Seit Kindesbeinen an dreht sich vieles im Leben von Pirmin Reichmuth um das Schwingen. Dass die komplette Saison 2020 der Coronapandemie zum Opfer gefallen ist, trägt der Chamer jedoch mit Fassung. Dies gleich aus mehreren Gründen.
Pirmin Reichmuth hatte sich den 30. August 2020 dick in seiner Agenda angestrichen – so, wie alle Spitzenschwinger. An diesem Tag hätte das Saisonhighlight der «Bösen» steigen sollen: Das Eidgenössische Jubiläumsschwingfest (EJSF) in Appenzell. Denn der Eidgenössische Schwingerverband (ESV) wird heuer 125 Jahre alt.
Doch aus dem rauschenden Fest wurde nichts. Die Coronapandemie machte einen dicken Strich durch die Rechnung. Tatsächlich fiel die gesamte Saison Covid-19 zum Opfer. Die Schwingerherzen bluteten, so auch jenes von Reichmuth. Der Chamer gehört zu den besten Schwingern seiner Generation und hätte am EJSF zum engen Favoritenkreis gehört.
Der 25-Jährige hält jedoch nichts davon, damit zu hadern, dass ihm die Chance auf eine erfolgreiche Saison genommen wurde. Stattdessen hat er den Fokus längst auf die nächste Saison gerichtet. Im März beginnt diese mit den ersten Schwingfesten. Bevor Reichmuth wettkampfmässig wieder in die Zwilchhosen steigt, hat er sich Zeit für unsere Fragen genommen.
Herr Reichmuth, die wettkampffreie Zeit dauert nun schon quälend viele Monate an – wie sehr ist das Schwingen aktuell im Kopf noch präsent?
Im Moment wieder sehr, da ich Mitte Oktober das Schwingtraining wieder aufgenommen habe. Ich bereite mich auch mental nun intensiver auf die nächste Saison vor und widme mich der Saisonplanung. Eine Zeit lang konnte ich hingegen tatsächlich Distanz zum Schwingen gewinnen. Dies habe ich sehr genossen.
Wenn Sie sich den provisorischen Schwingkalender für 2021 anschauen. Auf welche Saisonhöhepunkte legen Sie den Fokus?
Die wichtigsten Schwingfeste werden das EJSF am 5. September und der Kilchberger Schwinget am 25. September sein. Ich will jedoch bei sämtlichen Schwingfesten gewinnen, bei denen ich teilnehme. Klappt es bei den kleineren Festen, bin ich auch für die Saisonhöhepunkte gut gerüstet.
Wie sehr fehlt Ihnen die Spannung und Anspannung vor und während einem Kranzfest?
Überhaupt nicht, denn während der Saison dominiert der Stress. Vor einem Kranzfest beginnt es bereits am Donnerstag mit der Anspannung. Diese löst sich erst nach dem Wochenende, wobei am Montag jeweils noch die Nachanalyse ansteht.
Sie vertreten mit dem Athletenrat die Schwinger. Gerade im Frühling waren Sie als Stimme der Athleten gefragt, als es darum ging, ob und wie es eine Schwingsaison geben kann. Wie haben Sie dies erlebt?
Es war ein absolutes Miteinander unter den Schwingern. Wir haben uns in mehreren Zoom-Meetings ausgetauscht. Zudem hat der Verband uns Schwinger vorbildlich miteinbezogen und uns ernst genommen. In diesem Zusammenhang muss ich explizit auch den neuen technischen Leiter des ESV, Stefan Strebel, loben.
Könnte der Schwingsport mit einem begrenzten Zuschauerkontingent mittelfristig überleben?
Wir dürfen uns nicht beklagen, denn der Schwingsport wurde in den letzten Jahren verwöhnt. Finanziell werden wir ausserdem weniger hart getroffen als andere Sportarten, da es bei uns in dem Sinne keine Angestellten und dementsprechend keine Lohnkosten gibt. Es ist absolut möglich, die Schwingfeste in kleinerem Rahmen durchzuführen. Dies bedeutet entsprechend auch weniger Aufwand für die Organisatoren. Klar ist jedoch, dass die Schwingklubs das Budget anders ansetzen müssen.
Sie sind in eine Schwingerfamilie hineingeboren worden, haben schon als kleiner Knopf mit Ihren Brüdern geschwungen, Ihr Vater hat geschwungen. Sie sind mit dem Sport also gross geworden. Wie sehr schmerzt es, dass der Schwingsport aktuell trotz allem in einer solch schwierigen Situation steckt?
Es schmerzt auf jeden Fall. Wir Athleten konnten immerhin weitertrainieren. Deswegen tut es mir für meine Familie und Freunde mehr weh als für mich. Sie sind leidenschaftliche Schwingfans, besuchen im Normalfall jährlich rund 15 Schwingfeste. Das Schwingen war jeweils das Hauptthema am Familientisch. Dies fehlt nun.
Während des Lockdowns stand der Saisonabbruch noch nicht fest. Wie haben Sie sich in dieser Zeit zuhause fit gehalten?
Ich konnte glücklicherweise Geräte und Hanteln von meinem Krafttrainer ausleihen. Da die Möglichkeit für stattfindende Schwingfeste damals noch bestand, trainierte ich normal weiter. Als der Saisonabbruch immer wahrscheinlicher wurde, schlug dies teilweise auf die Motivation.
«Wenn im März die Saison losgeht, beginnt für den Schwingsport fast eine neue Zeitrechnung.»
Haben Sie die Zeit während des Lockdowns auch für Dinge genutzt, für die Sie normalerweise keine Zeit haben?
Dadurch, dass der Abschluss meines Studiums zum Physiotherapeuten ansteht, war ich gut ausgelastet. Unter anderem steht die Bachelorarbeit an. Ich konnte die Zeit also sinnvoll nutzen.
Wie soll es nach Abschluss des Studiums beruflich weitergehen?
Ich freue mich darauf, mich danach ein Jahr lang voll auf das Schwingen und die Arbeit konzentrieren zu können. Anschliessend werde ich wohl eine Weiterbildung in Angriff nehmen. Was die Zukunft sonst noch mit sich bringt, werden wir sehen.
Vor gut einem Jahr ging in Zug das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest (ESAF) über die Bühne. Man erhoffte sich dadurch auch einen Schub für den Schwingsport im Kanton Zug. Was glauben Sie, wie nachhaltig kann das ESAF dem Schwingsport im Kanton effektiv Schwung verleihen?
Ich bin selbst gespannt, jedoch eher skeptisch. Durch den coronabedingten Saisonausfall konnte der Schwung wohl nicht wirklich mitgenommen werden. Wenn im März die Saison losgeht, beginnt für den Schwingsport fast eine neue Zeitrechnung. Dann liegt das ESAF rund eineinhalb Jahre zurück – viel wird davon kaum mehr zu spüren sein.
Was haben Sie für sich persönlich vom ESAF mitgenommen?
In erster Linie positive Emotionen. Ich habe jedoch auch realisieren müssen, wie breit die Spitze ist und dass alles zusammenpassen muss, damit es aufgehen kann. Zudem ist eine gewisse Lockerheit wichtig. Dass ich nach den ersten beiden Gängen am Samstag, als im Prinzip alles schon vorbei war, viel besser geschwungen habe, illustriert dies perfekt. Und: Ohne eine Prise Glück geht es nicht.
Würden Sie im Nachhinein etwas anders machen?
Was die Vorbereitung anbelangt nicht. Bezüglich ESAF selbst: Chillen. Ich machte mir selbst zu viel Druck.
Obwohl Sie mittlerweile in Arth leben, sind Sie immer noch eng mit Cham verbunden. Sie sind hier aufgewachsen und trainieren hier. Wo gehen Sie nach dem Training am liebsten hin, um nach getaner Arbeit etwas zu trinken?
Mir gefällt die Wirtschaft Schiess sehr. Insbesondere im Sommer, wenn man draussen sitzen kann.
Zur Person Pirmin «Piri» Reichmuth (25) ist in Cham aufgewachsen. Der 1.98-Meter-Hüne mit Schuhgrösse 49.5 kam schon als kleiner Junge mit dem Schwingsport in Berührung. Zwei seiner drei Brüder schwingen, auch sein Vater stand im Sägemehl. Reichmuth ist Mitglied des Schwingklubs Cham Ennetsee und hat es in seiner Karriere bereits auf 17 Kranzgewinne, davon 4 Kranzfestsiege, gebracht: Brünig 2019, Zuger Kantonalschwingfest 2019 in Rotkreuz, Urner Kantonalschwingfest 2019 in Bürglen und das Luzerner Kantonalschwingfest 2019 in Willisau. Der gelernte Metzger erlitt in den vergangenen Jahren auch immer wieder gesundheitliche Rückschläge. So riss er sich innerhalb von fünf Jahren dreimal das Kreuzband. Reichmuth absolviert aktuell ein Studium zum Physiotherapeuten an der Thim van der Laan in Landquart. Im Oktober hat er sich mit seiner langjährigen Freundin Marion Betschart verlobt. Die Trauung ist für am 2. Oktober 2021 in der Villa Villette in Cham geplant.
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