Sie gehören zu den erfolgreichsten Schweizer Bands der letzten Dekade: Anna Rossinelli. Nach einer Phase, in der es um das Basler Trio eher ruhig war, meldet es sich nun mit seiner neuen Single Forevermore zurück. Wir haben mit Bandleaderin Anna Rossinelli über Kreativität während des Lockdowns, ihre neue Karriere als Schauspielerin und ein verpasstes Jubiläum gesprochen.
Chollerhalle Zug, 9. April 2021. Eigentlich sollte die Halle beben, Anna Rossinelli sind angekündigt. Stattdessen herrscht vollkommene Stille. Die Coronapandemie verhindert auch dieses Konzert.
Das Trio um Anna Rossinelli (Gesang), Manuel Meisel (Gitarre) und Georg Dillier (Bass) konnte in den letzten gut 15 Monaten nur einmal vor Live-Publikum auftreten: Vergangenen September auf dem Floss beim Imfluss-Festival in Basel.
Trotz den ausbleibenden Konzerten war Anna Rossinelli in den vergangenen Wochen keineswegs zur Untätigkeit verdammt. Von Mitte März bis Ende April steckte die 34-Jährige mitten in den Dreharbeiten für die neue SRF-Serie «Tschugger». Darin spielt Rossinelli eine Bundespolizistin.
Ausserdem engagiert sie sich für das Hilfswerk SOS Kinderdorf und den Verein Getränkekarton-Recycling Schweiz, welcher sich für eine nationale Sammlung und Verwertung von Getränkekartons einsetzt. Als Testimonial begleitete die Baslerin von April bis Anfang Juni das Recycling-Mobil auf seiner Tour durch verschiedene Schweizer Gemeinden.
Im Sommer werden die Baslerinnen und Basler ihr zudem wiederum im Kiosk einer Badi am Rhein begegnen. Bleibt da überhaupt noch Zeit für die Musik? Offenbar schon, denn am 28. Mai veröffentlichten Anna Rossinelli ihre neue Single Forevermore.
Der ESC als Sprungbrett
Bekannt geworden ist Rossinelli 2011 durch ihre Teilnahme am Eurovision Song Contest, als sie für die Schweiz mit In Love For A While den ersten Finaleinzug seit fünf Jahren realisierte. Im Finale war es allerdings vorbei mit der Herrlichkeit. Rossinelli, die gemeinsam mit ihrer Band auftrat, landete auf dem 25. und letzten Platz.
Der Dämpfer hinderte die Band nicht daran, im Anschluss durchzustarten. Das noch im selben Jahr erschienene Debutalbum «Bon Voyage» landete auf Platz zehn der Schweizer Charts. Der Nachfolger «Marylou» schaffte es sogar an die Spitze der Charts. Selbiges gelang Anna Rossinelli mit ihrem fünften und bislang letzten Album «White Garden» 2019.
Im Gespräch mit FonTimes verriet die Baslerin, wie sie aus dem Winterschlaf erwacht ist, warum sie sogar die Bierduschen an den Festivals vermisst und weshalb sie sich zeitweise wie eine Bäckerin ohne Mehl gefühlt hat.
Frau Rossinelli, am 28. Mai erschien Ihre neue Single Forevermore. Ein Song, in dem es unter anderem um Aufbruch und das Aufschlagen eines neuen Kapitels geht. Welche neuen Kapitel schlagen Sie aktuell auf?
Das tue ich ständig, denn ich bleibe wenn immer möglich in Bewegung – dies fördert zudem meine Kreativität. Durch die Coronapandemie war zwar ein gewisser Stillstand unvermeidlich, doch habe ich das Gefühl, aus dem Winterschlaf erwacht zu sein.
Entsprechend wollten wir einen Song mit positivem Grundtenor veröffentlichen und können die Hörerinnen und Hörer mit der vermittelten Lebensfreude hoffentlich anstecken. Den Clip dazu drehten wir in der Schweizer Natur. Denn: Das Reisen mag aktuell nur unter erschwerten Bedingungen möglich sein – doch kann es genauso schön sein, seine Ferien hierzulande zu verbringen.
Im März und April waren Sie zudem regelmässig im Wallis anzutreffen. Dies für die Dreharbeiten zu «Tschugger», einer fünfteiligen Polizeikomödie, die im November auf SRF 1 zu sehen sein wird mit Ihnen als Bundespolizistin Annette. Für Sie ein Sprung ins kalte Wasser.
Das kann man so sagen, denn es war tatsächlich mein Schauspieldebut. Ich interessiere mich jedoch schon lange für die Schauspielerei und musste nicht lange überlegen, als die Anfrage kam. Allerdings musste ich mich in einem Casting durchsetzen, die Rolle fiel mir also nicht in den Schoss. Die Dreharbeiten machten enorm viel Spass und halfen mir dabei, aus dem erwähnten Winterschlaf zu erwachen.
Werden wir Sie in Zukunft öfter als Schauspielerin vor der Kamera sehen?
Wenn ich für eine coole Rolle angefragt werde und ich das Konzept dahinter mag, absolut! Jedoch soll die Musik weiterhin an erster Stelle stehen.
Für die Musik hatten Sie insbesondere während des ersten Lockdowns im Frühling 2020 viel Zeit. Wie produktiv waren Sie und Ihre Band in dieser Zeit, was das Schreiben und Produzieren neuer Songs anbelangt?
Zu Beginn so gar nicht. Ich war absolut nicht motiviert, neue Songs zu schreiben und auch meine Kreativität verabschiedete sich. Anders sah es im Herbst aus. Wir schrieben zahlreiche Lieder und waren produktiv – auch wenn Improvisation nötig war und wir neue Wege gehen mussten.
So entstanden zahlreiche Songs, indem wir über Skype daran gearbeitet haben – so unter anderem auch Forevermore. Ausserdem produzierten wir auf diese Weise mit der englischen Musikerin Charlie McClean einen Song, ohne dass wir jemals im selben Raum gesessen wären. Geplant war, dass wir in ihrem Studio in Hamburg zusammenarbeiten, doch wurde daraus nichts.
Auch was Konzerte angeht, ist im Moment Streaming Trumpf. Für Sie eine valable Ersatzlösung für Konzerte vor Live-Publikum?
Ich spiele definitiv lieber vor virtuellem Publikum als gar nicht. Zudem sind regelmässige Auftritte wichtig, damit die Selbstverständlichkeit und der Flow innerhalb der Band nicht verloren gehen. Aber klar: Kein technisches Gerät wird jemals Live-Publikum ersetzen können. Dieser Moment, wenn sich zwischen Band und Publikum eine spontane Gemeinschaft bildet, die nur während des Konzerts existiert, ist einzigartig und unmöglich einzufangen.
Ich vermisse das Tanzen, die Nähe, das Aneinanderschmiegen verschwitzter Körper. Selbst die vermeintlich unangenehmen Nebenerscheinungen von Konzerten fehlen mir. Beispielsweise, wenn die Kleider einen grossen «Gutsch» Bier abbekommen.
Wann werden Sie – voraussichtlich – wieder vor Live-Publikum auftreten können?
Dies ist schwierig zu sagen, da wir im Moment kaum etwas planen können. Haben wir einen Auftritt geplant, können wir erst rund eine Woche vorher wirklich davon ausgehen, dass dieser effektiv zustande kommen wird. Am besten schaut man auf unserer Webseite und unseren Social-Media-Accounts vorbei, dort halten wir unsere Fans stets auf dem Laufenden.
Es ist möglich, dass wir im Juni ein erstes Konzert vor Publikum spielen können. Einige grössere Veranstalter sind dabei, ab Juni Auftritte mit besonderen Schutzmassnahmen zu organisieren. Viele unserer Auftritte sind jedoch bereits auf den Herbst verschoben worden. Aktuell stehen insgesamt rund zehn Auftritte in unserer Agenda.
Wie sah es im vergangenen Jahr auftrittstechnisch aus?
Bedauerlicherweise konnten wir nur einmal vor Live-Publikum auftreten: Im September am Imfluss-Festival in Basel. Dieser Auftritt war dafür der absolute Hammer. Hinzu kamen noch einige gestreamte Konzerte.
Wie viel Zeit verbringen Sie aktuell mit Ihrer Band im Studio?
Nicht so viel, da wir eher mit anderem beschäftigt sind. So gestalten wir unsere Webseite neu und fertigen neue Bandfotos an, hinzu kommen die Pressetermine. Zu Beginn des Frühlings sah dies anders aus. Da verbrachten wir einen bis zwei Tage pro Woche im Studio. Auch während des Lockdowns waren wir hin und wieder im Studio, damit der Vibe innerhalb der Band nicht verlorengeht.
Trotzdem fühlte ich mich in dieser Zeit unvollständig, quasi wie eine Bäckerin ohne Mehl. Das Ausleben meiner ganz grossen Leidenschaft war plötzlich nicht mehr möglich. Es dauerte einen Moment, bis ich dies akzeptieren konnte – zumal ich nicht die geduldigste bin (lacht).
Darf man sich in den kommenden Wochen und Monaten auf weitere neue Songs von Anna Rossinelli freuen?
Wir haben einige Songs im Köcher, die bereit sind für die Veröffentlichung. Wann dies genau der Fall sein wird, werden wir sehen. Aber die Fans dürfen sich auf jeden Fall auf den einen oder anderen neuen Song bis Ende Jahr freuen.
Wie sieht es bezüglich eines Albums aus?
Irgendwann werden wir sicherlich wieder ein Album produzieren. Aber wann – keine Ahnung. Ein solches ist mit viel Aufwand verbunden und benötigt einen roten Faden. Mit einer losen Aneinanderreihung von Songs ist es entsprechend nicht getan.
Im Moment konzentrieren wir uns auf das Schreiben und die Produktion von einzelnen Liedern. Dies macht grossen Spass, da wir sozusagen nach Lust und Laune musizieren und vieles ausprobieren können.
Sie haben kürzlich ein kleines Jubiläum feiern können. Wissen Sie, welches?
Sagen Sie bloss, es hat mit dem Eurovision Song Contest zu tun (lacht).
Erraten! Mitte Mai war es exakt zehn Jahre her seit Ihrem Auftritt in Düsseldorf.
Das habe ich glatt verpasst. Wäre ich mir dessen bewusst gewesen, hätte ich zumindest einen Social-Media-Post oder so dazu verfasst.
Wie schauen Sie zehn Jahre später darauf zurück?
Auf der einen Seite würde ich definitiv kein zweites Mal teilnehmen wollen. Auf der anderen Seite war es eine wertvolle Erfahrung. Es war mental anstrengend, plötzlich im Scheinwerferlicht zu stehen, mehrere Manageranfragen zu erhalten. Ich war jedoch zum Glück bereits 24-jährig. Dies half mir, mit gewissen Situationen umzugehen und ich liess mich durch den Trubel nicht aus der Bahn werfen.
Wenn ich mich an die damaligen Auftritte zurückerinnere, freut mich zudem, wie sehr wir uns weiterentwickeln konnten, gerade in musikalischer Hinsicht. Ausserdem ist es nicht selbstverständlich, dass wir immer noch mit der Musik unseren Lebensunterhalt bestreiten können.
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