Längst ist der Staub vom Image der Pilzvereine weggeblasen. Diese boomen und erhalten insbesondere auch von Jungen Zulauf. Weshalb dies so ist und was die Coronapandemie für Auswirkungen auf die Pilzsaison haben, verrät Chris Weingartner, Co-Präsident des Vereins für Pilzkunde Zug und Umgebung, im Gespräch mit FonTimes.
Es herbstelt in der Schweiz. Und so sicher die Blätter an den Bäumen bunter und weniger werden, streifen auch Menschen mit geflochtenen Körben durch die Wälder. Denn: Die Pilzsaison ist in vollem Gange.
Wir haben uns deswegen mit Chris Weingartner unterhalten. Der 60-Jährige ist seit diesem Jahr Co-Präsident des Vereins für Pilzkunde Zug und Umgebung, seit fünf Jahren ist er Mitglied des Vereins.
Der Unterägerer verrät im Gespräch, wie die Pilzsaison bislang verlaufen ist, ob aufgrund der Coronapandemie mehr Pilzler unterwegs sind und weshalb sein Verein auch auf Junge anziehend wirkt.
Herr Weingartner, wie war das Jahr 2020 aus Sicht der Pilzsammler bislang?
Die Zwischenbilanz fällt mager aus. Dies hat allerdings nichts mit der Coronapandemie zu tun, sondern liegt an den Naturgegebenheiten. Ob es ein gutes Pilzjahr wird oder nicht, ist zyklisch bedingt – selbst die Wissenschaft kann dies noch nicht endgültig begründen, da es beispielsweise auch nicht bloss von der Feuchtigkeit abhängt. Insbesondere die Röhrlinge waren bislang schwach vertreten, etwas anders sieht es zum Beispiel bei den Eierschwämmen aus.
Trotzdem muss ich noch einmal kurz zur Coronapandemie zurückkommen. Aufgrund derer haben mehr Schweizerinnen und Schweizer ihre Sommerferien hierzulande verbracht. Waren deswegen auch mehr Pilzler in den Wäldern unterwegs?
Ja, dies hat man deutlich gemerkt. Allerdings waren aufgrund der bislang mauen Saison viele von ihnen mit leeren Körben unterwegs.
Wobei die Zahl der Pilzsammlerinnen in den vergangenen Jahren generell angestiegen ist, oder?
Das ist definitiv so. Ich glaube, dies ist auch gesellschaftlich zu begründen: Zurück zur Natur lautet das Motto. Hinzu kommen Apps zur Pilzbestimmung.
Sind diese Apps tatsächlich brauchbar?
Längst nicht alle. Zudem können sie keine Sicherheit garantieren, da mit ihnen nur das Aussehen beurteilt werden kann – dies ist jedoch nur ein Indikator bei der Bestimmung. Die Kontrolleure untersuchen ausserdem die Sporenfarbe, den Geschmack sowie den Geruch.
Ihr Verein organisiert jeweils montags im Restaurant Bären in Zug Bestimmungsabende, an denen auch Nicht-Vereinsmitglieder in Kleingruppen Pilzarten bestimmen können. Ist auch da der Zulauf nun grösser?
Ja, die Zahlen steigen. Allerdings werden unsere Angebote generell sehr gut nachgefragt. Unsere Pilzexkursionen sind immer ausgebucht. Es freut uns zudem, dass auch Jugendliche Interesse am Pilzsammeln und unserem Verein haben.
Welches sind die heikelsten Pilze in unseren Breitengraden? Unter anderem ist der grüne Knollenblätterpilz ein Thema, oder?
Ja, im Kanton Zug kommt er vor allem im Unterland wie im Steinhauserwald vor. Der weisse Knollenblätterpilz kann bei Verzehr tödlich sein. Diesen findet man in Zug vor allem in den Bergregionen an. Er ist auch eines unserer Warnbeispiele an den Bestimmungsabenden.
Auch der Satansröhrling ist beispielsweise hochgiftig. Generell geht die Zahl der Vergiftungen jedoch zurück, was unter anderem mit der Aufklärungsarbeit der Vereine zu tun hat. Die Leute sind vorsichtiger geworden.
Während die Stadt Zug im Auftrag des Kantons im Göbli den Raum für die Pilzkontrollstelle zur Verfügung stellt, stellen die Pilzvereine aus Zug und Cham die Kontrolleure. Was schätzen Sie, wie hoch ist der Anteil an Pilzen, die jeweils aussortiert werden müssen?
Rund ein Drittel bis die Hälfte.
«Unsere Pilzexkursionen sind immer ausgebucht»
In Zug gibt es im Gegensatz zu anderen Kantonen bezüglich Schonzeit oder Mengenbegrenzung keine besonderen Bestimmungen. Was halten Sie davon?
Es geht dabei um die Vernunft der Leute. Im Kanton Zug besteht aus unserer Sicht keine Notwendigkeit zu restriktiven Gesetzen, da die Menge der gesammelten Pilze nicht übermässig gross ist.
Die Hauptsaison für die Pilzlerinnen ist zwischen August und Oktober. Wie regelmässig wird ausserhalb dieser drei Monate gepilzelt?
Etwa 80 Prozent der Pilzaktivitäten beschränken sich auf diese Zeit. Aber klar: Pilze gibt es das ganze Jahr. Wir als Verein sind auch das ganze Jahr in den Wäldern unterwegs. Nur sind die Pilze ausserhalb der Saison schwieriger zu finden – doch mit der Zeit bekommt man ein Auge dafür.
Ist das einer der Gründe, weshalb es sich lohnt, einem Pilzverein beizutreten, anstatt jeweils auf eigene Faust durch die Wälder zu streifen?
Ja, nebst vielen anderen Gründen. Man hat Zugang zu guter Fachliteratur, die Möglichkeit zum Austausch mit Experten und der Spassfaktor ist höher, wenn man sich mit der Materie auskennt.
Habt ihr auch verborgene Stellen, die sozusagen Vereinsgeheimnis sind?
Wir geben untereinander auf jeden Fall Ratschläge, besonders an Neumitglieder. Das Gute ist, dass in Zug die meisten Gebiete wie am Gottschalkenberg, im Hürital, Chiemen, Steinhauserwald oder im Horbach gut zugänglich sind.
Wie entwickelt sich die Zahl der Vereinsmitglieder in eurem Verein?
Wir zählen rund 100 Aktiv- und 65 Passivmitglieder. Pro Jahr sind es etwa zehn Neuzugänge, wobei es diesen Sommer mehr waren als üblich. Da wir keine verpflichtenden Veranstaltungen haben, sind wir insbesondere auch für Junge attraktiv. Abgänge haben wir hingegen kaum, viele Mitglieder sind seit Jahrzehnten Teil des Vereins.
Wie haben sich die Tätigkeiten des Zuger Pilzvereins im Laufe der Zeit verändert? Als Laie könnte man denken, bei einem Pilzverein ändert sich eh nie was.
Das stimmt so nicht ganz. Wir setzen heute vermehrt auf Öffentlichkeitsarbeit. Dies ist aus unserer Tätigkeit bei der Pilzkontrollstelle heraus entstanden. Generell ist der Verein heute offener.
Fakten zum Verein Der Verein für Pilzkunde Zug wurde am 24. Oktober 1936 gegründet. Im ersten Vereinsjahr zählte er 29 Mitglieder. Auf dem Zugerberg oberhalb der Waldschule Horbach betreibt der Verein eine Vereinshütte. Sie wurde 1967 aufgestellt und dient seither dem Verein vor allem für gesellige Anlässe. Neben der Hütte werden den Vereinsmitgliedern Bestimmungsabende, Vorträge, Lehr-Exkursionen, Kurse, eine Bibliothek und Mikroskope sowie Ausflüge und Veranstaltungen angeboten. Das öffentliche Pilzrisotto-Essen und die Pilzausstellung am Bettag auf dem Zugerberg findet dieses Jahr aufgrund der aktuellen Entwicklungen rund um das Coronavirus nicht statt.
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