Nach monatelang brodelnder Gerüchteküche mit zahllosen Spekulationen und geheimnisvollen «Leaks» sind sie nun endlich da: Die neuen iPhone-Modelle. Dass das edle Design nicht bloss äusserer Schein ist, sondern echte innere Werte reflektiert, zeigt der Blick in die technischen Spezifikationen.
Der Apple-Chef Tim Cook hat sie am 12. September 2018 in einer grossen Keynote vorgestellt:
- Das iPhone XS ist der direkte Nachfolger des iPhone X. Genau gleich gross wie dieses, äusserlich kaum davon zu unterscheiden
- Das iPhone XS Max ist der grössere Bruder des XS mit gigantischem 6.5 Zoll Display
- Das iPhone XR gilt als «Sparversion»; es hat eine bescheidenere Ausstattung
In diesem Artikel stellen wir die Neuheiten vor.
Edles Gehäuse
Die neuen iPhone XS wirken ausgesprochen edel mit ihrem Rahmen aus rostfreiem Stahl und den schlanken Displayrändern. Vorder- und Rückseite bestehen aus Glas. Laut Apple ist das Glas kratzfester als beim Vorgängermodell.
Design-Puristen mögen kritisieren, dass die Einkerbung («Notch») am oberen Rand immer noch vorhanden ist. Aber sind es nicht gerade solche Abweichungen von der «Norm», welche einem Produkt sein unverwechselbares Gesicht geben?
Neben Silber und Grau sind die iPhone XS neu auch in Gold erhältlich. Vielleicht ist dies auch notwendig, unterscheidet sich doch das iPhone XS optisch überhaupt nicht vom Vorgängermodell iPhone X.
TrueDepth als Schlüsseltechnologie
Die bereits beim iPhone X verbaute TrueDepth-Kamera misst die Distanz zum Objekt. Dies ermöglicht eine Bildanalyse mit Tiefeninformationen. Apple nutzt diese Technologie in den neuen Modellen noch konsequenter – für die Gesichtserkennung, verbesserte Porträts, intelligente Videos und für Augmented Reality. Mehr dazu unten.
Wegfall der Touch-ID
Wie erwartet setzt Apple voll auf die Face-ID, also die Authentifizierung des Benutzers über die TrueDepth-Kamera. Einen Fingerabdruck-Sensor oder einen Home-Button sucht man vergeblich. Dies dürfte nicht allen Benutzern schmecken. Zumindest bei Autofahrten erscheint es praktischer, die Touch-ID zu bedienen als die Kamera vors Gesicht zu halten.
Supercomputer in Handyform
Der Bionic-Prozessor A12 ist der eigentliche Star der neuen Modelle. Laut Apple ist es der erste Smartphone-Prozessorchip, welcher im 7-Nanometer-Verfahren produziert wurde. (Zwar hatte Huawei bereits den 7-Nanometer-Chip Kirin 980 vorgestellt, dieser kommt aber erst Mitte Oktober im Huawei Mate 20 auf den Markt.) Der Chip besteht aus mehreren Komponenten. Jede einzelne davon wurde gegenüber dem Vorgängermodell A11 (das im iPhone X verbaut ist) verbessert:
- Der 6-Kern-Prozessor (CPU) enthält 2 «Performance-Kerne», die 15% schneller sind, sowie 4 «Effizienz-Kerne» mit 50% geringerem Verbrauch gegenüber dem A11.
- Der Grafik-Prozessor (GPU) ist neu mit 4 statt 3 Prozessorkernen bestückt.
- Eine Sensation ist die neue Version des Moduls für künstliche Intelligenz, die «Neural Engine»: Diese enthält neu 8 statt 2 Kerne und ist rund neunmal (!) leistungsfähiger als diejenige des A11. Während die Neural Engine des A11 600 Milliarden Berechnungen pro Sekunde ausführen kann, leistet diejenige des A12 5 Billionen. (Zum Vergleich: der Supercomputer IBM ASCI im Jahr 1999 wies eine Spitzenleistung von ca. 3 Billionen Rechenoperationen auf. Er nahm eine Fläche von 150 Quadratmetern ein und wog über 100 Tonnen.)
Bildanalyse mit künstlicher Intelligenz
Am meisten profitiert die Bildanalyse von dieser Rechenleistung. Im Verbund mit der «TrueDepth»-Kameratechnologie – welche Distanzen messen kann – bietet der neue Bionic-Prozessor eine Vielfalt von neuen oder verbesserten Kamerafunktionen:
- Verbesserter Porträt-Modus (Front-Kamera). Bei Fotos kann nachträglich mit einem Schieberegler die Schärfe bzw. Unschärfe des Hintergrundes eingestellt werden. Das System erstellt anhand der Daten der TrueDepth-Kamera eine «Tiefenkarte» und speichert diese Information zusammen mit dem Bild ab. Wünscht der Benutzer eine Änderung des Hintergrundes, berechnet der Prozessor aus diesen Informationen die neue Tiefenschärfen-Verteilung. Bisher bot einzig die sogenannte «Lichtfeldkamera» eine nachträgliche Tiefenschärfen-Anpassung – eine Technologie, die sich aufgrund des hohen Preises nie durchgesetzt hatte.
- Die Face-ID ist noch intelligenter geworden. Laut Apple lässt sich das System auch dann nicht täuschen, wenn der Benutzer einen Hut aufsetzt, sich einen Bart wachsen lässt oder die Augen hinter einer Sonnenbrille verbirgt.
- Apps mit Augmented Reality (AR) profitieren davon, dass die Kamera flache Oberflächen schneller erkennt. Abzuwarten bleibt, was die App-Entwickler daraus machen. Immerhin liefert Apple mit dem iOS 12 (dieses kommt am 17. September) das neue Entwicklerwerkzeug ARKit 2 – gemäss Eigenwerbung die «grösste AR-Plattform der Welt». Sind wir gespannt…
- Das System kann in Echtzeit Personen – und Objekte – im dreidimensionalen Raum erfassen und verfolgen. Als Beispiel präsentierte Apple an der Keynote eine App, welche bei einem Basketball-Spiel die Korb-Würfe zählen kann.
- Die Memojis wirken nun noch lebensechter. Das System analysiert rund 50 verschiedene Gesichtsmuskeln, um daraus Emojis zu berechnen, welche die Mimik des Benutzers äusserst feinfühlig nachahmen.
Verbessertes Kamerasystem
Ein digitales Kamerasystem besteht aus vier Hauptkomponenten:
- Linsen (Objektive)
- Sensor, der das Licht auffängt
- Signalprozessor (ISP), der die Sensordaten aufbereitet
- Software, welche die Bilddaten verarbeitet
Apple hat alle diese Komponenten mit Ausnahme der Linsen verbessert. Der Sensor hat eine grössere Fläche und enthält – laut Apple – «tiefere Pixel». Der ISP und die Algorithmen der Software seien ebenfalls weiter entwickelt worden, sagt Apple. Besonders hervorzuheben ist «Smart HDR»: HDR (High Dynamic Range) ist eine Technologie, welche heute alle Kameras nutzen.
Dabei schiesst die Kamera mehrere Bilder mit unterschiedlicher Belichtung und berechnet daraus ein «kombiniertes» Bild, welches dunkle Bildteile nicht zu dunkel und helle nicht zu hell wiedergibt, was Fotos mit besonders grosser Dynamik (Spanne zwischen den hellsten und den dunkelsten Bildteilen) ermöglicht. Das Besondere an «Smart HDR»: Die iPhones schiessen wesentlich mehr Bilder als gewöhnliche HDR-Algorithmen, was die Bildqualität steigern soll.
Unterschiede zwischen den neuen Modellen
Die beiden Modelle iPhone XS und iPhone XS Max unterscheiden sich nur durch die Grösse. Genauer gesagt: durch die Fläche. Denn beide sind gleich dünn (7.7 mm). Beim preisgünstigeren Modell iPhone XR hat Apple glücklicherweise nicht bei der Rechenleistung gespart, sondern an anderen Stellen:
- Anstatt eines OLED-Displays ist beim iPhone XR ein LCD verbaut. Dieses hat eine geringere Auflösung und ist etwas kontrastärmer.
- Das Gehäuse besteht nicht aus Stahl, sondern aus Aluminium
- Die Rückkamera hat nur 1 statt 2 Linsen, das heisst, das separate Tele-Objektiv entfällt. Immerhin bietet die Kamera ein digitales 10x Zoom.
- Die maximal wählbare Speichergrösse beträgt 256 GB statt 512 GB
Dafür ist das iPhone XR farbenfroher: Der Käufer kann zwischen Blau, Weiss, Schwarz, Gelb, Coral und Rot wählen.
Preise und Verfügbarkeit
Die Preise sind stolz und lassen den einen oder anderen Apple-Fan leer schlucken: Das iPhone XS ist ab rund 1’200 Franken erhältlich, das iPhone XS Max ab CHF 1’300. Der Spitzenpreis (iPhone XS Max mit 512 GB Speicher) liegt bei über CHF 1’700 (ein neuer Rekord für Smartphones?) Das iPhone XR ist dafür bereits für weniger als CHF 880 zu haben.
Die Modelle iPhone XS und iPhone XS Max sind ab dem 14.9. bestellbar und werden ab dem 21.9. ausgeliefert. Das iPhone XR kann ab dem 19.10. bestellt werden und ist ab dem 26.10. erhältlich.
Autor: Jan Strasser