«Normale» Konzerte scheinen noch immer in weiter Ferne zu sein. Grund genug für Stefanie Heinzmann, zuhause im Wallis Beine und Seele baumeln zu lassen? Mitnichten. Soeben hat die 32-Jährige ihr neues Album «Labyrinth» veröffentlicht. Punkto Fernsehen tanzt sie zudem gleich auf mehreren Hochzeiten.
Sie ist noch keine 19 Jahre alt, als sie sich 2007 bei Stefan Raabs Castingshow «SSDSDSSWEMUGABRTLAD» bewirbt und sich am Ende tatsächlich durchsetzt. In der Folge erhält Stefanie Heinzmann einen Plattenvertrag bei Universal und wird ins mediale Schaufensterlicht katapultiert.
Seither geht es für die Walliserin auf der Karriereleiter immer weiter nach oben: Ihre ersten fünften Alben schaffen es in der Schweiz in die Top 5 der Charts, auch in Deutschland ist ihr jeweils ein Platz in den Top 20 der Albumcharts gewiss.
Ihre Debutplatte «Masterplan» (2008) erreicht in der Schweiz wie in Deutschland Platin. Seither führt sie ein Leben in zwei Welten: Auftritte in Berlin und Hamburg wechseln sich mit Erholungsphasen in ihrem Heimatdorf Eyholz ab.
An der Seite von Jonny Fischer und Luca Hänni
Dass die 32-Jährige aufgrund der Coronapandemie in den vergangenen Monaten auf Konzerte verzichten musste, änderte wenig an ihrem Leben auf der Überholspur. So ist Heinzmann aktuell im Rahmen von Staffel acht der deutschen Ausgabe von «Sing meinen Song» im Fernsehen zu sehen und auch in der Schweiz steht bereits die nächste TV-Sendung mit ihrer Beteiligung an.
In «Stadt Land Talent» sucht sie an der Seite von Jonny Fischer und Luca Hänni nach Schweizer Show-Talenten. Momentan laufen die Dreharbeiten dafür, im Herbst erfolgt die Ausstrahlung auf SRF.
Es gibt jedoch noch einen weiteren Grund, weshalb Stefanie Heinzmann beim Pendeln keine Pause einlegt: Am 14. Mai erschien ihr sechstes Album «Labyrinth». Entsprechend befindet sie sich in der Schweiz und in Deutschland auf Promotour.
Wie sie auf den Albumtitel gekommen ist, warum man sie im TV nicht als Köchin antrifft und weshalb bei ihr zuhause ein Lego-Star-Wars-Todesstern aufs Auspacken wartet, verriet Stefanie Heinzmann im Gespräch mit FonTimes.
Stefanie Heinzmann, am 14. Mai erschien Ihr neues Album «Labyrinth». Mit einem Labyrinth assoziiert man viele Sackgassen, doch hat ein Labyrinth auch einen Ausgang. Ein Bild, das eigentlich sehr gut zur aktuellen Situation passt. Zufall?
Mir gefiel das Labyrinth als Bild – nicht nur für die aktuelle Situation, sondern für das ganze Leben. Landet man in einer Sackgasse, muss man wieder zurück, sich neu orientieren und einen anderen Weg einschlagen. Ausserdem lauert hinter jeder Ecke etwas Neues, Unbekanntes.
Die Frage ist, wie man sich im Labyrinth bewegt: Ist man ängstlich und gestresst, wenn der richtige Weg unklar ist oder betrachtet man die Reise als Herausforderung und Abenteuer? Ich bin überzeugt davon, dass wir die Wahl haben, wie wir uns in diesem Labyrinth bewegen und entsprechend unser Leben bestreiten. Das Labyrinth als Sinnbild des Lebens, wobei der letzte Atemzug dabei gewissermassen den Ausgang symbolisiert.
Also ist der Weg das Ziel?
Definitiv. Da landen wir eigentlich schon bei der ganz grossen Frage nach dem Sinn des Lebens. Meiner Meinung nach ist das Leben an sich der Sinn – was total schön ist, da braucht es doch nicht noch einen spezifischen Punkt, den man als Sinn des Lebens herausheben muss.
Soll «Labyrinth» auch die Botschaft transportieren, sich nicht unterkriegen zu lassen und die Motivation hochzuhalten – zumal viele Menschen aufgrund der momentanen Situation schwierige Zeiten durchmachen?
Ja, wobei es wichtig ist, sich auch einfach mal rauszunehmen und zu versuchen, bestimmte Dinge aus einer gewissen Distanz zu betrachten. Beispielsweise herrscht in unserer Gesellschaft ein enormer Leistungsdruck. Dies kenne ich auch von mir selbst.
Wenn ich nach wochenlangem Unterwegssein wieder mal nach Hause komme und mir einen Tag lang eine Auszeit gönne, mache ich mir schon Vorwürfe, dass ich doch nicht einen ganzen Tag lang nichts tun kann.
Doch wer sagt überhaupt, dass wir ständig liefern und erfolgreich sein müssen? Wenn ich daran denke, frustriert mich dies manchmal, da wir uns so das Leben selbst schwer machen.
Sie eingeschlossen?
Ja, ich ging lange mit der Ausrede durch das Leben, dass ich nun mal so bin. Mittlerweile reagiere ich fast schon allergisch auf diesen Satz, weil er schlicht nicht der Wahrheit entspricht.
Denn muss ich mich nicht einfach mit Dingen abfinden, die ich selbst an mir nicht mag – ich habe die Wahl, wie ich mit einer bestimmten Situation umgehe. In diesem Zusammenhang gibt man auch gerne die Verantwortung ab und sagt, der Druck komme von aussen. Doch stammt er tatsächlich von einem selbst.
Ich wurde jedenfalls noch nie dumm angemacht, wenn ich einen Tag zuhause verschlief. Auch wenn der Spruch unglaublich abgenutzt ist: Man lebt nun mal nur einmal. Wenn man sein ganzes Leben für die anderen lebt und nicht Nein sagen kann, besteht die Gefahr, dass man dies am Ende bereut.
Wie schwer fällt es Ihnen, Nein zu sagen?
Das ist genau die Gratwanderung, die es zu meistern gilt, wenn man einen Beruf ausübt, den man liebt (lacht). Ich spüre es aktuell auf meiner Promotour: Mein Terminkalender füllt sich immer weiter, obwohl ich wirklich müde bin.
Auf der anderen Seite habe ich extrem Bock drauf. Ich muss tatsächlich aufpassen, realisiere es jeweils, wenn ich nach Hause komme und derart müde bin, dass ich kaum mehr etwas unternehmen mag. Das ist schade, denn eigentlich sollte ich nach Hause kommen und ein ganz normales Leben führen können.
Bei öffentlichen Auftritten ist von dieser Müdigkeit jeweils nichts zu spüren. Sie haben grundsätzlich ein sehr positives Auftreten, ob auf der Bühne oder sonst wo. Entspricht dies effektiv auch immer Ihrer Stimmungslage oder gibt es auch Momente, in denen Ihnen innerlich so gar nicht zum Strahlen zumute wäre aber Sie denken, mit einem sauren Stein vor die Kamera zu treten, geht nicht?
Es handelt sich tatsächlich immer um die «echte» Stefanie Heinzmann vor der Kamera. Ich bin ein sehr emotionaler und sensibler Mensch und natürlich habe auch ich eine dunkle Seite in mir.
Wofür ich jedoch sehr dankbar bin, ist, dass ich mich stark auf den Moment einlassen und so diese negativen Gefühle draussen lassen kann, wenn ich beispielsweise ein TV-Studio besuche. Hat man einen schlechten Tag, ist es wichtig, offen zu kommunizieren. Gerade kürzlich war dies der Fall, als ich anstrengende Dreharbeiten hinter mir hatte und total übermüdet war.
Ich sagte meinen Leuten gleich von Anfang an, dass ich heute vermutlich nicht wahnsinnig gut drauf und auch nicht allzu gesprächig sein werde. Alle hatten vollstes Verständnis dafür und der Druck war umgehend weg. Zumal jede und jeder solche Tage kennt.
Kehren wir nochmals zu «Labyrinth» zurück. Auffallend ist, dass das Album elektronischer daherkommt als seine Vorgänger. War es ein bewusster Entscheid, in diese Richtung zu gehen?
Die Sache ist die: Wir schrieben die Songs nicht im Bewusstsein, dass wir ein Album produzieren. Vielmehr wollten wir im vergangenen Jahr die Zeit irgendwie nutzen und begaben uns nach dem Motto ins Studio, dass dabei vielleicht die eine oder andere Single entsteht. So konzentrierten wir uns auf den Sound, auf den wir gerade Bock hatten. Als im Herbst «Sing meinen Song» bestätigt wurde, war klar: Nun brauchen wir ein Album.
Das Gute war: Wir hatten bereits genügend Material für ein Album. Als ich nach dem Aufnehmen und Produzieren zum ersten Mal das gesamte Album durchhörte, sagte ich zu meinem Management: «Das ist ja ein Electro-Album geworden» (lacht). Ich war selbst überrascht, da es absolut nicht geplant war.
Das Songschreiben ist etwas sehr Individuelles. Wie läuft dies bei Ihnen, wo holen Sie sich Inspiration dafür?
Das Leben ist meine Inspiration. Immer, wenn ich etwas sehe oder erlebe, mache ich mir auf dem Handy Notizen dazu und sammle so Ideen. Ich habe schon vor einiger Zeit realisiert, dass ich nicht gerne für mich alleine Songs schreibe – es liegt mir einfach nicht und ich liebe es, in Teams zu arbeiten.
So treffe ich mich jeweils mit einem Produzenten und einem Topliner, wobei wir die ersten zwei Stunden meist nur miteinander quatschen. Dann scrolle ich durch meine Notizen und entscheide mich für ein Thema, welches ich im Anschluss mit den beiden diskutiere. So entsteht Stück für Stück der Song.
Wie sehr Ihnen Auftritte vor Live-Publikum fehlen, muss ich kaum fragen. Immerhin stehen Ende Juni zwei Auftritte an den Strandkorb-Open-Airs am Bostalsee und in Augsburg auf dem Programm. Werden dies die ersten Auftritte wieder mit Publikum sein?
Ja, wenn sie wie geplant stattfinden. Im Moment ist es fast unmöglich, etwas zu planen. Ich muss Woche für Woche schauen und kann nur hoffen, dass meine geplanten Tourauftritte im Herbst zustande kommen. Zumindest für meine Tour nächsten Frühling bin ich doch recht zuversichtlich – zumal ich ja nicht vor 30’000 Menschen auftrete.
Obwohl punkto Konzerte lange nichts ging, sind Sie keineswegs zur Untätigkeit verdammt. Neben der Veröffentlichung von «Labyrinth» wirken Sie in verschiedenen TV-Sendungen mit. Bei vielen anderen Kulturschaffenden sieht es im Moment anders aus, sie kämpfen darum, irgendwie über die Runden zu kommen. Müssen Sie sich manchmal selbst daran erinnern, was für ein Privileg Sie geniessen?
Nein, das muss ich nicht, denn ich bin mir meines Glücks absolut bewusst. Nur schon deswegen, weil ein Grossteil meines Umfelds zum Nichtstun verdammt ist. Es ist auch für mich unglaublich frustrierend. Denn: Mit der Albumproduktion und meinen Auftritten bei «Sing meinen Song» und «Stadt Land Talent» kann ich meine Band leider nicht bezahlen.
Es tut weh, wie stiefmütterlich die Kultur- und Eventbranche behandelt wird. Indirekt wird der Vorwurf laut, man hätte ja etwas «Richtiges» lernen können. Dabei ist Kultur unglaublich wichtig! Dass immer mehr Menschen mit Depressionen zu kämpfen haben, ist eng damit verknüpft, dass das Zusammenleben zu kurz kommt – und Kultur ist ein essenzieller Teil des Zusammenlebens.
Keine Frage: Ich beschwere mich nicht über die Massnahmen im Zusammenhang mit Covid-19 und bin froh, dass ich nicht entscheiden muss. Doch macht es mir Sorgen, dass aktuell die mentale Gesundheit derart gefährdet ist und wir zu wenig darüber reden. Ich höre von so vielen jungen Menschen, die mit Depressionen zu kämpfen haben.
Sie sind in den vergangenen Jahren in verschiedensten TV-Sendungen präsent gewesen. Beispielsweise in «The Voice of Switzerland» und «The Masked Singer», aktuell nun bei «Sing meinen Song». Es sind dies alles Sendungen, in denen Sie als Sängerin präsent sind. Ist das Zufall oder definieren Sie sich als Person in der Öffentlichkeit primär über die Musik?
Ich bin grundsätzlich sehr offen und probiere gerne neue Dinge aus. Doch wurde ich für die meisten Sendungen als Sängerin angefragt – wofür ich auch dankbar bin, da Singen meine Lieblingsbeschäftigung ist.
Es gab auch andere Anfragen, zum Beispiel dass ich in einer Sendung kochen sollte. Dies packte mich nicht wirklich. Ich bin jedoch für alles offen, worauf ich Lust habe und bei dem mir das Konzept dahinter gefällt.
Wie erwähnt, sind Sie momentan im Fernsehen mit «Sing meinen Song» präsent. Dabei erfährt man als ZuschauerIn Dinge und Seiten der SängerInnen, von denen man vorher keine Ahnung hatte. Ging es Euch als Direktbeteiligte genauso?
Ich kannte die Hälfte meiner Sofa-Gspändli zuvor selbst noch nicht. Gerade kürzlich habe ich mir nochmals die Folge von Nura angeschaut. Ihre Geschichte ist unfassbar spannend und fesselnd. Wir haben nun eingeführt, jeden Dienstag die Sendung zu schauen und dabei zu «zoomen», da ein gemeinsames Schauen aktuell leider nicht möglich ist.
«Sing meinen Song» ist einfach ein geiles Format – sowohl auf musikalischer wie auch auf persönlicher Ebene. Da die Sendung in diesen Tagen ausgestrahlt wird, läuft unser «Sing-meinen-Song»-Chat momentan heiss (lacht). Wir vermissen uns und hätten uns gewünscht, die Sendung gemeinsam schauen zu können…
Und doch ist es keine reine Plausch-Sendung, die Interpretation der Songs stellt Euch vor Herausforderungen.
Absolut. Die Herausforderung beginnt mit der schwierigen Frage, wie ich den Song angehe. Im Prinzip stehen einem sämtliche Möglichkeiten offen. Ich kann mich genauso für eine Countryversion entscheiden wie für eine Hip-Hop-Interpretation.
Dabei habe ich immer im Hinterkopf, dass ich den Song vor der Person, von der das Original stammt, performen muss – natürlich will ich, dass dieser Person meine Version gefällt.
Gibt es einen Song von Ihnen, bei dem Sie es befremdlich finden würden, wenn dieser von jemand anderem gesungen würde? Einen Song, der wirklich Ihnen gehört?
Grundsätzlich ist es ein riesiges Privileg, wenn sich solche WahnsinnsmusikerInnen mit deiner Musik auseinandersetzen. Alle geben sich unglaublich viel Mühe und behandeln die Musik der anderen mit grösstem Respekt. Deswegen glaube ich nicht, dass es einen solches Lied gibt.
Manchmal springt der Funke praktisch von alleine über, andere Male müssen wir es langsam erarbeiten.
Ist es eine Option für Sie, irgendwann einmal auf Deutsch oder Mundart zu singen – unabhängig von TV-Sendungen?
Mir gefällt die englische Sprache und ihre Tonalität. Allerdings habe ich auch realisiert, wie gerne ich auf Deutsch und Schweizerdeutsch singe, auch wenn ich es für meine Musik bislang noch nicht so gefühlt habe. Aber für die Zukunft will ich nichts ausschliessen.
Sie sind sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland zuhause. Gibt es punkto Publikum spürbare Unterschiede zwischen den Ländern? Oder sind die Unterschiede innerhalb der Länder ausgeprägter?
Zweiteres. Innerhalb von Deutschland und der Schweiz sind deutliche Unterschiede spürbar. Allerdings kann ich auch nicht sagen, es gibt das Berner oder das Berliner Publikum. Die Stimmung hängt auch immer davon ab, wie gut ich und meine Band es schaffen, die entstandene Gruppendynamik innerhalb des Publikums zu packen. Manchmal springt der Funke praktisch von alleine über, andere Male müssen wir es langsam erarbeiten.
Welche Gedanken macht ihr euch beim Zusammenstellen der Setlist, was die Reihenfolge anbelangt?
Dabei handelt es sich meist um einen längeren Prozess. Ich versuche jeweils, das Konzert in mehrere Abschnitte mit verschiedenen Spannungsbögen zu unterteilen. Ideal ist, laut zu starten, dann leiser zu werden, um anschliessend nochmals Vollgas zu geben.
Wenn es zum grossen Durchbruch als Musikerin nicht gereicht hätte – wo stünden Sie heute?
Schwierig zu sagen, da tatsächlich alles möglich wäre. Auf jeden Fall wäre ich trotzdem musikalisch aktiv. Klar ist, dass ich nie so weit gekommen wäre, wenn ich damals bei Stefan Raabs Castingshow «SSDSDSSWEMUGABRTLAD» nicht gewonnen hätte.
Was steht in den nächsten Tagen und Wochen in Ihrem Terminkalender?
Einerseits die Promotour für das neue Album, auf der anderen Seite die Dreharbeiten für «Stadt Land Talent». Beides ist sehr zeitintensiv, weswegen mein Kalender mindestens bis Juli komplett voll ist.
Das heisst, der Lego-Star-Wars-Todesstern, den Sie von Ihrem Management zum Geburtstag bekommen haben, muss sich weiterhin gedulden, bis Sie sich ihm endlich widmen?
Ja, leider. Er steht bei mir zuhause und blickt mich immer sehr vorwurfsvoll an, wenn ich ihn wieder ignoriere.
Schauen wir zum Schluss noch etwas weiter in die Zukunft. Wann wird Ihnen das Hin- und Herjetten zwischen der Schweiz und Deutschland zu viel werden?
Ich versuche diesbezüglich flexibel zu bleiben. Zumal ich nicht weiss, wie lange ich dieses Leben überhaupt führen kann. Klar ist, dass ich meinen Beruf liebe und dankbar dafür bin, dass ich meine Leidenschaft als Beruf ausüben kann.
Es ist durchaus möglich, dass ich irgendwann an den Punkt gelange, an dem dieses Leben für mich nicht mehr das Richtige ist. Ich hoffe es allerdings nicht, denn es ist ein ziemlich geiler Job (lacht).