Interview mit FLIZ-Co-Präsident Mark Hofstetter

Ein Bild aus vor-corona Tagen: Gebanntes Anstehen vor dem Kino Gotthard vor einem FLIZ-Abend. Bild: Facebook FLIZ FilmliebhaberInnen Zug
Ein Bild aus vor-corona Tagen: Gebanntes Anstehen vor dem Kino Gotthard vor einem FLIZ-Abend. Bild: Facebook FLIZ FilmliebhaberInnen Zug

Nur noch Streaming, Netflix und Serien? Nicht, wenn es nach dem FLIZ-Filmclub aus Zug geht. Mark Hofstetter ist Co-Präsident und Gründungsmitglied. Im Interview gewährt er einen Einblick in die Arbeit des Vereins, spricht über Begegnungen mit Regisseuren und Schwierigkeiten des FLIZ.

Neigt sich der Oktober dem Ende zu, wissen Zugerinnen und Zuger: Dieser Tage steigen seit 2015 die Zuger Filmtage. Dank einem ausführlichen Schutzkonzept konnte das Festival auch dieses Jahr stattfinden. Ein Film ist dabei jeweils als «FLIZ-Film» deklariert, in diesem Jahr war es «Citoyen Nobel» über Nobelpreisträger Jacques Dubochet.

Was es mit dem «FLIZ-Film» auf sich hat? FLIZ steht für FilmliebhaberInnen Zug. Der Name ist dabei Programm. Denn der 1999 gegründete Verein ist für all jene, die sich für die Welt des Films begeistern und diese Passion im Kollektiv ausleben möchten. Quasi ein Verein als Ode an das Filmschaffen. Jeweils am zweiten Montag im Monat organisiert der Verein den FLIZ-Filmabend im Kino Gotthard in Zug (siehe Box).

Das Besondere dabei ist, dass ein Protagonist oder eine Protagonistin des gezeigten Films, meist die Regisseurin oder der Regisseur, für ein Gespräch anwesend ist. Zudem ist der Filmclub eben an den Zuger Filmtagen mit einem ausgewählten Film präsent. Zu den Gründungsmitgliedern des Vereins gehört Mark Hofstetter, heute bildet er gemeinsam mit Elke Mangelsdorff das Co-Präsidium.

Im Gespräch mit FonTimes verrät Hofstetter, was die Zusammenarbeit mit den Zuger Filmtagen für FLIZ bedeutet, warum der Kinobesuch nie wird ersetzt werden können und weshalb für ihn beim Filmeschauen nicht die Unterhaltung im Vordergrund steht.

Herr Hofstetter, was bedeutet es für den FLIZ-Filmclub, mit den Zuger Filmtagen zusammenarbeiten zu können?

Diese Zusammenarbeit ist für uns sehr wertvoll. Einerseits können wir eine Vorpremiere zeigen, was in unserem normalen Programm selten möglich ist und auf der anderen Seite dürfen wir auf diese Weise ein jüngeres Publikum bei uns begrüssen. Es ist eine gegenseitige Ergänzung und eine Zusammenarbeit, von der beide Seiten profitieren.

Dürft ihr selbst entscheiden, welchen Film ihr zeigen möchtet?

Bezogen auf die Zuger Filmtage erfolgt die Programmierung des FLIZ-Abends in gegenseitiger Absprache. Bei unseren normalen, monatlichen Abenden sind wir grundsätzlich frei. Wir zeigen allerdings keine Filme mehr, die bereits im Programm der Zuger Kinos gezeigt wurden. Manchmal ist es etwas schmerzhaft zu sehen, wenn Filme, die für uns interessant wären, in einem Zuger Kino für eine Woche oder zwei nur am Vorabend laufen.

Die Zuschauerzahl, die Kinobesitzer Thomas Ulrich so generiert, hätten wir an einem Abend – hinzu kommt der Mehrwert des Gespräches mit der Regisseurin oder dem Regisseur nach dem Film. Unser Problem ist jedoch, dass wir etwas träge sind, wir können nicht allzu schnell reagieren.

Um Kosten beim Druck der Flyer und beim Versand zu sparen, müssen wir die Filme jeweils drei Monate im Voraus auswählen. Daher sprechen wir unsere Programmwünsche mit Thomas Ulrich ab, um Zweispurigkeit zu vermeiden. In einem gewissen Sinne sind wir Konkurrenten, ich muss aber auch betonen, dass es eine gute
Zusammenarbeit ist.

Wie wird jeweils bestimmt, welche Filme ihr an den Filmabenden präsentiert?

Es gilt der Grundsatz: Wenn jemand aus dem Vorstand findet, ein bestimmter Film muss bei uns unbedingt laufen, zeigen wir diesen auch. Obwohl es sich in erster Linie um Dokumentarfilme handelt, gibt es keinen fixen Kriterienkatalog, was bei uns läuft und was nicht. Es gibt nicht den FLIZ-Film. Nur schon dadurch, dass wir im Vorstand sehr unterschiedliche Zugänge zum Film haben, sind unsere Vorschläge sehr divers.

Ich beispielsweise komme vom Film als Medium und bin ein grosser Fan davon, wenn eine Geschichte oder eine Thematik mit den stilistischen Möglichkeiten der Filmkunst in Bildern, Ton und Schnitten erzählt und nicht in erster Linie von lieblos inszenierten «Talking Heads» vermittelt wird.

Mark Hofstetter vor dem Kino Gotthard wo FLIZ seit 21 Jahren seine Filmabende organisiert.
Mark Hofstetter vor dem Kino Gotthard, wo FLIZ seit 21 Jahren seine Filmabende organisiert. Bild: sib

Schauen Sie jeden Film, der an den FLIZ-Abenden gezeigt wird, im Vorhinein selbst?

Es ist nicht zwingend, dass sämtliche Vorstandsmitglieder den Film im Vorfeld bereits gesehen haben, jedoch sollten ihn mindestens zwei Mitglieder zuvor visioniert haben.

Bei den FLIZ-Filmabenden gibt es jeweils ein Q&A mit einer Person, die beim Film mitgewirkt hat, oftmals mit dem Regisseur respektive der Regisseurin. Wie schwierig ist es, an diese Personen ranzukommen?

Dies ist sehr unterschiedlich, genauso wie die Motivation der Regisseure, über ihren Film zu sprechen. Einige tun dies sehr gerne, andere sind gedanklich bereits längst beim nächsten Projekt und möchten für ihren «alten» Film nicht zwingend umherreisen und bereits drei Monate im Voraus ein Datum dafür fixieren.

Wie oft kommt es vor, dass ihr mit dem Regisseur oder der Regisseurin im Anschluss an den Filmabend weiter in Kontakt bleibt?

Dies kommt durchaus vor. Insbesondere einheimische Filmemacher kommen auch oftmals mehr als einmal mit ihrem aktuellen Werk zu uns. Manche fragen uns zudem an, ob sie ihren Film wiederum bei FLIZ vorstellen können.

Gibt es Begegnungen mit Protagonisten, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind?

Ich möchte nicht werten und bestimmte Begegnungen herausstreichen. Es gab immer wieder wunderschöne Gespräche mit den Filmemacherinnen und -machern. Insbesondere auch im Vorfeld des FLIZ-Abends, wenn wir mit ihnen essen gehen, mit ihnen plaudern und – wenn sie aus dem Ausland kommen – ihnen Zug etwas zeigen.

Mit Erich Langjahr könnt ihr selbst einen sehr erfahrenen Regisseur euer Vorstandsmitglied nennen. Wie wertvoll ist es, jemanden wie ihn in den eigenen Reihen zu haben?

Das Beeindruckende an Erich ist, dass er sämtliche Regisseure, Veranstalter und Kinobetreiber zu kennen scheint. Diese Kontakte können helfen, bestimmte Personen aus dem Filmgeschäft nach Zug zu lotsen. Natürlich besucht Erich auch oftmals Festivals und bringt Filmvorschläge ein.

Wie wurde der FLIZ-Filmclub vor gut 20 Jahren aus der Taufe gehoben?

Erich Langjahr und Annelies Ursin, die damalige Leiterin des Burgbachkellers und die kürzlich mit der Zuger Kulturschärpe ausgezeichnet wurde, begannen vor knapp 30 Jahren, ebendort ausgewählte Filme zu zeigen.

Ergänzend dazu organisierten sie Diskussionen zu den Filmen. Erich brachte jeweils seinen eigenen 16-Millimeter-Projektor mit. Mit der Zeit wurde dies immer schwieriger, weil die Zahl von 16-Millimeter-Kopien stetig abnahm.

Als die Anlassreihe vor dem Aus stand, kam das Angebot von Thomas Ulrich, einen Kinosaal einmal monatlich für einen Filmabend zu vermieten. Wir zahlen ihm dafür eine fixe Miete. Die Einnahmen aus dem Billettverkauf gehen in die Vereinskasse. So organisieren wir nun seit 21 Jahren den FLIZ-Filmabend.

Mark Hofstetter und der FLIZ-Filmclub

Der FLIZ-Filmclub wurde 1999 gegründet und umfasst rund 300 Mitglieder. Seit Januar 2000 spielt FLIZ am 2. Montag im Monat ein ausgewähltes Programm mit einem besonderen Film. Die Filme werden dabei ohne Pause gezeigt. Der Regisseur oder die Regisseurin ist jeweils anwesend und
nach dem Film für eine Diskussion bereit. Die Filmabende locken jeweils rund 100 Besucherinnen und Besucher an. FLIZ-Mitglieder erhalten einen Ausweis, der zum verbilligten Eintritt berechtigt (10 statt 20 Franken pro Vorstellung). Der fünfköpfige Vorstand wird von Elke Mangelsdorff und Mark Hofstetter präsidiert. Letzterer ist zudem FLIZGründungsmitglied. Hofstetter zog in den 1960er Jahren von Frankfurt nach Oberwil, in Zug besuchte er die Kantonsschule. Heute arbeitet er als Architekt in Glarus, wo er auch wohnhaft ist.

Wie viele Filme schauen Sie durchschnittlich pro Woche?

Dies ist sehr unterschiedlich. Im Schnitt vielleicht alle zwei Tage. Während den Filmfestivals sind es jeweils deutlich mehr. Klar ist: Filme sind für mich etwas Alltägliches und eine grosse Leidenschaft.

Wie hat diese Leidenschaft ihren Anfang genommen?

Es hat bereits an der Kanti begonnen, als ich einen Filmkurs besucht hatte. Da hat es mich sogleich gepackt. Ich trat anschliessend auch in den Filmclub der Kanti bei. Besonders «Deserto Rosso» von Michelangelo Antonioni war damals eine Initialzündung.

Schauen Sie manchmal auch seichtere Filme, um abschalten zu können? Darf es auch mal ein Action-Blockbuster sein?

Ich brauche dies nicht. Mein Anspruch an einen Film ist nicht primär die Unterhaltung. Vielmehr ist es für mich der Idealfall, wenn ich es schaffe, in den Kopf der Regisseurin oder des Regisseurs zu kommen und die Welt mit ihren Augen zu sehen. Dabei ist unerheblich, ob ich mit der transportierten Botschaft des Films einverstanden bin.

Weshalb lohnt sich Ihrer Meinung nach auch heute noch der Kinobesuch? Trotz Home Cinema, kostenlosen Streaming-Anbietern, Netflix etc.

Es ist ein komplett anderes Schauen im Kino. Bild und Ton sowie das Kinoerlebnis als Ganzes werden zuhause niemals eins zu eins ersetzt werden können. Egal, wie sehr man technisch aufrüstet. Zudem ist die Konzentration nicht zu vergleichen und die Augen sind durch die grössere Distanz zur Leinwand viel entspannter.

Trotzdem scheint der Kinobesuch für viele Junge etwas aus der Zeit Gefallenes zu sein. So ist auch das Durchschnittsalter der FLIZ-Mitglieder eher hoch, oder?

Wir dürfen schon vermehrt jüngere Mitglieder begrüssen, doch dürften es mehr sein.

Wie versucht ihr, die Jungen für den Filmclub zu gewinnen?

Aktuell lassen wir unsere Homepage neu gestalten. Diese wird handy-gerechter daherkommen. Dadurch soll der Zugang für junge Leute vereinfacht werden. Ansonsten ist es nicht ganz einfach. Wir haben uns auch coronabedingt überlegt, ob wir vermehrt auf Online setzen sollen. Dabei stellen sich jedoch gleich mehrere Probleme.

So wäre der Aufwand für uns enorm, beispielsweise was die Organisation von Online-Interviews anbelangt. Zudem basiert unser Konzept effektiv auf dem Live-Erlebnis im Kinosaal. So bevorzugten wir es diesen Frühling, eine Pause einzulegen und im Sommer unsere Filmabende fortzusetzen.