Die Wanderausstellung «Klimagarten 2085» ist in diesem Jahr in Cham zu Gast. Am LBBZ Schluechthof kann man aktuell mögliche Zukunftsszenarien bestaunen. In dem Gewächshausexperiment treten Schweizer Nutzpflanzen in den direkten Wettbewerb. Wer kann Hitze und Trockenheit besser standhalten?
Noch eine Dokumentation über steigende Meeresspiegel, ein weiterer Zeitungsartikel über Rekordtemperaturen und ein Foto von einem Eisbären auf einer Eisscholle. Am landwirtschaftlichen Bildungs- und Beratungszentrum (LBBZ) Schluechthof in Cham sollen Klimaszenarien endlich für jeden greifbar werden: Der Schluechthof beteiligt sich in diesem Jahr an der Wanderausstellung «Klimagarten 2085».
Mithilfe von Gewächshäusern sollen zwei verschiedene Klimaszenarien simuliert werden, die die Auswirkungen der veränderten Klimabedingungen auf Pflanzen und landwirtschaftliche Produktionen aufzeigen. Die Daten für das Experiment beruhen auf einem Bericht der ETH Zürich in Zusammenarbeit mit MeteoSchweiz, der sich mit den Klimaänderungen in der Schweiz befasst.
Weniger Wasser, höhere Temperaturen
FonTimes wollte sich das genauer ansehen. Bei unserem Besuch im Schluechthof treffen wir auf Raphael Vogel und Janna Ottiger. Die beiden sind verantwortlich für die Ausstellung und betreuen sie für das LBBZ.
Vogel ist Berufsschullehrer und Berater für Pflanzenbau. Über Kontakte zur ETH Zürich wurde Vogel auf das Projekt aufmerksam und so beschloss er, das Experiment nach Cham zu holen.
Die beiden kleinen Gewächshäuser sind durchgehend geöffnet und befinden sich gleich neben dem Eingang des Schluechthofs. Zum Experiment gehört ebenfalls ein Beet, in dem die Pflanzen den natürlichen Wetterbedingungen ausgesetzt sind. Für die Besucher gibt es ausserdem eine Informationstafel über die Wanderausstellung.
In beiden Gewächshäusern werden jeweils zwei Reihen von in der Schweiz angebauten Pflanzen gesät. Dazu gehören unter anderem Sonnenblumen, Weizen, Gemüsesorten wie Mais sowie Gräser. Die hintere Reihe bekommt dabei allerdings nur 40 Prozent der normalen Wassermenge, die sich am durchschnittlichen Schweizer Niederschlag orientiert, zugeführt.
So soll zusätzlich die Auswirkung von Trockenheit simuliert werden. Der Unterschied zwischen den beiden Gewächshäusern liegt in der Temperatur. In Gewächshaus A liegt die Temperatur 3 Grad Celsius über dem aktuellen Durchschnitt.
Für dieses Szenario müssten die Treibhausgasemissionen um mindestens 50 Prozent reduziert werden. In Gewächshaus B beträgt der Temperaturunterschied sogar 6 Grad. Dieses Szenario soll das Jahr 2085 in der Schweiz simulieren, wenn keine weiteren klimapolitischen Massnahmen ergriffen werden.
Von Zürich nach Cham
Die Idee zum Klimagarten stammt vom Zurich-Basel Plant Science Center. Dieses Zentrum für Pflanzen- und Umweltwissenschaften verbindet die Hochschulen ETH Zürich, Universität Zürich und die Universität Basel.
Die erste Ausstellung fand 2016 in den Botanischen Gärten der Universität Zürich statt. In den folgenden Jahren wurde ausserdem eine kleinere Version des Klimagartens für Schulen entwickelt.
So kann das Thema Klimaschutz aktiv in den Unterricht integriert werden. Der Klimagarten in Cham soll aber nicht nur für die Schüler und Schülerinnen sein. Auch wenn diese angefragt wurden, erzählt Raphael Vogel. Man sei offen für alle Besucher.
Eine Schulklasse war bereits am LBBZ und konnte die Unterschiede zwischen den Pflanzen im Gewächshaus und denen im Beet begutachten. «Momentan kann man den Unterschied zwischen den Pflanzen, die mehr Wasser bekommen als jene der Nachbarreihe, sehen», erklärt Vogel.
Der nasse und kalte Frühling sorgte allerdings dafür, dass die Pflanzen draussen noch hinter ihrem Potenzial zurückliegen.
Bei unserem Besuch Mitte Juni kann der Vergleich mit den Gewächshäusern also trügerisch sein, wenn man dort schon eine hochgewachsene Sonnenblume sieht oder die ersten kleinen Kartoffeln unter der Erde entdeckt. Aber nicht alle Pflanzen profitieren von der Hitze.
So kann man im Gewächshaus B bei der Ackerbohne bereits Hitzeschäden entdecken, trotz der üblichen Wassermenge. Und ein paar Meter weiter sieht man, dass es die Kunstwiese mit zusätzlichen 6 Grad und weniger Wasser kaum aus dem Boden geschafft hat.
Ernte gut, alles gut
Mit den finalen Resultaten rechnet man am LBBZ aber erst ab August. Dann sollte man «effektiv sehen, welche Pflanze wie viel Masse bilden konnte», sagt Vogel. Die Wanderausstellung wird am LBBZ länger betrieben als bei den Schulprojekten. Bis in den September möchte man den Pflanzen Zeit lassen, zu wachsen.
Anschliessend kann zudem die Ernte auswertet und zwischen den Versuchsreihen verglichen werden. Den Besuchern und Interessierten möchte man mit der Ausstellung vor allem Bilder präsentieren. Eine vertrocknete Pflanze mit geringerem Ertrag könne einen grösseren Eindruck erzeugen als ein Bericht mit Zahlen, ist Vogel überzeugt.
Als Experte im Bereich Pflanzenbau hatte Vogel Vermutungen, welche Pflanzen bei dem Experiment profitieren könnten. Es sind solche, die eigentlich nicht im Klimaraum der Schweiz zuhause sind. Mais, Hirse und Sorghum sind als C4-Pflanzen für höhere Temperaturen besser angepasst.
Sie können trotz hoher Lichteinstrahlung mehr Biomasse aufbauen als die einheimischen C3-Pflanzen. Auch tiefwurzelnde Pflanzenkulturen wie die Sonnenblume und die Luzerne können den erschwerten Lebensbedingungen noch trotzen. Diese fünf Kulturen werden beim Klimaexperiment «am wenigsten Schaden nehmen», erwartet Vogel.
Zusätzlich zu den Beschriftungen der Pflanzen sollen demnächst noch weitere Informationstafeln angebracht werden. Damit soll zum Beispiel erklärt werden, was eine Ackerbohne ist oder wofür man Zwischenkulturen in der Landwirtschaft benötigt. Neben der Ausstellung existiert ebenfalls ein Buch mit dem Titel «Climate Garden 2085: Handbook for a Public Experiment».
Das 2017 veröffentlichte Handbuch erklärt nicht nur detaillierter die Hintergründe der Klimaszenarien, sondern dient auch als Anleitung für einen eigenen Klimagarten. Die beiden Gewächshäuser in Cham kehren übrigens im Winter zur Universität Zürich zurück und sind im nächsten Jahr dann an einem anderen Standort im Einsatz. Ganz klimafreundlich eben.
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