Die Sonderausstellung im Museum für Urgeschichte(n) zeigt das Thema «Gesundheit! 7000 Jahre Heilkunst». Diese gibt Einblick in die Lebensweise unserer Ahnen und Urahnen. Die Ausstellung dauert noch bis am 6. September 2020.
Im Interview spricht die wissenschaftliche Mitarbeiterin, Dorothea Hintermann über Vermittlung und Wissen.
Derzeit steht eine besonders interessante Sonderausstellung über «7000 Jahre Heilkunst» im Zentrum. Was erfahren wir?
Unsere Sonderausstellung «Gesundheit! 7000 Jahre Heilkunst» hat in den letzten Monaten ungeahnte Aktualität erfahren. Selbst ich schaue sie heute mit anderen Augen an als noch bei der Eröffnung im vergangenen November. Einer Krankheit gegenüberzustehen, gegen die es weder Impfung noch Heilmittel gibt, ist für uns eine neue Erfahrung.
In Ur- und frühgeschichtlicher Zeit und noch bis vor kurzem war dies hingegen Alltag. Die Sonderausstellung zeigt anhand von Fundstücken aus der Zentralschweiz auf, was archäologische Quellen über Krankheiten und ihre Heilmittel aussagen.
Sie deckt den Zeitraum von der Jungsteinzeit bis in die beginnende Neuzeit ab und präsentiert spannende Fakten und Fundstücke vom steinzeitlichen Wurmmittel über die hoch entwickelte römische Medizin bis hin zum medizinischen Einsatz von Tabak und Kirsch.
Archäologische Funde geben Nachweise darauf, was die Pfahlbauer ansäten und assen. Geben die Funde auch Hinweise auf Krankheiten?
Über den Gesundheitszustand der Menschen geben uns die Knochen des menschlichen Skeletts sehr direkt Auskunft. Viele Krankheiten und Verletzungen hinterlassen Spuren an den Knochen.
Fachleute der Anthropologie können daraus ablesen, ob jemand beispielsweise an Arthrose litt oder mangelernährt war. Ebenso sieht man einer Verletzung an, ob sie wieder verheilte und wie lange der Patient sie überlebte.
Weitergehende Aussagen erlauben neuerdings Forschungen am Erbgut sowohl von Menschen als auch von Krankheitserregern. Solche Untersuchungen sind allerdings noch sehr kostspielig und werden nicht standardmässig durchgeführt, daher sind sie in der Ausstellung kein Thema. Direkte Hinweise auf die Anwendung von pflanzlichen Heilmitteln erhalten sich nur in äusserst seltenen Fällen.
Eine dieser Ausnahmen ist in der Ausstellung zu sehen: Ein menschliches Stück Kot aus einer jungsteinzeitlichen Pfahlbausiedlung in Arbon am Bodensee, das gleichzeitig Wurmeier und den Nachweis eines Wurmmittels, nämlich Sporen des Wurmfarns, enthält. In aller Regel können wir die Pflanzen nur nachweisen und anhand späterer Anwendung vermuten, dass sie bereits in prähistorischer Zeit als Heilmittel dienten.
Was sollten wir über die Heilkunst der Urgeschichte wissen?
Da schriftliche Quellen aus der Urgeschichte fehlen, ist unser Wissen sehr bruchstückhaft. Die wenigen Einblicke, die wir aus archäologischen Fundstücken erhalten, zeigen jedoch auf, wie erstaunlich entwickelt die medizinischen Kenntnisse damals bereits waren.
So wurden bereits vor 6’000 und mehr Jahren mit einfachsten Mitteln erfolgreich Schädeloperationen durchgeführt. Zahlreiche Beispiele aus dem jungsteinzeitlichen Europa belegen, dass die Patientinnen oder Patienten die operative Öffnung der Schädeldecke häufig überlebten.
Man verstand es offensichtlich, grosse Schmerzen zu lindern und Infektionen zu bekämpfen. Was wir aus der prähistorischen Zeit präsentieren können, ist also wohl nur die Spitze des Eisbergs. Konkreter wird es dann ab der römischen Zeit, wenn auch Schriftquellen hinzukommen.
Und der Bezug zu Zug?
«Gesundheit!» wurde von der Kantonsarchäologie Luzern entwickelt und vom Schloss Heidegg um interaktive Stationen ergänzt. Für die Präsentation im Museum für Urgeschichte(n) ist sie nun nochmals beträchtlich mit Zuger Funden erweitert worden.
Die interaktiven Stationen zum Riechen, Tasten und Beobachten machen die Ausstellung zu einem sinnlichen Erlebnis, das auch Familien und Kinder anspricht. Vorübergehend sind sie leider geschlossen.
Was bedeutet ein Museum für Sie in der heutigen Zeit?
Museen ermöglichen es, neue Welten zu entdecken. Immer wieder staunen unsere Gäste darüber, wie geschickt die Menschen in der Vergangenheit ihre beschränkten Ressourcen nutzten und über welch umfangreichen Kenntnisse ihrer Umgebung sie verfügten.
Unsere Vermittlung ist sehr erlebnisorientiert und bietet einen sinnlichen Zugang. Mitmachen und das Ausprobieren urgeschichtlicher Techniken stehen im Zentrum.
Selbst einen steinzeitlichen Bohrer auszuprobieren oder ein römisches Rezept nachzukochen hinterlässt einen ungleich nachhaltigeren Eindruck als nur darüber zu lesen.
Was bedeutet das (n) im Namen Museum für Urgeschichte(n)?
Das (n) im Namen ist bei uns Konzept, seit das Museum 1997 am heutigen Standort wiedereröffnet wurde. Es bezieht sich auf die anschauliche und lebendige Art der Wissensvermittlung: Lebensgrosse Szenen, Modelle und dazu passende Geschichten lassen das Publikum in die Vergangenheit eintauchen.
Heute ist «Storytelling» in aller Munde, vor mehr als 20 Jahren war dieser Zugang hingegen revolutionär. Die Museumsmacherinnen von 1997 waren ihrer Zeit weit voraus. Noch heute erhalten wir vom Publikum begeisterte Rückmeldungen zu unserer Dauerausstellung.
Haben Sie einen Wunsch?
In Anlehnung zum Thema der Sonderausstellung wünsche ich allen Leserinnen und Lesern eine gute Gesundheit!