Patrick Fischer gehörte als Eishockeyspieler zu den Grossen seiner Zunft. Zwei Schweizer Meistertitel, 183 Länderspiele und 27 NHL-Partien stehen in seinem Palmarès. Seit 2015 ist er Schweizer Nationaltrainer. Aktuell keine einfache Situation, bei der Vorbereitung für die WM im Mai ist Improvisation gefragt. Gleichzeitig geniesst es der Zuger, die freien Stunden im Kreise seiner Familie zu verbringen.
Der Schweizer Nationaltrainer Patrick Fischer (45) stand in den letzten Wochen im Fokus, ohne dass seine Equipe im Einsatz gestanden hätte. So musste der Schweizer Eishockeyverband widerwillig die geplanten Länderspiele vom 10. und 11. Februar in Füssen gegen Deutschland absagen. Es wäre das erste Mal seit einem Jahr gewesen, dass Fischer seinen Mannen auf dem Eis in Aktion hätte erleben können.
Stattdessen wird die Nationalmannschaft nur mit einer kurzfristigen Vorbereitung an die WM nach Riga reisen. Zumal die National-League-Playoffs erst kurz vorher zu Ende gehen werden – sofern es die Coronasituation denn zulässt, die Saison regulär zu Ende zu spielen. Die Schweiz wird am 22. Mai gegen Tschechien in die Weltmeisterschaft starten.
Vereinsbosse ziehen Fischers Zorn auf sich
Obwohl er mit der Nationalmannschaft momentan zur Untätigkeit verdammt ist, war der Zuger zuletzt gefordert. So brachte er medial deutlich seinen Unmut darüber zum Ausdruck, dass in der National League ab der Saison 2022/23 das Ausländerkontingent von vier auf sieben erhöht wird, beschlossen von den Klubvertretern im Rahmen einer Verwaltungsratssitzung der National League AG (Stand: 26. Februar).
Dies gegen den Willen von Fans, Spieler, Sponsoren – und des Verbands. Fischer machte seinem Ärger über den Entscheid Luft. Er nannte es «ein schlimmes Zeichen für die jungen Spieler» und «einen traurigen Tag».
Im Juni zum zweiten Mal Papa geworden
Auch zuhause in Sulz nahe dem Baldeggersee ist Fischer gefordert. Denn er ist Vater einer acht Monate alten Tochter. Seine Frau Mädy und Fischer entschieden sich für eine Lotusgeburt. Dabei wird die Nabelschnur nach der Geburt nicht abgetrennt.
Das Neugeborene bleibt mit der Plazenta verbunden, bis die Nabelschnur auf natürliche Weise abfällt. Dadurch soll das Kind entspannter und gesünder sein, das Durchschneiden der Nabelschnur sei ein erstes Trauma für das Neugeborene. Fischer sagt, diese spirituelle Erfahrung sei für Mädy und ihn wichtig und richtig gewesen.
Auch sonst ist Fischer spirituell angehaucht, sagt Sätze wie «ich denke heute viel mehr in Energien» oder «alles ist verbunden, alles kann man mit Energie kreieren». Nachdem er seine aktive Karriere 2009 beendet hatte, reiste er auf der Suche nach sich selbst um die Welt und lebte eine Zeit lang mit Shipibo-Indianern im peruanischen Amazonasgebiet.
Wir wollten von ihm wissen, wie er sein Nationalteam unter den beschriebenen schwierigen Bedingungen auf die WM vorbereiten will, wie er die Bedeutung des Spitzensport-Zentrums OYM in Cham einschätzt und wo er in Zug am liebsten Freunde trifft.
Herr Fischer, wenn man schaut, mit welchen Themen Sie sich aktuell auseinandersetzen müssen, könnte man denken, es sei zumindest beruflich keine einfache Zeit für Sie: Einerseits der für Mitte Februar abgesagte Nationalmannschaftszusammenzug, andererseits die kürzlich beschlossene Erhöhung des Ausländerkontingents. Empfinden Sie die aktuellen Tage und Wochen als mental anstrengend oder gibt Ihnen die Familie die Kraft, dass man diese Dinge auch einzuordnen weiss?
Ich kann Berufliches und Privates grundsätzlich sehr gut trennen. Die Familie dient mir als Ruhepol und gibt mir in der Tat sehr viel Kraft. Auf der anderen Seite beschäftigen mich die erwähnten Themen natürlich schon. Die Zukunft des Schweizer Eishockeys liegt mir sehr am Herzen. Ich hoffe, wir schlagen einen guten Weg ein.
Wie stehen Sie zum Nationalmannschaftszusammenzug, den der Verband schweren Herzens absagen musste, um den Meisterschaftsbetrieb möglichst nicht zu gefährden?
Es war sicherlich der richtige Entscheid. Aber es ist klar, dass ich meine Spieler vermisse und darauf brenne, mit ihnen auf dem Eis zu stehen und mich mit ihnen auf die WM vorbereiten zu können.
Die Playoffs werden voraussichtlich erst gegen Ende April zu Ende gehen, danach gilt es, sich mit Testspielen auf die WM vorzubereiten. Ist es überhaupt möglich, mit einer derart kurzen Vorbereitungszeit bei der WM das Maximum herauszuholen? Sie haben Ihr Team schon lange nicht mehr auf dem Eis erlebt. Zudem ist der National-League-Spielplan mit dem verspäteten Saisonstart und den Quarantänefällen einiger Teams noch gedrängter und die Spieler werden praktisch null Erholung zwischen Playoffs und WM haben.
Es ist richtig, dass auf die Spieler eine geballtes Programm zukommen könnte. Was hingegen die Nationalmannschaft anbelangt, lechzen meine Jungs nach Spielen, hatten zuletzt wenig Rhythmus. Ich habe absolut keine Zweifel, dass sie an der WM hungrig sein werden.
Der Job als Nationaltrainer ist unterschiedlich intensiv. Es gibt Fixtermine wie die WM im Frühling oder die U20-WM im Dezember. Dazwischen haben Sie auch ruhigere Wochen. Liegen Ihnen diese unterschiedlichen Phasen punkto Intensität?
Ja, das ist tatsächlich so. Ich mag es nicht, wenn es im immergleichen Rhythmus vorwärtsgeht. Da fühlt man sich gewissermassen in einem Trott gefangen. In den letzten Wochen war das Programm recht juniorenlastig. Nach der U20-WM arbeiteten wir zuletzt mit der U18- und der U19-Nati im OYM in Cham.
Wie nutzen Sie Ihre freie Zeit während des normalen Meisterschaftsbetriebs? Oder gar in der Off-Season?
Im Sommer nutzten wir die Zeit für einen intensiven Vorbereitungsblock. Ich war und bin zudem öfters zuhause, was ich sehr schätze, da ich so viel Zeit mit meiner Tochter Oceania verbringen kann. Daneben schaue ich natürlich viele Spiele im TV, sowohl was die National League als auch die NHL anbelangt. Langweilig wird mir jedenfalls nicht.
Wie oft sind Sie aktuell in den Schweizer Hockeystadien anzutreffen?
Von November bis Februar war es schwierig, da ich wirklich Risiken vermeiden musste, mich mit dem Coronavirus anzustecken. Dies aufgrund des November- und Februar-Breaks. Da verfolgte ich die Spiele eher von zuhause aus. Nun aber werde ich wieder öfter auf Live-Spiele setzen.
Sie haben zuvor das Spitzensport-Zentrum OYM in Cham angesprochen. Dieses wird für das Schweizer Eishockey und die Nationalmannschaft künftig noch von grosser Bedeutung sein. Wie stufen Sie die Bedeutung des OYM ein? Kann es zu einem Zentrum avancieren, welches über die Landesgrenzen hinaus Vorbildcharakter hat?
Absolut. Es ist ein Riesengeschenk für das Schweizer Hockey. Um nur ein Beispiel zu nennen: Wir konnten für das erwähnte Training mit den Juniorenauswahlen das kleine Eisfeld benutzen. Früher mussten wir dafür nach Tschechien fahren.
Es ist ein Schritt in die Zukunft, dessen Dimensionen noch gar nicht abschätzbar sind – natürlich nicht nur für das Hockey. Die Professionalität ist unglaublich und erstreckt sich über verschiedene Bereiche: Infrastruktur, Ernährung, medizinische Betreuung.
Wenn wir schon im Kanton Zug sind. Sie sind in Zug geboren und aufgewachsen, wohnen mittlerweile jedoch im Seetal. Wie oft sind Sie noch in Zug anzutreffen?
Oft. Meine Eltern, Freunde und Geschwister wohnen alle in Zug. Ausserdem bin ich Mitglied des Tennisclubs Allmend in Zug. Wenn ich es mit den anderen Städten wie Zürich oder Luzern vergleiche, bin ich definitiv am häufigsten in Zug unterwegs.
Wenn die Cafés, Bars und Restaurants wieder öffnen – wo trifft man Sie in Zug am häufigsten an?
Zum Beispiel in der Badibar am See, im Café Glücklich oder auch im Starbucks. Was Restaurants anbelangt, gehe ich sehr gerne ins Restaurant Schiff, ich kenne auch Erich Barth gut. Ich bin zudem ein grosser Sushi-Fan, weswegen ich gerne mal ins Negishi gehe.
Zur Person In Zug geboren und aufgewachsen, wurde Patrick Fischer schon früh mit dem Hockeyvirus infiziert. Er schaffte beim EV Zug den Sprung in die Nationalliga A und in die Nationalmannschaft (total 183 Länderspiele). Seinen ersten Meistertitel feierte er 1999 jedoch mit dem HC Lugano, 2002 durfte er als Captain des HC Davos den Meisterkübel in die Höhe stemmen. Später folgte die Rückkehr zum EV Zug und dazwischen Abstecher in die NHL (Phoenix Coyotes) und die KHL (SKA St. Petersburg). 2009 hing er die Schlittschuhe an den berühmten Nagel. Anschliessend stieg er beim HC Lugano ins Trainergeschäft ein. Bevor er 2013 die Bianconeri als Chefcoach übernahm, war er als Assistent mit dabei, als Sean Simpson die Schweizer Nationalmannschaft im selben Jahr zu WM-Silber führte. Als Cheftrainer im Südtessin war ihm weniger Erfolg beschieden, im Oktober 2015 folgte die Entlassung. Nur zwei Monate später wurde er zum Schweizer Nationaltrainer ernannt. Seither folgten Hochs (WM-Silber 2018) wie Tiefs (Rang 11 an der WM 2016). Beim EV Zug ist Fischer eine Klubikone, seine Rückennummer 21 wird nicht mehr vergeben. Er lebt mit seiner Frau Mädy und seiner Tochter (8 Monate) in Sulz LU. Sein Sohn Kimi (19) aus erster Ehe lebt mit seiner Ex-Frau im Tessin.
Ein Interview mit einer weiteren Schlüsselfigur der Eishockey-Nati findest du hier.