Wer in den vergangenen 30 Jahre die Kantonsschule Zug besucht hat, kannte ihn: Hauswart Andreas Gross. Ende 2020 hat er sich nun in den Ruhestand verabschiedet. Der Name Gross verschwindet deswegen jedoch nicht aus dem Hausdienst-Team.
Andreas Gross hat sich ein besonderes Jahr für seinen Abschied «ausgesucht». 29 Jahre lang war er als Hauswart an der Kantonsschule Zug tätig. Als er sich 1991 nach seiner Tätigkeit als Werkhofchef bei einer Bauunternehmung an der Kanti bewarb, hätte er wohl kaum damit gerechnet, dass er sei n gesamtes berufliches Leben von da an hier verbringen würde.
Obwohl er ein Original an der Kanti ist und in den knapp 30 Jahren viel erlebt hat – ein Jahr wie 2020 gehört nicht dazu. Die Coronapandemie bracht e nicht nur eine zeitweise geschlossene Schule mit sich, sondern beispielsweise auch Kantonsratssitzungen in der Dreifachhalle auf dem Schulgelände. Gross hörte manchmal mit einem Ohr rein, war nur schon vor Ort, weil der Hausdienst anfänglich für die Desin fektion beauftragt war.
Ende vergangenes Jahr wurde der Ur-Zuger also pensioniert. Es ist nicht der einzige Abgang eines langjährigen Hausdienst-Mitglieds. So verabschiedete sich 2020 auch Betriebschef B eat Wyss nach 21 Jahren an der Kanti in den Ruhestand. Doch bleibt beim Hausdienst zumindest eine gewisse Kontinuität erhalten. So verschwindet der Name Gross nicht aus dem Team.
Denn: Gross’ jüngster Sohn Pascal (27) ist seit zwei Jahren als Hauswart in Ausbildung an der Kanti tätig, tritt in die grossen Fussstapfen seines Vaters. Die beiden wohnen noch bis Ende März in der Wohnung auf dem Schulgelände.
Wir haben Andreas Gross in seiner Wohnung getroffen, wollten vo n ihm wissen, wie sehr sich die Arbeit als Hauswart in seiner Zeit verändert hat, ob die Kantischüler immer noch gleich ticken wie vor 30 Jahren und welche Erlebnisse ihm besonders in Erinnerung geblieben sind.
Herr Gross, Sie haben sich für Ihren Abschied ein sehr besonderes Jahr «ausgesucht». Wie anstrengend war das vergangene Jahr aufgrund der Coronapandemie und den damit einhergehenden zusätzlichen Hygienemassnahmen?
Natürlich mussten wir Handdesinfektionsmittel aufstellen. Die Organisation des Desinfektionsmittels lag jedoch an der zuständigen Person für das Reinigungsmaterial. Ich war ab März oder April sowieso nicht mehr so stark involviert, arbeitete nur noch in einem 50-Prozent-Pensum.
Dies aufgrund von Problemen mit meinem Kniegelenk. So waren beispielsweise Leitern ein Tabu für mich. Generell sind wir weniger gebraucht worden als noch vor einigen Jahren.
Aus welchem Grund?
Weil an der Kanti damals noch bedeutend mehr Anlässe über die Bühne gingen – praktisch jedes Wochenende fand ein Fussballturnier statt. Dies gehört der Geschichte an.
Und der Hausdienst war immer involviert?
Immer. Bei jedem Kantifest, am letzten Schultag, am Jubiläumsfest – immer.
Inzwischen umfasst der Hausdienst an der Kantonsschule Zug sieben Personen. Wie gross war das Team bei Ihrem Stellenantritt 1991?
Damals waren wir inklusive Betriebschef vier Leute. Obwohl seither die Zahl der Schüler von 800 auf gut 1400 angestiegen ist und auch weitere Gebäude dazugekommen sind, hielt sich der Arbeitsaufwand immer im Rahmen.
Als trotz Stellenplafonierung neue Gebäude ge baut wurden und dadurch der Arbeitsaufwand stieg, teilte man sich die Arbeit halt anders ein, war weniger oft draussen. Das Schöne war, dass der Arbeitsalltag abwechslungsreich war. Im Winter wartete der Schnee darauf, von den Wegen geräumt zu werden und im Herbst das Laub.
Wenn Sie die Stellenplafonierung schon ansprechen. Als 2017 die Kantonsfinanzen saniert wurden, wurde unter anderem in der Bildungsdirektion der Rotstift angesetzt und beim Abwartsdienst der Kanti Zug Stellenprozente gestrichen. Die Ressourcen wurden lieber ins Kurzzeitgymnasium Menzingen gesteckt, welches stark ansteigende Schülerzahlen verbuchte. Wie haben Sie die Debatte damals erlebt?
Genau, uns wurde eine 100-Prozent-Stelle gestrichen, obwohl das Provisorium und die neue Dreifachhalle dazukamen. Ich habe mich in der Debatte jedoch zurückgehalten, da solche Entscheide sowieso über unsere Köpfe hinweg gefällt werden. Man muss sich arrangieren und mit den Ressourcen arbeiten, die man zur Verfügung hat. Dann wird die Turnhalle eben nur noch jeden zweiten Tag anstatt täglich gefegt.
Sie haben es erwähnt, Sie waren nie als einziger Hauswart an der Kanti tätig. Was gehörte alles zu Ihrem Aufgabenbereich?
Wir hatten alle unser Spezialgebiet. So hatten wir einen Schreiner, einen Sanitär und einen Elektriker in unserem Team. Ich selbst bin gelernter Maurer. Ich nahm unter anderem das elektronische Schliesssystem unter meine Fittiche und kümmerte mich um einen Teil der Reparaturen an Sportgeräten.
Sobald dabei der Sicherheitsaspekt aufkam, liess ich jedoch die Spezialfirmen kommen. Ich wollte nicht, dass ein Unfall an einem von mir reparierten Gerät passiert. Aber klar: Wir haben uns innerhalb des Hausdienstes immer gegenseitig unter die Arme gegriffen.
Früher hatte man das Bild eines Hauswarts im blauen Kittel, der das Schulhaus sauber macht. Doch ist dieses Bild völlig antiquiert.
Absolut. Nur schon deshalb, weil wir mit Reinigungspersonal zusammenarbeiten, welches für das Putzen der Unterrichtszimmer zuständig ist. Jeden Abend ist ein 34-köpfiges Team für die Reinigung zuständig, wobei der Hausdienst beaufsichtigt.
«Ich wollte nie den Hauswart raushängen oder die fehlbaren Schüler bei mir arbeiten lassen.»
Was muss man mitbringen, um heute ein guter Hauswart zu sein?
Eigentlich immer noch gleich viel wie vor 30 Jahren. Allerdings braucht es die Zweitausbildung als Hauswart. Heute reicht es nicht mehr, Handwerker zu sein. Die Hauswartausbildung muss berufsbegleitend gemacht werden.
Mit anderen Worten, entweder muss man bereits in der Vergangenheit als Hauswart gearbeitet haben oder ein Handwerksbetrieb muss dir die Möglichkeit bieten, daneben die Ausbildung zu absolvieren. Früher war dies noch anders. So war mein Vorgänger gelernter Bäcker-Konditor.
Welche Aspekte des Berufs als Hauswart haben sich seit Ihrem Stellenantritt am stärksten verändert?
Sicherlich die Bereiche Sicherheit und IT. Ausserdem die Kommunikation innerhalb des Hausdienstes. Mobiltelefone mit WhatsApp und ähnlichem waren damals noch weit weg. Stattdessen hatten wir eine Art Pager. Hat dieser gepiepst, mussten wir möglichst schnell das nächste Telefon aufsuchen. So wurde auch mehr miteinander gesprochen.
Heute kommen die Aufträge per E-Mail rein. Auf der anderen Seite blieben auch viele Arbeiten gleich wie das Reparieren eines Schrankes. Bei der Reinigung sind wir heute beispielsweise dank Mikrofaser- anstelle von Baumwolltüchern und Robotern für die Turnhallenreinigung effizienter unterwegs.
Haben sich in dieser Zeit auch die Schüler in ihrem Verhalten und Wesen verändert?
Dies hat sich mit jedem neuen Jahrgang wellenartig geändert. Gefühlt sind die Schüler wieder kleiner geworden (lacht). Und frecher. Früher hatten sie sicherlich noch mehr Respekt.
Und umgekehrt, was glauben Sie, haben die Schüler für eine Meinung von Ihnen gehabt?
Ich bin mit den Schülern immer anständig umgegangen. Deswegen denke ich, dass sie mich geschätzt haben. Ich wollte nie den Hauswart raushängen oder die fehlbaren Schüler bei mir arbeiten lassen.
Aber klar: Für Sachbeschädigungen sollten sie selbst aufkommen. Es ist schön zu sehen, dass mein Verhalten geschätzt wurde. So gratulierte mir kürzlich ein ehemaliger Schüler an der Ampel stehend aus dem Auto zur Pensionierung.
Welche Ereignisse an der Kanti waren für Sie besonders einprägsam?
Es gab viele schöne Erlebnisse wie die letzten Schultage oder die Weihnachtspartys – auch wenn ich mehr als eine davon abbrechen musste, weil mir zu viele Schüler ins Gebäude erbrochen hatten.
Auch das Jubiläumsfest 2011 bleibt in bester Erinnerung. Auf der anderen Seite bleiben natürlich auch negative Erinnerungen haften wie als sich jemand im selben Jahr in der Kanti das Leben nahm. Unter der Treppe, von der sich der Schüler runterstürzte, gehe ich bis heute nicht durch.
2019 wurde die neue Dreifachhalle eröffnet. Wie speziell waren Eröffnungen neuer Gebäude auf dem Gelände für Sie jeweils?
Die Sache ist die: Es war immer alles mit Arbeit verbunden. Das Glas Weisswein beim Apéro musste immer zuerst verdient werden (lacht). Gleiches gilt für die Feste.
Wie war es, direkt auf dem Schulareal zu wohnen?
Dies brachte auf jeden Fall einige Vorteile mit sich. So trug dies sicherlich dazu bei, dass wir in Bezug auf Sachbeschädigungen und Sprayereien weitgehend verschont geblieben sind.
Glauben Sie, an einer anderen Schule wären Sie weniger glimpflich davongekommen?
Das kann man so nicht sagen. Fakt ist, dass einige Schüler denken, sie seien besser als beispielsweise die Sekschüler, nur weil sie die Kanti besuchen. Das ist natürlich Nonsens.
Ehemalige Sekschüler im Alter von Maturanden haben bereits eine Lehre absolviert und wissen, was es heisst, im Arbeitsmarkt ihren Teil beizutragen und selbst Geld zu verdienen. Bei den Kantischülern kommen in den allermeisten Fällen die Eltern für sämtliche Kosten auf. Dies spürt man manchmal im Umgang mit dem Material.
Stand jemals zur Debatte, ob Sie nach Ihrer Pensionierung weiterhin auf dem Schulareal wohnen werden?
Wir wären gerne hiergeblieben, doch war dies nie ein Thema. Es war immer klar: Drei Monate nach meiner Pensionierung muss ich mich aus der Wohnung verabschieden. Kürzlich waren meine Kinder hier. Sie haben echt Mühe, sich von der Wohnung zu lösen, obwohl sie nicht mehr hier wohnen – für sie war es immer ein Nachhausekommen.
30 Jahre Heimat gehen so verloren. Die fünf-Zimmer-Wohnung war sehr geräumig, doch muss man auch gewisse Kompromisse eingehen bei einer Wohnung auf dem Schulareal. So hatten meine Kinder keine gleichaltrigen Kinder in der Nähe zum Spielen.
Ausserdem war an einigen Wochenende n durch Anlässe an der Schule nichts mit Ruhe. Und wenn in der Turnhalle Basketball gespielt wird, hört man in der Wohnung jeden Schlag gegen das Brett. Aber irgendwann hört man das nicht mehr.
Wie geht es nun weiter?
Pascal absolviert aktuell die Ausbildung zum Hauswart. Im Herbst stehen für ihn die Prüfungen an. Danach wäre er sowieso in eine eigene Wohnung gezogen. Nun hat er jedoch bereits eine in Baar gefunden. Ich selbst ziehe nach Steinhausen. Wir zügeln bis Ende März nun Schritt für Schritt – quasi ein Abschied von der Kanti auf Raten.
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