Rainer Maria Salzgeber (51) gehört seit Jahren zu den beliebtesten SRF-Moderatoren. Das vergangene Jahr war auch für ihn ein besonderes, hat die Coronapandemie doch die Sportwelt gewaltig durcheinandergewirbelt. FonTimes verriet der Oberwalliser, wie viel er während der Fussballspiele im Studio mit den Experten spricht, für welchen Verein sein Herz schlägt und welches seine grösste Modesünde ist.
Herr Salzgeber, kürzlich «feierte» das Coronavirus in der Schweiz seinen ersten Geburtstag. Auch das Sportjahr 2020 wurde stark durch die Pandemie geprägt. Wie haben Sie das vergangene Jahr erlebt? Mit dem Stillstand ab März, dem allmählichen Auftauen der Sportwelt im Sommer und der Ungewissheit als ständigem Begleiter.
Auf das SRF bezogen: In erster Linie war ich froh, dass wir nicht komplett zur Untätigkeit verdammt waren. Wir konnten unter anderem weiterhin «Sportpanorama» senden – jedoch verschob sich teilweise der thematische Schwerpunkt. So sprach beispielsweise der damalige BAG-Delegierte Daniel Koch im «Sportpanorama»-Studio über die Auswirkungen der Coronakrise auf den Sport.
Für mich persönlich bedeutet die Pandemie eine grössere Distanz zum Geschehen und zur ganzen Materie. So war ich seither nur einmal im Stadion: Beim Spiel YB – St. Gallen, als den Bernern der Meisterpokal überreicht wurde. Natürlich ist meine Faszination für den Sport ungebrochen, doch lebt dieser in erster Linie von den gelebten Emotionen vor Ort. Aber klar: Dies geht allen Beteiligten so.
Was glauben Sie, wie nachhaltig wird die Coronapandemie die Sportwelt beeinflussen? Man hat sich ja schon fast daran gewöhnt, dass keine Zuschauer dabei sind. Werden die Stadien nach der Pandemie wieder voll sein?
Sicherlich nicht sogleich von 0 auf 100. Allerdings wird das Nachholbedürfnis gross sein, weswegen sich die Leute schon nach einem Stadionbesuch sehnen werden. Klar ist: Je stärker das Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung sein wird, desto schneller werden sich die Stadien wieder füllen.
Zu Beginn wird man die Nähe auf der Tribüne vielleicht noch etwas meiden und sich nach einem Treffer nicht um den Hals fallen. Der Weg zurück in die Normalität wird noch eine Weile dauern – natürlich nicht nur im Sport.
Kann die Coronapandemie sogar positive Auswirkungen auf den Sport, konkret auf den Fussball, haben? Dass die astronomischen Transfersummen und Gehälter nachhaltig zurückgehen werden?
Diese Problematik sollte man unabhängig von der Pandemie in den Griff kriegen. Hierbei ist wichtig, die finanziellen Relationen im Hinterkopf zu behalten. Die internationalen Grossklubs sind nur bedingt mit den Schweizer Vereinen vergleichbar. Es wäre wichtig, griffige Instrumente zu entwickeln, um die finanziellen Exzesse mancher Vereine aus den grossen Ligen zu bremsen.
Ich befürchte jedoch, die finanzielle Unvernunft wird eher wieder zurückkehren als die Vernunft auf der Tribüne – die Transfersummen werden bald wieder explodieren. Unter anderem, weil die TV-Gelder weiterhin fliessen.
Wenn wir schon bei den Grossklubs und damit bei der Champions League sind. Ein Wettbewerb, den Sie schon lange hautnah mit verschiedenen Experten an Ihrer Seite begleiten dürfen. Wie viel diskutieren Sie mit den Experten, wenn Sie mit ihnen im Champions-League-Studio sitzen und das Spiel im Gange ist, sprich, die Kamera nicht läuft?
Viel. Es ist sensationell und immer wieder ein Erlebnis, mit Peter Knäbel Fussball zu schauen. Mit Spielbeginn ist er jeweils sehr konzentriert. Nach wenigen Minuten sagt er: «Nun sehe ich es.» Danach folgt schon eine erste Analyse zu Dingen, die ich selbst nie wahrgenommen hätte.
Neben den Diskussionen müssen wir natürlich die Analyse für die Halbzeitpause respektive nach dem Spiel vorbereiten, sagen, welche Szenen wir gerne vorbereitet hätten. Dass ich nach jedem Spiel, welches ich im Studio begleiten darf, glücklich nach Hause fahre, ist eng mit unseren Experten verbunden.
Als Zuschauer bekommt man von dieser Analyse natürlich jeweils nur einen Bruchteil mit.
Es ist unglaublich, was die Experten alles sehen. Da realisiert man jeweils, dass man selbst eigentlich noch nirgends ist, obwohl man den Sport seit Jahrzehnten hautnah verfolgt. Tatsächlich ist dies auch eines meiner Anliegen bei meiner Arbeit: Dass die Leute ein Verständnis für die Topleistungen der Profis aufbauen können. Mir liegt am Herzen, dass der Respekt für grosse Leistungen nicht verloren geht.
Dies ist grundsätzlich der Ansatz unserer Sport-Berichterstattung. Wir sind weniger an Skandalen oder TikTok-Videos von Enfants Terribles interessiert, dafür umso mehr an der Essenz des Sports. Einige mögen dies für langweilig halten. Ich bin hingegen froh darüber, für ein Medium arbeiten zu dürfen, welches diesen Ansatz verfolgt.
Ausserdem setzen viele Sportarten von sich aus immer vehementer auf das Showelement. In der Schweiz zeigt sich dies am deutlichsten im Eishockey, welches eine enorme Amerikanisierung erlebt. Können Sie sich mit dem Sport als inszenierte Show identifizieren oder würden Sie sich eher als Romantiker bezeichnen?
Die Amerikanisierung beschränkt sich ja nicht nur auf den Sport. Als Beispiel sei der Black Friday genannt. Solche Importe sind meiner Meinung nach nie so nachhaltig wie eigene Traditionen.
Bezogen auf das Eishockey: Wenn Elemente wie eine geschlossene Liga übernommen werden, ist dies ein schwieriger Prozess, da dies nicht in der Tradition des europäischen Sports liegt. Unser Sportgedanke besagt, dass gute Leistungen mit dem Aufstieg belohnt und umgekehrt schwache Leistungen mit dem Abstieg «bestraft» gehören.
Zur Person Rainer Maria Salzgeber (51) wuchs in Brig im Oberwallis auf. 1994 stiess er als Moderator und Kommentator zum SRF. Er moderiert hauptsächlich Sportsendungen und seit 2019 den «Donnschtig-Jass». Für seine Moderationen anlässlich der Fussball-EM 2008 bekam er den Schweizer Fernsehpreis in der Kategorie Star National überreicht. Ausserdem wurde er im selben Jahr zum Schweizer Sportjournalisten des Jahres ausgezeichnet. Salzgeber lebt mit seiner Familie im Kanton Zürich.
Also doch ein Romantiker?
Das ist so eine Sache. Den FC Liverpool verfolge ich besonders eng. Schon seit den Zeiten von Kevin Keegan, Graeme Souness und Kenny Dalglish. Heute überdeckt die Romantik viele Dinge. So gehört auch der FC Liverpool längst ausländischen Investoren und bezahlt astronomische Gehälter und Ablösesummen. Doch ist es auch eine Tatsache, dass sich das Rad der Zeit nicht zurückdrehen lässt.
Auch das Brügglifeld wird irgendwann durch eine moderne Arena ersetzt werden. Doch kann ich mich mit diesem Wandel abfinden weil im Fussball für die Romantik immer weniger Platz bleibt. Dafür ist der Fussball zu kommerzialisiert. Ansonsten muss man halt Spiele in den unteren Ligen besuchen.
Hatten Sie auch einheimische Idole?
Ich war seit Kindesbeinen an ein grosser Fan von Erich Burgener. Nicht nur, weil er aus demselben Dorf stammt wie ich. Es war unbezahlbar, dass mein grosses Idol greifbar war und kein internationaler Star, der bloss als Poster an der Wand hing. Was ich als kleiner Junge erleben durfte, war gigantisch.
Ich durfte bei einem Freundschaftsspiel mit Burgener in die Kabine, durfte zusammen mit der Mannschaft essen. Entsprechend unterstützte ich in der Schweiz jeweils den Verein, für den Burgener gerade spielte. Ob dies nun Lausanne oder Servette war.
Sie haben auch unzählige internationale Stars kennenlernen dürfen. Gab es jemanden, der Sie durch seine Aura und sein Charisma besonders beeindruckt hat?
Ich durfte 2007 und 2008 die FIFA-Gala moderieren. Ich stand mit Stars wie Messi, Ronaldo, Iniesta, Xavi und Kaká auf der Bühne. Auch Pelé war anwesend. Es ist klar: Die werden sich nicht mehr an mich erinnern. Für mich hingegen war es ein unglaubliches Erlebnis. Jedoch haben die genannten Spieler mich in erster Linie durch ihre Leistungen beeindruckt, weniger als Charaktere.
Es gibt allerdings einen Sportler, der mich in jeder Hinsicht fasziniert: Roger Federer, ich kenne ihn mittlerweile sehr gut. Er besitzt die Qualität, seinem Gegenüber das Gefühl zu geben, in diesem Moment sein wichtigster «Partner» zu sein – ob dies nun ein Autogrammjäger, ein Medienschaffender oder ein Staatspräsident ist.
Sein Respekt und sein Interesse am Gegenüber sind Qualitäten, die nicht viele Menschen mit diesem Bekanntheitsgrad mitbringen. Natürlich sind mir auch viele Begegnungen mit Menschen abseits des Rampenlichts in Erinnerung geblieben.
Gibt es eine Persönlichkeit, mit der es bislang noch zu keinem Treffen gekommen ist, die Sie jedoch gerne einmal kennenlernen würden?
Nein, allerdings hätte ich als Medienschaffender gerne Michael Jordan während seiner Aktivzeit begleitet. Wie der Beste so viel besser sein konnte als der Zweitbeste, war unglaublich. Mein Glück hängt nicht davon ab, ob ich den einen oder anderen Star treffe.
Ich habe zuhause auch nicht die Wände mit Fotos von getroffenen Stars tapeziert und mittlerweile meine Sporttrikots weiterverschenkt. Auf der anderen Seite ist es ein riesiges Privileg, meine Leidenschaft als Beruf ausüben zu dürfen.
Ein Beruf, den viele Leute gerne irgendwann von Ihnen übernehmen würden. Was raten Sie jungen Leuten, die in Ihre Fussstapfen treten möchten?
Der Weg, wie ich ihn vor gut 25 Jahren inklusive Abbruch des Studiums gehen konnte, ist heute nicht mehr zielführend. Entsprechend kann ich den Jungen nur empfehlen, was heute erfolgsversprechend ist: Eine Top-Ausbildung absolvieren.
Heutzutage legen die HR-Abteilungen den Fokus als erstes auf die Abschlüsse und Diplome. Ebenso wichtig ist die praktische Erfahrung. Idealerweise startet man seine Medienkarriere bereits bei einer Schülerzeitung oder einem Jugendradio.
2019 haben Sie mit der Moderation des «Donnschtig-Jass» eine neue Herausforderung angenommen. Wie kam dies zustande und inwiefern sind dabei andere Moderationsqualitäten gefragt als bei der Sportmoderation?
Es gab schon in der Vergangenheit Anfragen in diese Richtung, jedoch hat es sich nie ergeben. Als ich überhaupt nicht mehr damit gerechnet habe, kam dann die Anfrage für den «Donnschtig-Jass». Bevor ich zusagen konnte, musste ich zuerst mit meiner Familie diskutieren, was dies bedeuten würde.
So können wir im Sommer nicht über längere Zeit verreisen. Als wir gemeinsam entschieden hatten, die Herausforderung anzunehmen, setzte ich alles daran, das Casting erfolgreich zu bestreiten.
Die Moderation selbst unterscheidet sich nicht grundlegend, auch wenn der Inhalt natürlich völlig anders ist. Dass sie auf mich als möglichen Nachfolger von Roman Kilchsperger gekommen sind, zeigte mir jedoch, dass mein Moderationsstil grundsätzlich geeignet und Authentizität extrem wichtig ist.
Auch wenn es komisch klingen mag: Vor der Kamera sich selbst zu sein, muss man zuerst lernen. Da ich sämtliche Elemente des «Donnschtig-Jass» mag, muss ich zum Glück zu keinem Zeitpunkt eine Rolle spielen.
Wie wichtig war es, den «Donnschtig-Jass» im vergangenen Sommer nicht komplett ausfallen lassen zu müssen? Es wurde improvisiert, statt der Tour durch die Schweiz fand er jeweils im Freilichtmuseum Ballenberg statt.
Sehr wichtig und wir sind auch glücklich darüber, dass es so gut funktionierte – die Konzeptänderung war ja doch auch ein gewisses Risiko. Wir waren ausserdem die erste Sendung Europas, welche wieder Publikum einlud – wenn auch nur in sehr begrenzter Zahl.
Es hat sich zudem früh abgezeichnet, dass die Tour durch die Schweiz auch in diesem Jahr noch nicht machbar sein würde. Im kommenden Sommer werden wir auf dem Kundelfingerhof in Schlatt sein.
Sie sind nicht nur für Ihre Moderationsqualitäten bekannt, sondern auch für Ihr modisches Auftreten.
Dies begann bereits vor meiner Tätigkeit beim Fernsehen. In einem Modegeschäft in Brig kaufte ich bereits mit knapp 20 Jahren heruntergesetzte grüne Hosen. Als ich zum Fernsehen kam, realisierte ich, wie hilfreich ein persönliches Markenzeichen sein kann. Mein Modestil kam zu meinen natürlichen Kennzeichen, dem Oberwalliser Dialekt und meinem Vornamen Rainer Maria.
Gab es Outfits, die Sie aus heutiger Sicht bereuen?
Ich trug einst Outfits, die aus heutiger Sicht zu bunt waren, zur damaligen Zeit jedoch gepasst haben. Es gab auch einzelne Fauxpas, spontan erinnere ich mich an einen weissen Anzug, als ich die Sports Awards moderierte – der war ein Griff ins Klo (lacht). Ich kann aber auf jeden Fall zu meinen Outfits stehen und die Modeaffinität wird auch bleiben, sie ist ein Teil von mir.
Sie sind enorm beliebt, haben ein Saubermann-Image. Kann dies auch zum Nachteil gereichen, wenn man sich zu einer Thematik gerne pointiert äussern möchte, jedoch damit viele Leute vor den Kopf stossen würde?
Nein. Ich habe keine Drogen- oder Alkoholprobleme, bin seit über 20 Jahren mit meiner Frau verheiratet – was das anbelangt, führe ich ein «langweiliges» Leben. Ich definiere mich jedoch auch nicht als besondere Person, bin ein normaler Typ mit einem besonderen Beruf. Meine Tätigkeit macht mich zu dem, was die Allgemeinheit in mir sieht.
Es ist wichtig, die Sein- und Scheinwelt nicht durcheinanderzubringen. Ich äussere mich öffentlich auch nicht zu politischen Angelegenheiten – was nicht heisst, dass ich keine politische Person bin. Allerdings darf ich aufgrund der publizistischen Leitlinien meines Arbeitgebers keine Stellung nehmen zu politischen Themen oder mich für eine politische Kampagne engagieren.
Ausserdem glaube ich nicht, dass die Bevölkerung dadurch einen Mehrwert erfährt, wenn sie weiss, welchen Standpunkt ich zu einem politischen Thema vertrete. Geht es hingegen um einen Aspekt aus meinem Gebiet, tue ich meine Meinung dazu durchaus kund.
Auf der anderen Seite geben Sie relativ viel Ihres Privatlebens preis. Wo ziehen Sie für sich die Grenze, bei der Sie sagen, dies geht die Öffentlichkeit nichts an?
Diese Grenze hat sich mit der Zeit verschoben. Wenn man frisch ins Rampenlicht tritt, kann man manche Dinge noch nicht einordnen. Deswegen sollte man beispielsweise mit dem Verurteilen bei Social-Media-Fauxpas von jungen Sportlern auch immer vorsichtig sein. So liess ich mich zu Beginn meiner Karriere auch zuhause fotografieren – dies würde es heute nicht mehr geben.
Allerdings bin ich Teil der Medienbranche, alleine darum kann ich mich nicht sämtlichen Anfragen widersetzen. Als ich zum SRF kam, war mir auch bewusst, dass ich zu einer Person avancieren kann, die man auf der Strasse erkennt.
Sie sind seit bald 27 Jahren beim SRF. Hat es Sie bislang nie gereizt, irgendwo anders Spuren zu hinterlassen?
Es gab immer wieder Angebote. Die Kombination aus Inhalt, Spass und Leidenschaft war jedoch nirgends so passend wie in meinem aktuellen Job. Ausserdem habe ich immer Zeit für meine Familie gehabt – für mich ein wichtiges Kriterium. Ganz zu Beginn meiner SRF-Karriere stand ich kurz davor, ins Wallis zurückzukehren.
Auf der einen Seite, weil für mich damals in der Sportabteilung etwas nicht stimmte und andererseits wurde ich von Heimweh geplagt. Dieses überwand ich jedoch relativ schnell. Klar ist: Auch bei mir ging es nicht nur nach oben. So war mein grosser Traum, Fussballkommentator zu werden.
Dass mein damaliger Chef mich absetzte, war für mich anfänglich eine Katastrophe. Dieser Schlag führte jedoch dazu, dass ich ein anderes Ziel mit noch grösserer Vehemenz verfolgte, versuchte, die Enttäuschung in positive Energie umzuwandeln und als Moderator vorwärtszukommen.
Die Leidenschaft fürs Moderieren haben Sie an Ihre Tochter Cloé (19) weitergegeben, die bereits in Ihre Fussstapfen tritt. Hat es sich trotz Coronapandemie bereits ergeben, dass Sie beiden gemeinsam auf der Bühne moderieren durften?
Zwei- oder dreimal hatten wir dieses Privileg tatsächlich schon. Es zeigte sich schon früh, dass sie das Moderationsgen in sich trägt, als sie mit 16 Jahren damit einverstanden war, einen Anlass vor rund 800 Personen mit mir zu moderieren. Im Moment geniesst für sie jedoch die Ausbildung an der ZHAW Priorität. Interessanterweise wird sie öfter für Einzel-Moderationen angefragt als im Doppelpack mit mir (lacht).
Auch Sport, aber diese Mal Eishockey: Hier findest du unser Interview mit Nati-Trainer Patrick Fischer.