünder sein wird.»

Doch habe «normales» Fleisch aus emotionalen Gründen immer noch seine Daseinsberechtigung. Wenn beispielsweise traditionell zu besonderen Anlässen ein bestimmtes Fleisch gegessen wird.

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