Ist das Inkassowesen eine Welt voller zwielichtiger und unseriöser Gestalten? Viele Menschen würden auf diese Frage mit Kopfnicken reagieren.
Dass es definitiv auch anders geht, zeigt Inkassoexperte Milan Milic, der bereits seit vielen Jahren beruflich im Kanton Zug unterwegs ist. Wir haben den 41-Jährigen zum Gespräch getroffen, wollten mehr über diese weitgehend unbekannte Welt erfahren.
Milan Milic
Fällt der Begriff Inkasso, ziehen bei den meisten Leuten umgehend dunkle Wolken am Gedankenhorizont auf. Die vorherrschenden Konnotationen sind negativer Natur: Unbezahlte Rechnungen, Mahnungen, finanzielle Engpässe.
Der wenig schmeichelhafte Ruf ist verständlich – niemand wird gerne an ausstehende Zahlungen erinnert. Was dabei oftmals vergessen geht, ist die zweite Seite der Medaille. Inkassobüros stehen nicht nur sprichwörtlich mit dem Lineal in der Hand hinter den Schuldnern. Immer auf den Moment wartend, auf die Finger zu klopfen, sondern sind ein wichtiges Zahnrad unserer Wirtschaft.
Das Rückgrat wird gestützt
Denn durch ihre Arbeit tragen sie ihren Teil dazu bei, die Liquidität ihrer Partner sicherzustellen. Darunter sind zahlreiche KMU, für die es in vielen Fällen mit hohem zeitlichem und organisatorischem Aufwand verbunden ist.
Die finanziellen Forderungen ihren Partnern und Kunden gegenüber durchzusetzen. Und wie pflegen Politiker von links (Ex-SP-Nationalrat Corrado Pardini) bis rechts (SVP-Regierungsrätin Natalie Rickli) zu sagen: «Die KMU bilden das Rückgrat unserer Wirtschaft.»
Entsprechend sollte es im allgemeinen Interesse sein, eine effiziente, saubere und korrekte Welt des Inkassos zu etablieren. Die Welt des Inkassos, heute vermehrt als Forderungsmanagement bezeichnet, befindet sich momentan in einem Transformationsprozess – Digitalisierung und Automatisierung sind hierbei die zentralen Begriffe.
Milan Milic – Experte für digitales Forderungsmanagement
Einer, der sich hierbei einen Namen gemacht hat, ist Milan Milic. Er ist Experte für digitales Forderungsmanagement und ist seit vielen Jahren beruflich im Kanton Zug unterwegs. In den letzten elf Jahren gründete Milan Milic erfolgreich neun Unternehmen und baute einen Kundenstamm von über 11’000 B2B-Kunden mit 250 Mitarbeitern an seiner Seite auf.
Vor allem grosse Unternehmen schätzen ihn als Experten für professionelles Forderungsmanagement. Aus diesem Vertrauen heraus wurden ihm bis 2020 insgesamt 700’000 Inkassofälle mit einem gesamten Forderungsvolumen von über 197 Millionen Franken übertragen.
Auf seine Initiative hin entstand eine auf dem Markt neuartige Software, die sich ideal auf die individuellen Bedürfnisse eines jeden Unternehmens anpassen lässt. Die Software lässt die Forderungen der Kunden deutlich schneller und effizienter eintreiben, was den Unternehmen wiederum Planungssicherheit und Liquidität verschafft.
Heute betreut Milan Milic namhafte Firmen und gehört im Bereich des Forderungsmanagements zu einer der gefragtesten Figuren im deutschsprachigen Raum.
Wir haben den 41-Jährigen zum Gespräch getroffen, wollten erfahren, wie sich die Welt des Inkassos entwickelt, was es braucht, um den Begriff Inkasso aus der Schmuddelecke zu befreien und wie sich die Coronapandemie auf die Zahlungsmoral der Leute auswirkt.
Ftmedien: Herr Milic, Sie sind seit vielen Jahren in der Welt des Inkassos zuhause, betreiben erfolgreich ein Inkassobüro. Ausserdem haben Sie den Branchenguide «Die Welt des Inkasso» publiziert. Der Begriff Inkasso ruft bei den wenigsten Leuten positive Gefühle hervor, nicht nur bei jenen, die in der Vergangenheit mit einem Inkassobüro in Kontakt standen. Worauf führen Sie dies zurück? Spielt dabei auch die Unwissenheit mancher Leute über die effektive Arbeit von Inkassobüros eine Rolle? Viele denken dabei an einschüchternde Typen, die Hausbesuche abstatten.
Milan Milic: Ja, das hat schon was. Sobald man Inkasso erwähnt, folgen gleich Assoziationen mit düsteren Typen mit Glatze und Muskeln. Ich denke, das rührt vom Wort Geldeintreiber her.
Ftmedien: Stattdessen werden durch das Wirken der Inkassobüros deren Partner, sprich die Gläubiger, in ihrer Arbeit entlastet. Die Unternehmen erhalten dadurch Planungssicherheit, ihre Liquidität kann unter Umständen so sichergestellt werden. Wie können Sie als Experte für digitales Forderungsmanagement diesen Aspekt der Inkassoarbeit gegen aussen stärker betonen?
Milan Milic: Die Zusammenarbeit mit einem Inkassounternehmen ist günstiger als die Kosten für qualifiziertes Personal sowie für den Betrieb und Unterhalt der notwendigen Infrastruktur. Durch das Engagement einer Inkassounternehmung kann ein Gläubiger massiv Ressourcen einsparen.
Ftmedien: Wie schädlich sind schwarze Schafe innerhalb der Branche, welche inkorrekt und mit fehlendem Verständnis für die Situation der Schuldner vorgehen?
Milan Milic: Sie sind sehr schädlich und schaden unserem Ruf immens. Vor allem ausländische Inkassobüros aus den Nachbarländern kommen sehr unseriös rüber, weil sie die Mahnschreiben nicht an die Schweiz anpassen und stattdessen deutsche Begriffe und Gesetze ansprechen, die der Schweizer Bürger nicht kennt.
Ftmedien: Wie können Unternehmen erkennen, welche Inkassobüros seriös arbeiten und welche nicht?
Milan Milic: Einige Inkassounternehmungen publizieren auf ihrer Homepage Referenzen. Die andere Möglichkeit sind die Rezensionen im Internet. Diese sind allerdings mit Vorsicht zu betrachten, da sich ein Schuldner natürlich in den seltensten Fällen positiv über ein Inkassounternehmen äussert.
Unternehmen pflegen in der Regel auch einen Austausch untereinander. So kann sich ein Gläubiger bei Mitbewerbern auf dem Markt erkundigen, welche Erfahrungen mit einer Inkassounternehmung gemacht wurden.
Ftmedien: Wie gross ist aus Sicht der Inkassobüros das Risiko, ihr Image zu beschädigen, wenn sie mit Partnern zusammenarbeiten, die unseriös arbeiten und das Inkassobüro wegen nicht gerechtfertigter Forderungen einschalten?
Milan Milic: Das diesbezügliche Risiko ist recht gross. Es besteht die Möglichkeit, dass ein potenzieller neuer Partner sich gegen eine Zusammenarbeit mit unserem Inkassobüro entschliesst, sofern das ramponierte Image bekannt ist.
Eine weitere Gefahr besteht im verwaltungstechnischen sowie im finanziellen Bereich für den Fall, dass eine Anzeige gegen das Inkassobüro eingereicht wird.
Ftmedien: Wie wichtig ist es für die Inkassobüros, den Grat zu finden, auf der einen Seite hart zu bleiben, auf den Forderungen des Gläubigers zu bestehen, und auf der anderen Seite Verständnis zu zeigen, wenn eine Person aktuell tatsächlich nicht zahlungsfähig ist?
Milan Milic: Das Abwägen der richtigen Massnahmen gehört zur Basiserfahrung eines professionell arbeitenden Inkassounternehmens. Einerseits gibt der Gläubiger dem Inkassounternehmen den Auftrag, seine ausstehende Forderung einzutreiben.
Andererseits kann der Schuldner diese Forderung auch nur befriedigen, sofern er aktuell über die finanziellen Mittel dazu verfügt. Wenn die aktuelle finanzielle Situation den sofortigen Ausgleich der Forderung nicht zulässt, besteht die Möglichkeit, mit dem Schuldner eine Teilzahlungsvereinbarung einzugehen.
Sollte sich die finanzielle Situation auf längere Sicht desolat darstellen, ist es ratsam, mit dem Schuldner über eine Lösung per Saldo aller Ansprüche zu verhandeln. Die Mitarbeiter eines professionell arbeitenden Inkassounternehmens werden in der Abwägung der richtigen Vorgehensweise geschult.
Ftmedien: Was sind die gängigsten Ausreden von Schuldnern, mit denen sich Inkassobüros herumschlagen müssen?
Milan Milic: Die Ausreden der Schuldner sind mannigfaltig. Die gängigsten Ausflüchte sind, dass der Schuldner nie eine Rechnung oder die Ware nicht erhalten habe.
Ftmedien: Erleben Sie oft, dass Unternehmen durch falschen Anstand in finanzielle Schieflage geraten, weil sie ihre Geschäftspartner durch eine härtere Gangart nicht vergraulen wollen?
Milan Milic: Dies kommt sicher vor, dürfte aber eher selten der Fall sein. Jedes Unternehmen ist darauf angewiesen, dass seine Debitorenausstände bezahlt werden.
Ftmedien: Die Coronapandemie sorgt für ökonomisch unsichere Zeiten. Manch ein Betrieb dürfte in den nächsten Wochen und Monaten in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Wie kann ein professionelles Inkassobüro hierbei für die Betriebe unterstützend wirken, um allenfalls einem Liquiditätsengpass vorbeugen zu können?
Milan Milic: Hierzu gibt es verschiedene Möglichkeiten. Einerseits durch die Übergabe der offenen Forderung zum Inkasso auf Mandatsbasis. Die Inkassounternehmung wird ihr Möglichstes dazu beitragen, dass eine offene Forderung so schnell wie möglich ausgeglichen wird.
Eine andere Möglichkeit ist die Abtretung einer Forderung, auch Zession genannt. Hierbei handelt es sich um einen Forderungsverkauf zu einem bestimmten Prozentsatz des Ausstandes. So hat der Gläubiger innert kürzester Frist zumindest einen Teil seiner offenen Forderung ausgeglichen.
Ftmedien: Erwarten Sie, dass die Zahlungsmoral mancher Schuldner aufgrund der Coronapandemie und den damit verbundenen Folgen abnehmen wird? Oder beachten Sie diese Tendenz bereits?
Milan Milic: Aufgrund der Coronapandemie sind viele Kunden respektive Schuldner entweder von Kurzarbeit oder gar von Arbeitslosigkeit betroffen. Dass sich dies zwingend auf die Zahlungsmoral auswirkt, ist klar gegeben.
Ftmedien: Sie haben in der Vergangenheit betont, wie wichtig es für Firmen ist, bereits vor der Rechnungslegung ein seriöses Forderungsmanagement zu etablieren. Weshalb?
Milan Milic: Mit praktisch jeder Unternehmensgründung muss die Möglichkeit einkalkuliert werden, dass Debitorenausstände nicht bezahlt werden. Je älter eine Forderung ist, desto schwieriger wird deren Einzug. Darum sollte jeder Unternehmer bereits mit der Geschäftsgründung die Zusammenarbeit mit einer Inkassounternehmung suchen.
Ftmedien: Nicht nur das Forderungsmanagement erfährt einen Digitalisierungsschub, sondern auch mit dem Inkasso direkt oder indirekt verbundene Bereiche wie die Zahlungsart. Wo früher der Gang zum Bancomaten nötig war und das Portemonnaie gezückt werden musste, reicht mittlerweile das Hinhalten der Bankkarte oder es wird via Twint bezahlt. Spüren Sie, dass dadurch die Zahl der Leute, die sich verschulden und so in Zahlungsnot geraten, in den vergangenen Jahren angestiegen ist?
Milan Milic: Selbstverständlich. Der Trend besteht seit Jahren, dass viele Kunden ihre Einkäufe mit der Kreditkarte bezahlen und dadurch zum Teil den Überblick über ihr Budget verlieren. In den letzten Jahren boomt auch der Online-Handel, wobei viele Händler die Bezahlung auf Rechnung anbieten.
Einkäufe mit der Bankkarte oder via Twint sind hier weniger ein Problem, da diese direkt auf dem Konto belastet werden. Ist das Konto nicht mehr gedeckt, sind Kontoüberzüge nur limitiert möglich.
Milan Milic
Experte für digitales Forderungsmanagement