Die Etter Söhne AG gehört zu den ältesten und renommiertesten Zuger Unternehmen. Dieses Jahr feiert die Brennerei ihren 150. Geburtstag. Zu diesem Anlass kommen auch die Zuger auf ihre Kosten. Sie dürfen sich den 7. November in der Agenda rot anstreichen.
Die Freude steht Gabriel Galliker-Etter während des Rundgangs durch seine Brennerei ins Gesicht geschrieben. Stolz führt er durch die Gänge seines Reichs an der Chollerstrasse, vorbei an Chromstahltanks und Brennkessel. Er bleibt vor einem Pallet stehen und nimmt eine Magnumflasche Vieille Orange in die Hand: 150 Zentiliter edelster Fruchtbrand für 150 Jahre Etter Söhne AG.
Es ist nur eines von mehreren Geschenken des Zuger Traditionsunternehmens an sich und seine treue Anhängerschaft. Im Frühjahr wurden unter anderem exklusive Betriebsbesichtigungen verlost.
Anschliessend folgte die Coronapandemie und mit ihr der Lockdown. Sie ist jedoch nur ein Grund, weshalb es ein besonderes Jubiläum ist, welches die Familie Etter dieses Jahr feiern kann. Denn wer im Laden am Firmensitz vorbeischaut, kann bei einem der ältesten Unternehmen des Kantons ein Stück Zuger Geschichte einatmen. In einer Vitrine steht die älteste noch erhaltene Etter-Flasche aus dem Jahre 1900 – samt Inhalt.
Jubiläumskirsch hat voll eingeschlagen
Gabriel Galliker-Etter zeigt auf das Etikett der über hundert Jahre alten Flasche: «Davon liessen wir uns inspirieren für das Etikett unseres Jubiläumskirsches.» Diesen gibt es seit einigen Monaten in einer besonderen Retroflasche zu kaufen.
Damit ist Galliker-Etter ein Treffer ins Schwarze gelungen. «Ich hätte es selbst nicht erwartet, aber das Feedback ist bisher ausschliesslich positiv. Auch das Etikett wird explizit gelobt», erzählt der Zuger.
Eveline und Gabriel Galliker-Etter führen den Betrieb seit 2012, als sie das Zepter von Hans Etter, Vater von Eveline, übernahmen. «Es ist unglaublich, wohin er das Unternehmen gebracht hat», spricht Gabriel Galliker-Etter in höchsten Tönen von seinem Schwiegervater.
Tatsächlich geniesst die Brennerei einen hervorragenden Ruf, der ihr bis weit über die Landesgrenzen vorauseilt. «Kürzlich wurde ein Etter-Fanclub in Bremen gegründet», freut sich Galliker-Etter. Dank zahlreichen Heimwehschweizern kennt man die Etter-Fruchtbrände selbst in den entferntesten Ländern.
Der Fruchtbrand, die grosse Unbekannte
Ein Selbstläufer ist es allerdings keineswegs, den Namen Etter in die Welt zu tragen, wie Gabriel Galliker-Etter versichert. «Das Problem ist, dass man Fruchtbrände ausserhalb von Europa kaum kennt», führt er aus. «Probieren die Leute einen Kirsch oder Williams, flippen die meisten vor Begeisterung allerdings aus.
Meiner Meinung nach gibt es weltweit kein edleres Destillat als einen Fruchtbrand», sagt er. Dazu gehört, dass die Herstellung aufwendig und teuer ist. Und: Der benötigte Rohstoff wird immer ein knappes Gut bleiben. Für sieben Deziliter Kirsch sind beispielsweise bis zu 15 Kilogramm Kirschen nötig.
Zur Person Gabriel Galliker-Etter wuchs in Rotkreuz auf. Seine Eltern führten dort 43 Jahre lang ein Lebensmittelgeschäft. Unter anderem verkauften sie auch Etter-Produkte. Vor knapp 30 Jahren absolvierte Galliker-Etter bei der Etter Söhne AG die Lehre. Ein Jahr nach Abschluss verliess er den Betrieb und erwartete nicht, noch einmal dort zu arbeiten. Zwischenzeitlich war er beruflich in Bordeaux, Cognac und Frankfort, Kentucky unterwegs. 1999 erfolgte die Rückkehr zu Etter. Er lernte seine heutige Frau Eveline kennen – die Tochter von Hans Etter, der den Betrieb seit 1974 führte. 2012 übernahmen Gabriel und Eveline Galliker-Etter die Geschäftsleitung der Etter Söhne AG und führen das Unternehmen seither in der vierten Generation.
Bis 1981 brannte Etter ausschliesslich Kirsch. Seither wurde die Produktepallette sukzessive erweitert. Mittlerweile stehen nebst Williams oder Vieille Prune auch Whiskey und bald ein Rum mit dem Etter-Schriftzug in den Regalen. «Trotzdem wird der Kirsch wohl immer unser Kassenschlager bleiben», sagt Galliker-Etter.
Kirsch als Desinfektionsmittel
Und dies nicht ausschliesslich als edler Fruchtbrand. Im März meldeten sich der Zuger Gesundheitsdirektor Martin Pfister (CVP) und Kantonsarzt Rudolf Hauri bei Galliker-Etter: Es herrschte ein akuter Mangel an Desinfektionsmittel. Dieser konnte helfen und lieferte zum Selbstkostenpreis insgesamt 2000 Liter 86-prozentigen Kirsch zur Herstellung von Desinfektionsmittel.
Obwohl Galliker-Etter sein Unternehmen als «relativ krisenresistent» beschreibt, ist die Coronapandemie auch an der Brennerei Etter nicht spurlos vorbeigegangen. «Wir hatten beispielsweise Gastronomie-Betriebe als Kunden, die nun nicht mehr existieren. Dies schmerzt enorm, da wir einen sehr persönlichen Kontakt zu unseren Kunden pflegen.»
Komplett eingebrochen ist das Duty-free-Geschäft – ein für Etter nicht unwichtiger Zweig. «Unsere Produkte sind sehr beliebt, wenn es darum geht, etwas typisch Schweizerisches ins Ausland mitzubringen», so Galliker-Etter. Doch hat die Zahl der Fluggäste seit Ausbruch der Pandemie dramatisch abgenommen.
Eng mit Zug verbunden
Etter ist nicht bloss urschweizerisch, sondern auch urzugerisch. «Wir sind ein absolutes Zuger Unternehmen und fühlen uns mit der Region sehr verbunden. Unser Kirsch wird automatisch mit Zug in Verbindung gebracht. Wir waren schon immer in Zug und haben hier unseren Kern an Leute, die uns unterstützen», sagt Galliker-Etter.
Den treuen Fans und Kunden möchte er gerne etwas zurückgeben. Für das Jubiläumsfest am 7. November ist ein Tag der offenen Tür mit Führungen geplant. Galliker-Etter will an diesem Datum festhalten: «Auch wenn die Unsicherheit bis zum Schluss gross sein wird, in welchem Umfang und mit welchen Auflagen wir die Feier durchführen können, möchten wir eine Verschiebung auf nächstes Jahr vermeiden.»
Wird es dereinst eine fünfte Generation geben?
Apropos Führung: Mittlerweile sind wir im Lager der Brennerei angelangt. Entlang der Wände stapeln sich die Holzfässer und Korbflaschen, darin schlummernd edle Brände, wartend, in Glasflaschen abgefüllt zu werden. Galliker-Etter schaltet den grossen Fernseher an der Wand ein und spielt ein aufwendig produziertes Video ab, das die Familie für das Jubiläum produzieren liess. Unter anderem wird die lange Etter-Historie aufgegriffen.
So sehr ihn der Blick zurück mit Stolz erfüllt – Galliker-Etter ist sich bewusst, dass sein Unternehmen für die Zukunft gerüstet sein muss: Abgesehen von der Lancierung neuer Produkte und der Steigerung des Bekanntheitsgrades sei die Organisation von Events zu Zeiten von Covid-19 aktuell eine Herausforderung.
«Ausserdem ist es Jahr für Jahr eine Challenge, an unsere schönen Früchte zu kommen. So macht uns die Kirschessigfliege das Leben schwer. Wichtig ist allerdings, immer eine positive Herangehensweise zu haben – egal, was die Zukunft bringen mag», sagt er.
Ob dereinst einer der Söhne (13, 11 und 11 Jahre alt) in die Fussstapfen von Eveline und Gabriel Galliker-Etter treten wird, steht noch in den Sternen. «Wir sind zum Glück noch relativ jung – und die Jungs auch», sagt Galliker-Etter. Daher stelle sich diese Frage noch nicht unmittelbar.
«Wir würden uns aber natürlich sehr freuen, wenn unsere Söhne Interesse daran bekunden würden.» Etter-infiziert seien sie jedenfalls zweifellos. «Kirsch gehörte zu den ersten Wörtern, die sie sprechen konnten. Zudem waren sie als kleine Jungs jeweils hell begeistert, wenn sie in den Restaurants und Cafés die Flaschen mit unserem Namen drauf entdeckt haben», so Gabriel Galliker-Etter lachend.
Die Geschichte der Brennerei Etter Die Geschichte der Etter Söhne AG startet auf dem Bauernhof Bergli in Menzingen, dem Stammsitz der Familie Etter, wo Ur-Urgrossvater und Bauer Johann Baptist Etter (1800-1872) «Chriesiwasser» kreierte. Er betrieb das Brennen seit 1823 als Nebenerwerb und legte alsbald den Grundstein für die spätere Brennerei Etter. 1870 machte Johanns Sohn Paul (1846-1938) zusammen mit seiner Frau Rosa das Chriesiwasser zu seinem Haupterwerb und gründete die gleichnamige Firma mit Sitz in Zug. Nach zwölf Jahren Auslandtätigkeit kam Johann Etter (1889-1978) 1922 zurück nach Zug und trat in das väterliche Geschäft ein, das er in der Folge mit Bruder Josef (1891-1962) führte und ausbaute. In jene Aufbautätigkeit fiel 1926 der grosszügige Neubau der Kirschfabrik an der Baarerstrasse. 1974 übergab der alleinige Inhaber Johann Etter die Leitung der Geschäfte an seinen Sohn Hans Etter (1949) weiter. 1980 zieht Etter in einen Neubau im Choller in Zug. 2012 erfolgte die Stabsübergabe an Eveline und Gabriel Galliker-Etter.