Eine ganz normale Gemeindeversammlung avanciert in Pfäffikon zum Demokratieevent mit grossem Interesse. Ein drohendes Musikverbot am Abend lockte die Jugendlichen in Scharen zur Gemeindeversammlung. Entdeckt hier eine Generation ihre Stimme oder ist die Debatte um den Lärmschutz einfach überfällig? Wir haben mit Dominic Täubert (EVP), der den Stein ins Rollen gebracht hat, darüber gesprochen.
Die Sonne scheint auf den Pfäffikersee, die Menschen sitzen am Ufer und geniessen den Sommertag, aus den verschiedenen Boomboxen erklingt ein bunter Musikmix. Am Samstag sollte der wummernde Spass am See um 18 Uhr allerdings jeweils ein jähes Ende finden. So forderte es der Entwurf der neuen Polizeiverordnung der Gemeinde Pfäffikon ZH.
Musikverbot im Sinne des Lärmschutzes, vier Stunden bevor die Nachtruhe einsetzt. Unter der Woche sollte die Musik um 20 Uhr abgedreht werden und am Sonntag sogar ganz darauf verzichtet werden.
Eigentlich sollte die Totalrevision der Polizeiverordnung aufgrund von aktuellen Entwicklungen angepasst werden. Das Musikverbot versteckt sich im Text einigermassen gut zwischen den Lärmschutzmassnahmen für Gartenarbeiten und Feuerwerk.
Sogar die vorübergehende Sicherstellung von Lautsprechern durch die Polizei war vorgesehen. Die neuen Ruhezeiten haben Dominic Täubert (23) stutzig gemacht. Der Jungpolitiker sitzt im Vorstand der EVP Pfäffikon. «Als junger Mensch ist mir schnell klar geworden, dass die Revision im Alltag sehr weit einschränkt. Speziell die jungen Menschen», erklärt Täubert im Gespräch mit FonTimes.
Unerwarteter Besuch im Chesselhuus
An der Gemeindeversammlung am 14. Juni sollte über die neue Polizeiverordnung abgestimmt werden. Täubert beschloss, einen Aufruf auf Instagram zu starten und die jungen Pfäffikerinnen und Pfäffiker an die Gemeindeversammlung zu bringen.
Das Video erreichte eine beachtliche Zahl an Aufrufen und Reichweite, aber auch Täubert wusste: «Ein Instagrampost sehen und wirklich an eine Gemeindeversammlung gehen, das sind zwei Paar Schuhe.»
Doch tatsächlich kam so viele Menschen zur Gemeindeversammlung, dass die Veranstaltung verschoben werden musste, da nicht alle StimmbürgerInnen einen coronakonformen Platz im Chesselhuus gefunden hätten.
Zwei Wochen später fand jede/r der über 400 TeilnehmerInnen einen Platz bei der neuangesetzten Gemeindeversammlung. «Die Motivation, für einen Abend an die Gemeindeversammlung zu gehen, um diese Freiheit zu behalten, ist sehr gross gewesen», sagt Täubert.
Es wurde bei jeder erfolgreichen Abstimmung geklatscht, die Stimmung war fast schon ausgelassen und am Ende wurde das Musikverbot verhindert.
In den Sommermonaten darf im öffentlichen Raum nun sogar bis 23 Uhr Musik gehört werden – eine Stunde länger als bisher. Für Täubert ist es nicht nur ein inhaltlicher Sieg, er spüre auch eine gewisse Genugtuung darüber, dass die Interessen der Jugendlichen auf kommunaler Ebene endlich einmal gehört wurden.
Ein Antrag und drei Abstimmungen
Für den EVP-Politiker ist das Thema damit aber nicht beendet. Die Gemeinden Pfäffikon, Russikon und Fehraltorf teilen sich eine Gemeindepolizei. Während der Antrag anschliessend auch in Russikon abgelehnt wurde, hat man die Polizeirevision in Fehraltdorf durchgewunken. Auch dort könnte das Anliegen noch einmal auf den Tischen kommen, erklärt Täubert.
Die Debatte um den Lärm betrifft auch andere Gemeinden, die veraltete Verordnungen haben. Die heutigen Boomboxen haben mit ihrer Grösse und Lautstärke kaum noch etwas mit den Lautsprechern von vor 20 Jahren gemein. Deshalb braucht es für Täubert jetzt eine Debatte darüber, «was in Ordnung ist, zu welchem Mass und zu welcher Zeit».
Auch das Thema Littering steht oft im Zusammenhang mit lauter Musik im öffentlichen Raum und die Schuldigen scheinen schnell ausgemacht: die Jugendlichen. «Für mich ist das ein bisschen unverständlich, weil Littering auch für junge Menschen ein Problem ist», erklärt Täubert.
Zu wenige Abfalleimer und fehlende Alternativen wie Recylingstationen seien die Ursachen und nicht das Alter der Seebesucher. «Es ist schnell gesagt, dass es eine Generationensache ist. Aber wenn man es genauer anguckt, hat man unabhängig vom Alter ein Interesse an einer sauberen Öffentlichkeit», sagt Täubert.
Debatte ja, Konflikt nein
Den grossen Generationenkonflikt will der Jungpolitiker jedoch nicht an die Wand malen. So wurden die Anträge bei der Gemeindeversammlung von 95 Prozent der Anwesenden angenommen, die natürlich nicht nur aus den mobilisierten Jungwählern bestanden.
Die Diskussion um das Musikverbot wurde dabei vielleicht von den Jugendlichen angestossen, die eigentliche Debatte hätte aber die gesamte Gemeinde beschäftigt. Es gab viel Verständnis in Pfäffikon und Zusagen von allen Seiten, dass man die Jugendlichen nicht vom See vertreiben wolle.
Auch bei anderen Themen kämpft Täubert für die Interessen der jungen Schweizer und Schweizerinnen. Während der Pandemie gipfelte sein Einsatz unter anderem in einem Onlinemeeting mit Bundesrat Alain Berset. Bei diesem diskutierte der Bundesrat mit den Vertretern von fünf Jungparteien über faire Öffnungsschritte und den Zugang zur Impfung.
Die Solidarität, die in der Pandemie zwischen den Generationen herrschte, wünscht sich Täubert auch für andere Themen wie die Klimakrise. «Solidarität ist natürlich auch immer von der Frage abhängig, wer sie braucht. Jetzt in der Pandemie waren es eben die älteren Menschen», sagt er.
Endlich angekommen in der Demokratie
Kurzfristig hofft Täubert, dass auch an der nächsten Pfäffiker Gemeindeversammlung im September der eine oder andere junge Stimmbürger wieder teilnimmt. «Man sieht es in der Forschung zur politischen Partizipation, dass einzelne Erlebnisse stark politisieren können», erklärt er.
Das drohende Musikverbot als politisches Entdeckungserlebnis sozusagen. Oder einfach nur ein Interesse am demokratischen Prozess und am Mitbestimmen. Denn an eine unpolitische junge Generation glaubt Täubert sowieso nicht.
Was diese Aussage unterstreicht: Die neuangesetzte Gemeindeversammlung fand ausgerechnet an dem Abend statt, als die Schweizer Nati ihr Jahrhundertspiel gegen Frankreich absolvierte. Als über alle Anträge abgestimmt wurde, stand es bereits 1:3. Immerhin zum erfolgreichen Penaltyschiessen fanden Gemeinderat und Dominic Täubert beim Public Viewing noch zusammen.
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