Antoine Konrad ist längst mehr als «nur» DJ Antoine. Vor vier Jahren gründete er die Marke Konrad Lifestyle. In seinem «House of Wine» kann man nicht nur seinen Lifestyle einatmen, sondern die Einrichtung auch gleich erwerben. Im Interview mit FonTimes verrät Konrad, warum sein Reich im Industriegebiet liegt, weshalb Songs manchmal mit Verzögerung durchstarten und aus welchem Grund er kein Interesse an einer Zusammenarbeit mit Capital Bra hat.
Es ist ein sonniger und milder Novembervormittag, als wir Antoine Konrad (45), besser bekannt als DJ Antoine, in seinem «House of Wine» in Biel-Benken treffen. Vor gut einem Jahr eröffnet, dient dieses als Firmensitz, Büro, Location für Partys und Showroom.
Von aussen im Backsteinlook und mit goldenen Lettern beschriftet, ist die Einrichtung üppig, an den Wänden hängen grell-bunte Bilder von Künstlern wie Attila Adorjan und Astrit Dragovoja. Alles hier drin ist käuflich: Weine, Champagner, Bilder, Möbel, Lampen.
Herr Konrad, das «House of Wine» weist beeindruckende Dimensionen auf. Ich nehme an, es war ein langer Weg bis zum Einzug im November 2019?
Es war in der Tat ein langer Prozess, bis ich mich definitiv zum Kauf entschlossen hatte, da ich nicht sicher war, wie ich die nächste Stufe meiner Reise erreichen kann. Vor vier Jahren habe ich Konrad Lifestyle gegründet, als ich den alten Polizeiposten in Oberwil erwarb.
Das alte Haus war wunderschön, doch war ein Wachstum aus Platzgründen irgendwann nicht weiter möglich – es war bis in die letzte Ecke vollgestopft. Entsprechend waren meine weiteren Wünsche und Ideen nicht mehr umsetzbar.
Das jetzige Projekt mit dem «House of Wine» wurde dann an mich herangetragen und ich werweisste jahrelang, ob ich diesen Schritt wagen soll. Immerhin ist es flächenmässig nun rund viermal so gross. Wie man sieht, habe ich mir schlussendlich gesagt «go for it». Im Februar hatten wir den ersten Event, durch den anschliessenden Lockdown war es jedoch ein schwieriger Start.
Was beinhaltet das «House of Wine» alles?
Einerseits ist es unser Memberclub. Die Member können hier ihren Abend verbringen, beispielsweise sich in der Zigarrenlounge eine Zigarre gönnen. Tagsüber ist es ein normaler Showroom. Und: Wir organisieren hier Events und Partys. Der Jahresbeitrag liegt zwischen 2900 und 8900 Franken.
Die 2900 Franken setzen sich wie folgt zusammen: 900 Franken betragen die Membergebühren, 1000 Franken Konsumationsguthaben für einen Wein, Champagner oder auch eine Lampe plus 1000 Franken für Überraschungen im Tresor, den jeder Member hat. Wir wollen kein verstaubter Herren-Memberclub für Reiche sein, sondern für alle, die diesen Lifestyle leben möchten.
Das Gebäude liegt mitten im Industriegebiet. Da sollten zumindest Lärmklagen kein Problem sein.
Es war eine meiner Bedingungen, dass es genau aus diesem Grund in der Industriezone liegen muss. Zudem haben wir beim Bau darauf geachtet, dass die Musik von aussen nicht gut zu hören ist.
Haben Sie je daran gezweifelt, ob das «House of Wine» eine gute Idee war?
Ich habe es bislang definitiv nicht bereut. Wie bei jedem grösseren Projekt stellte ich mir jedoch die Frage, ob dies nun nicht ein Schritt zu gewagt war. Dies war bereits vor 25 Jahren der Fall, als ich mich selbstständig gemacht hatte. Natürlich stellte ich mir gewisse Fragen, als kurz nach der Eröffnung der Lockdown kam.
Dies führte mir wieder einmal vor Augen: Erfolg ist nicht immer planbar und auch nicht endlos. Entsprechend ist es kein Zufall, dass ich meine Geschäftstätigkeiten breiter abgestützt habe. Ich wollte nie einzig vom Auflegen abhängig sein. Dass durch die Coronapandemie diesen Sommer 70 Auftritte ins Wasser gefallen sind, zeigt, dass dies der richtige Weg ist.
Deswegen führen wir auch nicht nur Produkte aus der Spitzengastronomie, sondern auch solche, die für jedermann erschwinglich sind. Ich bin mir bewusst, dass viele Leute das Gefühl haben, ich trinke bereits zum Frühstück Champagner und dusche in Gold. Tatsache ist jedoch, dass 6- bis 80-Jährige meine Musik hören. Deswegen sollen meine Produkte auch für alle sein – unabhängig von Alter und Kaufkraft.
Sind Sie aktuell mehr DJ Antoine oder mehr Antoine Konrad mit Konrad Lifestyle?
Momentan gehen 90 Prozent meiner Arbeitszeit für Konrad Lifestyle drauf. Dies liegt jedoch auch daran, dass mein Studiopartner an Covid-19 erkrankt ist und deswegen nicht einreisen kann. Das Songschreiben via Skype ist definitiv nicht dasselbe.
Man spürt generell ein Motivationsloch bei den Songschreibern – unter den jetzigen Umständen fliesst die Kreativität nicht gleich. Deswegen fokussiere ich mich auf Konrad Lifestyle.
Trotzdem kennen Sie die Leute in erster Linie als DJ Antoine. Sie haben mit «Shout» kürzlich einen neuen Song rausgebracht. Ist das Produzieren von Musik für Sie ein konstanter Prozess, dem Sie sich praktisch täglich widmen oder gibt es auch Phasen, wo Sie wochenlang gar nicht im Studio anzutreffen sind?
Zu Beginn der Coronapandemie wurde ich meiner Leidenschaft entzogen, dem Auftreten als DJ. Ich wollte weiterhin Musik machen, produzierte die Single «Kiss Me Hard». Zudem organisierte ich Livestreams, wie dies viele DJs zu Beginn der Coronapandemie getan haben. Mittlerweile hat dies wieder extrem abgenommen. Im Sommer hatte ich dann immerhin vier Auftritte, anstatt 70 wie eigentlich gebucht.
Wie haben Sie die musikalische Pause genutzt?
Unter anderem führten wir im September die Konrad Art Week durch. Dies trotz Absage der Kunstmesse Art Basel. Der Erfolg war überwältigend: Jeder Abend war ausverkauft. Anschliessend nahm ich mir zum Ziel, im Studio Vollgas zu geben – doch wie erwähnt, fällt mein Studiopartner seit Wochen coronabedingt aus. Nun will ich unbedingt wieder ins Studio zurück. Mir fehlen die Beats und die laute Musik, die Konzerte und die Leute, die unbeschwert zu meiner Musik abgehen.
Dürfen sich die Fans auf weiteres neues Material von Ihnen in den nächsten Wochen freuen?
Ja, in den nächsten Wochen wird der eine oder andere Song kommen. Mein Wunsch wäre auch, nächstes Jahr wieder einmal ein Album zu produzieren.
Zielen Sie beim Produzieren neuer Songs explizit darauf, möglichst einen Hit zu landen?
Zu Beginn der Karriere produziert man spezifisch die Musik, welche einem am nächsten ist. Zur Zeit der Schallplatten legte man jenen Sound auf, der einfach gerockt hat, als guter DJ hatte man die Platte zudem ein halbes Jahr eher. Als die CDs aufkamen, wurde die Beschaffungsschnelligkeit der Musik deutlich erhöht.
Dies machte einen weniger einzigartig. Ich realisierte: Will ich mich als DJ weiter durchsetzen, muss ich auf eigene Musik setzen. Hits kann man nicht immer planen. Als ich 2008 «Ma Chérie» produzierte, war ich sicher: Das wird ein Hit. Weder damals noch als ich 2010 die Alben «2010» und «WOW» rausgebracht habe, glaubte meine Plattenfirma an den Erfolg.
Dies ist einerseits enttäuschend, andererseits auch eine Extramotivation, das Gegenteil zu beweisen. Es frustriert – verständlicherweise – auch viele Künstler: Man muss sich immer selbst motivieren. Die Plattenfirma sagt nie: «Wow, geiles Album». Sie lobt erst, wenn die Verkaufszahlen stimmen.
Keine einfache Situation. Auch, wenn man bedenkt, dass keiner Ihrer grössten Hits «Ma Chérie» und «Welcome to St. Tropez» von Anfang an durch die Decke ging.
Überhaupt nicht. Als ich «Ma Chérie» 2010 in der Schweiz rausgebracht habe, präsentierte ich den Song im Hallenstadion. Die Resonanz war so lala. 2010 kam «Welcome to St. Tropez» raus und im Jahr darauf schlug er ein. «Ma Chérie» ging sogar erst 2012 durch die Decke, als wir in Paris ein neues Video dazu gedreht hatten.
Diese Verzögerungen zeigen das Problem schön auf: Die Plattenfirmen wollen umgehend Erfolg sehen. Stellt sich dieser nicht ein, soll gleich die nächste Single oder das nächste Album folgen. Klar ist: Man muss im Leben im richtigen Moment am richtigen Ort sein, damit man musikalisch gross rauskommen kann.
Wie gesagt: Erfolg ist nicht immer planbar. Dass Luca Hänni bei DSDS beispielsweise mit «Ma Chérie» auftritt, konnte ich nicht ahnen. Dies schraubte die Download- und Streamingzahlen jedoch gleich nochmals in die Höhe.
Hat sich die DJ-Szene seit Anfang der 2010er Jahre verändert?
2010 bis 2014 herrschte in der Szene eine Goldgräberstimmung. Es wurde investiert, die Musik war fröhlich – es gab keinen Platz für schlechte Stimmung. Die Leute gingen in den Ausgang, um einfach Party zu machen.
Anschliessend liess die ausgelassene Stimmung nach und die Musik wurde trauriger. Die Leute begannen, weniger Geld auszugeben und die Klubs klagten entsprechend.
Nun wird die elektronische Musik eher über Minimal-Tech-House definiert, eine deutlich düsterere Musik. Dass David Guetta mit seinem Livestream aus Miami während des Lockdowns ein derart grosses Publikum erreicht hat, zeigt, dass die Leute sich eigentlich nach fröhlicher Musik sehnen.
Zur Person Antoine Konrad (45) wuchs im Basler Stadtteil Bruderholz auf. Er absolvierte eine KV-Lehre, vor 25 Jahren machte er sich selbstständig, führte in Basel seinen eigenen Club. Der internationale Durchbruch als DJ gelang Konrad 2011 mit «Ma Chérie», die an den Verkaufszahlen gemessen erfolgreichste Single eines Schweizer Musikers überhaupt. Konrad sass für die TV-Sendungen «Deutschland sucht den Superstar», «The Voice of Switzerland» und «Die Höhle der Löwen» in der Jury. Der 1.96 Meter Hüne wohnt in Therwil (BL) und hat einen 21-jährigen Sohn.
Sind seit dieser Goldgräberstimmung auch die Gagen wieder gesunken?
Kleinere DJs sind in den letzten Jahren tatsächlich enorm unter Druck geraten, auch solche, die bestimmten Trends gefolgt sind. Zudem haben Festivals als erstes bei DJs gespart, die zwar ein cooles Set mit Remixes präsentieren konnten, sich dadurch jedoch keine eigene Identität erarbeitet haben. Zudem gibt es solche DJs für verhältnismässig wenig Geld. Grosse DJs und jene, die eine bestimmte Nische bedienen, haben ihre Gage behalten.
Was ist mit Ihnen?
Ich selbst bin zwar Mainstream, habe jedoch meinen eigenen Sound. Wenn mich jemand bucht, will er meine Musik und meinen Lifestyle. Deswegen halten wir unsere Gage dem Markt und dem Land angepasst. In Italien, Polen oder der Schweiz beispielsweise hat sich der Preis in den vergangenen zehn Jahren nicht verändert.
In Deutschland hingegen ist der gesamte Markt unter Druck geraten, weswegen wir die Gage im Verhältnis zum Markt anpassen mussten. Die Clubs sind nicht mehr bereit, sehr hohe Gagen zu zahlen. Bestimmte Acts kommen deswegen gar nicht mehr nach Deutschland.
Die Folge einer Übersättigung des Marktes?
Definitiv. Zuerst waren die Clubs. Diese hatten Erfolg. Dann haben die Leute begonnen, Hallen zu mieten und dort Partys zu veranstalten. Dies schmerzte die Clubs. Danach kamen die Raves und die Hallen gerieten unter Druck.
Nun hat auch die Raves dieses Schicksal ereilt, da es zu viele von ihnen gibt. Die jungen Leute können es sich gar nicht leisten, sämtliche Raves zu besuchen. Hinzu kommen die Open-Airs.
Je mehr Festivals, desto höher die Gagen der ganz grossen Acts, da sie die Wahl haben, wo sie auftreten wollen. Dadurch geraten wiederum die Festivals ins Trudeln. Nicht zu vergessen sind die enorm tiefen Flugpreise. Manch einer entscheidet sich so lieber für einen Kurztrip nach London als für ein Festival.
Ihre angesprochenen internationalen Hits liegen mittlerweile einige Jahre zurück. Sind Sie immer noch genau gleich am Puls der Leute wie noch vor acht, neun Jahren?
Ich mache die Musik, welche mir Spass macht. Wichtig ist, sich treu zu bleiben. Entsprechend habe ich auch keine Lust darauf, nun Tech-House zu produzieren, einzig weil es in den Clubs aktuell angesagt ist. Zumal es auf Spotify wiederum nicht so erfolgreich ist.
Klar ist: Man muss seine Fans regelmässig mit neuem Material füttern. Wir sehen jeweils, wie die Streamingzahlen nach oben schnellen nach dem Release eines neuen Songs. Ich sehe es nüchtern, verspüre keinen Druck, einen Superhit zu landen.
Ich hatte in der Vergangenheit genügend Songs, die Gold- und Platinstatus erreicht haben. Zumal es mir nicht an musikalischen Ideen mangelt. Ich muss nicht mit einem momentan absolut angesagten Act wie Capital Bra einen Song produzieren, nur weil es dem Trend entspricht.
Kommt die Frage hinzu, wie man Trend überhaupt definiert.
Richtig. Es gibt beispielsweise Künstler, die in der Hitparade keine Rolle spielen, in den Airplaycharts jedoch ganz oben mitmischen. Offenbar ist die Musik, welche die Leute im Radio hören, nicht jene, die sie kaufen.
Hören Sie manchmal auch Ihre alten Songs wieder?
Vor einigen Wochen hörte ich in den Ferien wieder einmal meine alten Lieder von Ende der 2000er und Anfang der 2010er. Manche hatte ich gar nicht mehr auf dem Radar. Bei einigen dachte ich: Geile Vocals, bei anderen hätte ich mir am liebsten die Haare gerauft, weil der Drop nicht passt. Es ist jedoch nicht so, dass ich ständig «Ma Chérie» oder «Welcome to St. Tropez» hören würde. Das Fundament eines Künstlers bilden ja auch nicht die Hits, sondern die ersten Songs.
Sie sind ein Künstler, der gerne über den musikalischen Tellerrand hinausblickt. Unter anderem haben Sie mit Gölä und Trauffer eine neue Version von «Ma Chérie rausgebracht. Wie war die Zusammenarbeit mit den «Büetzer Buebe», die sowohl musikalisch als auch optisch aus einer ganz anderen Welt zu kommen scheinen?
Beides sind super Typen. Trauffer ist ein genialer Geschäftsmann und Gölä ein authentischer Typ, der sagt, was er denkt. Trauffer ist übrigens auch Member bei uns im «House of Wine». Ich hätte mich wahnsinnig auf den gemeinsamen Auftritt im Letzigrund gefreut und hoffe, er findet nächstes Jahr statt.
Vor Ausbruch der Coronapandemie waren Sie insbesondere den Sommer über auf der ganzen Welt zuhause. Trotzdem scheinen Sie mit Basel nach wie vor eng verbunden zu sein. Was bedeutet Ihnen Basel?
Für mich bedeutet Basel Heimat. Mein Herz war immer hier und ich möchte auch nicht mehr aus der Region Basel wegziehen. Es gibt jedoch auch andere Gegenden, die ich liebe. So besitze ich im Burgund ein Haus und ich würde irgendwann auch gerne eines in Italien erwerben.
Ich reise gerne und liebe es, neue Kulturen und Sprachen kennenzulernen – doch kann ich gut damit leben, dass das Reisen coronabedingt aktuell ziemlich eingeschränkt ist. Wenn ich weniger Kondensstreifen am Himmel sehe, ist dies eigentlich ein erfreuliches Bild.
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