Armut und Elend vertreiben die Christen aus Syrien

Armut und Elend vertreiben die Christen aus Syrien
Die Kapelle des Heiligen Paulus in der alten Stadtmauer von Damaskus. Bild: «Kirche in Not (ACN)»/Jacques Berset

«Die Christen verlassen Syrien nicht, weil sie von der Regierung bedroht werden, sondern um die Zukunft ihrer Kinder zu sichern! Lasst uns leben, wir haben unsere Würde, unsere Spiritualität, unsere Kirche», sagt Schwester Georgina Habach in Damaskus, die das Embargo anprangert, das ihr Land stranguliert.

Mehr als 80% der syrischen Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze und die Arbeitslosenquote liegt bei über 55%. Dies sind die Ergebnisse des blutigen Konflikts, der Syrien seit 2011 zerreisst. Es sind aber auch die Folgen der Strafmassnahmen, welche die westlichen Staaten gegen das Regime von Bashar al-Assad ergriffen haben.

Vor dem Krieg, der das Land verwüstet und entsetzliches Elend verursacht hat, war ein USD 47 syrische Pfund wert, heute kostet ein USA 3.500 Pfund. Aktuell sind mehr als 11 Millionen Menschen in Syrien auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Die Ordensfrau Georgina Habach die in der Altstadt wirkt. Bild Kirche in Not ACNJacques Berset
Die Ordensfrau Georgina Habach die in der Altstadt wirkt. Bild Kirche in Not ACNJacques Berset

Die Ordensfrau Georgina gehört der Kongregation der Schwestern vom Guten Hirten an – einer Kongregation, die seit 1893 im Libanon und in Syrien tätig ist. Sie lebt im «christlichen Viertel» (Maḥallat al-Naṣârâ) in Damaskus und ist in der Altstadt tätig. Dort betreibt sie ein Frauenhaus, das gefährdete und missbrauchte Frauen und Mädchen aufnimmt und ihnen Schutz bietet.

Der nunmehr mehr als 10 Jahre dauernde blutige Konflikt hinterlässt Spuren in der Gesellschaft. Die Ordensfrau erhält für ihre Projekte materielle Unterstützung von «Kirche in Not (ACN)». In den Jahren des Krieges hat das Hilfswerk rund CHF 55 Millionen für die seelsorgerische, geistliche und materielle Hilfe für die notleidende christliche Bevölkerung in Syrien zur Verfügung gestellt, davon rund CHF 3.8 Millionen im Jahr 2020.

Seit 2000 Jahren christliche Präsenz

Schwester Georgina engagiert sich im überwiegend christlichen Viertel Bab Touma, dem Tor des Heiligen Thomas, einem der acht Tore der historischen Altstadt. Sie arbeitet in der Nähe der melkitisch-griechisch-katholischen Kathedrale Unserer Lieben Frau von der Entschlafung im benachbarten Bab Charki (Tor des Ostens), in dem Überbleibsel des frühen Christentums zu bewundern sind.

Hier wurde der Apostel Paulus laut Apostelgeschichte nach seiner Bekehrung auf der Strasse nach Damaskus von Ananias von seiner Blindheit geheilt.

Der syrische Praesident Bashar Al Assad allgegenwaertig im Stadtbild von Damaskus. Bild Kirche in Not ACNJacques Berset
Der syrische Praesident Bashar Al Assad allgegenwaertig im Stadtbild von Damaskus. Bild Kirche in Not ACNJacques Berset

«Es sind die Armen, die die Rechnung bezahlen…»

 Die syrische Wirtschaft droht nun vollends zusammenzubrechen, denn bereits zwischen 2010 und 2017 schrumpfte sie um mehr als 70%. Die Situation hat sich mit der Verhängung des Caesar Syria Civilian Protection Act, der von der Trump-Regierung im Juni 2020 erlassen wurde, verschlimmert.

Ausserdem führt die Gier mancher Händler dazu, dass sie unverhältnismässig hohe Gewinne erzielen. So kommt es, dass 20% der Bevölkerung komfortabel lebt, während 80% sich im Elend wiederfindet! Lebensmittel und andere lebensnotwendige Güter sind um das Dreifache teurer geworden, Medikamente haben sich versiebenfacht, manche Medikamente sind sogar zehnmal so teuer, während die Gebühren und Gehälter kaum steigen: Ein Pfarrer, ein Lehrer oder ein Verwaltungsangestellter verdient etwa CHF 55 im Monat, während andere, Angestellte des öffentlichen Dienstes, nur CHF 25-30 bekommen.

Eine kleine Minderheit lebt gut in Damaskus aber die grosse Mehrheit lebt unterhalb der Armutsgrenze. Bild Kirche in Not ACNJacques Berset
Eine kleine Minderheit lebt gut in Damaskus aber die grosse Mehrheit lebt unterhalb der Armutsgrenze. Bild Kirche in Not ACNJacques Berset

In Syrien können die Christen ihre Religion frei ausüben, Prozessionen auf der Strasse veranstalten und ihre Feste feiern. «Aber jetzt haben die verbliebenen Christen Angst, vor allem vor dem Islam, vor der Zukunft. Aber nicht nur Christen wollen auswandern, auch alle anderen spielen mit dem Gedanken, das Land zu verlassen», sagt Schwester Georgina.

Im Stadtteil Kassa’a, Damaskus, hat die melkitische Pfarrei St. Kyrill, die 15 000 griechische Katholiken zählte, seit 2010 einen Drittel ihrer Gläubigen verloren, so Erzbischof Youhanna Jihad Mtanos Battah, syrisch-katholischer Erzbischof von Damaskus.

«Wenn es nicht so viele Hindernisse gäbe, würde die Hälfte der Christen, vielleicht sogar mehr, das Land verlassen», vermutet Pater Georges, ehemaliger Pfarrer von Saint-Cyrille, fatalistisch. Die Kirche finanziert im Rahmen ihrer Möglichkeiten Lebensmittelpakete, beteiligt sich an der Zahlung von Mieten, Schulgeld oder dem Kauf von Medikamenten.

Während sich die Wirtschaftskrise verschlimmert, sagen viele Christen, dass die aktuelle Wirtschaftskrise schlimmer ist als die vielen Jahre des offenen Krieges, die sie ertragen mussten, und viele überlegen sich oft, das Land zu verlassen.

Jacques Berset in Damaskus Syrien Bild Kirche in Not ACNJacques Berset 1
Jacques Berset in Damaskus Syrien Bild Kirche in Not ACNJacques Berset 1

Text von Jacques Berset

Jacques Berset in Damaskus Syrien Bild Kirche in Not ACNJacques Berset

«Kirche in Not (ACN)» ist ein internationales katholisches Hilfswerk päpstlichen Rechts, das 1947 als „Ostpriesterhilfe“ gegründet wurde. Es steht mit Hilfsaktionen, Informationstätigkeit und Gebet für bedrängte und Not leidende Christen in rund 140 Ländern ein. Seine Projekte sind ausschliesslich privat finanziert. Das Hilfswerk wird von der Schweizer Bischofskonferenz für Spenden empfohlen.
Spenden mit dem Vermerk „Syrien“ können gerichtet werden an:
  
Logo Kirche in Not  

Cysatstrasse 6, 6004 Luzern, Telefon 041 410 46 70
E-Mail: mail@kirche-in-not.ch; Internet: www.kirche-in-not.ch
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