Um Arbeitslosigkeit speziell während der anspruchsvollen Coronavirus-Krise zu verhindern und Arbeitsplätze zu erhalten, nutzten viele Arbeitgeber die Möglichkeit der Kurzarbeitsentschädigung. Im März 2020 sind beim Amt für Wirtschaft und Arbeit in Zug über 4 000 Gesuche eingegangen.
Dennoch haben zahlreiche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Stelle verloren. Im Interview spricht Bernhard Neidhart, Leiter Amt für Wirtschaft und Arbeit von diesem Ausnahmezustand.
Interview mit Bernhard Neidhart, Leiter Amt für Wirtschaft und Arbeit Kanton Zug
Bernhard Neidhart, mit der Corona-Krise hat sich die arbeitsmarktliche Situation sozusagen über Nacht radikal verändert. Viele Firmen mussten Kurzarbeit beantragen. Es kam auch zu Entlassungen. Wurden Sie mit Anträgen für Kurzarbeit überrannt?
Seit dem 17. März sind wir einem Tsunami gleich mit Anträgen überschwemmt worden. Wir hatten seither rund 5’200 Anträge (Stand Mitte April) zu bearbeiten, wovon rund 4’500 bewilligt werden konnten. Im Vergleich dazu hatten wir im ganzen Vorjahr rund ein Dutzend Kurzarbeitsgesuche zu bewilligen.
Welche Branchen sind besonders betroffen?
In der Vergangenheit wurde Kurzarbeit vor allem von der produzierenden Industrie beantragt. Der Lockdown, den der Bundesrat verordnen musste, um die Infrastruktur unseres Spitalwesens nicht zu überfordern und so keine vermeidbaren Todesfälle in Kauf nehmen zu müssen, hat die ganze Breite der Wirtschaft ergriffen.
Es gibt kaum eine Branche, die nicht zumindest teilweise betroffen ist. Es mag auf den ersten Blick absurd anmuten, aber gar medizinische Einrichtungen bis hin zu Hausarztpraxen mussten Kurzarbeit beantragen, um die nötigen freien Kapazitäten freizuhalten.
Was bedeutet diese ausserordentliche Situation für den Kanton Zug?
Wie für alle Standorte und Entscheidungsgremien gilt es, den schmalen Grat zwischen gesundheitspolitischer Notwendigkeit zum Schutz von infizierten Personen mit intensivmedizinischem Bedarf und dem volkswirtschaftlichen sowie gesellschaftlichen Schadenspotenzial zu finden und gemeinsam ohne Zaudern zu gehen.
Im international vernetzten Wirtschaftsstandort ist die globale Betroffenheit und Verletzlichkeit aufgrund der Reaktionen der ausländischen Personen stärker zu erahnen als anderswo.
Die politischen und wirtschaftlichen Exponentinnen und Exponenten haben im Kanton Zug seit jeher einen intensiven Austausch gepflegt. Diese Basis beweist nun auch in der Corona-Krise ihre Tragfähigkeit.
So sind wir im engen Austausch mit Wirtschaftsverbänden und den Unternehmen. Dies hilft, die Stützungsmassnahmen so zu gestalten, dass die essentiellen Bedürfnisse der Wirtschaft, vor allem auch der Kleinst- und Kleinfirmen, gedeckt werden können.
Wie lange dauern die Bewilligungen für Kurzarbeit und wie schnell kann sich der Arbeitsmarkt erholen?
Im Verlauf der zweiten Märzhälfte hat der Bund die Verordnung so angepasst, dass alle Corona-bedingten Anträge auf Kurzarbeit auf 6 Monate gültig sind. Jene Gesuche, welche noch mit einer Frist von 3 Monaten bewilligt wurden, erhalten automatisch eine neue, um weitere 3 Monate ausgedehnte Verfügung – sofern die Wirtschaftskrise dies noch erfordert.
Die Dauer der Krise und damit auch die Durststrecke auf dem Arbeitsmarkt lässt sich nicht wirklich abschätzen. Grundvoraussetzung ist die Eingrenzung der Infektion. Letztlich wird dies wahrscheinlich erst substanziell gelingen, wenn eine Durchimpfung der Bevölkerung möglich sein wird. Die ganze Gesellschaft braucht nun Disziplin und Durchhaltewillen, damit eine Gesundung der Wirtschaft Schritt für Schritt und nachhaltig geschehen kann.
Was denken Sie, werden sich nach dieser Corona-Krise Veränderungen ergeben, so im Sinne, nichts ist mehr wie es war, dafür mit neuen, innovativen Geschäftsideen?
Wie jede persönliche oder gesellschaftliche Krise birgt auch die Corona-bedingte Krise Innovationen und Chancen. Es gilt natürlich, die negativen Begleiterscheinungen und Missbräuche mit Konsequenz zu bekämpfen.
Gleichzeitig sollen und müssen aus den Erkenntnissen und Innovationen dieser schwierigen Zeit zukunftsweisende Investitionen und Aktivitäten ermöglicht und angestossen werden. Dabei stehen technische Innovationen (Digitalisierung, medizinisch-pharmazeutische Produkte, Prozesse) und Krisenvorsorge im Sinn einer ganzheitlichen Resilienz genauso im Fokus wie politische und soziale Neuerungen.
Welche Empfehlungen oder Wünsche gibt das AWA heraus, um wieder weg von Kurzarbeit in den «Normal-Zustand» zu kommen?
Es gibt keine einfache Rezeptur und keine Abkürzung. Die Wirtschaft und damit auch der Arbeitsmarkt sind so vielgestaltig, dass eine Problemlösung auf Knopfdruck nicht möglich ist.
Wir müssen als Gesellschaft nun konsequent und möglichst geschlossen den oben dargestellten Weg auf dem Grat gehen, so dass uns keine zweite Infektionswelle in den Lockdown zurückzwingt. Meine persönliche Empfehlung: Beginnen wir im Kleinen und konsumieren lokal.
Wir stärken so die regionale Wirtschaft und verhindern in den kommenden Wochen zu grosse Personenströme. Ich bin zuversichtlich, dass wir so gemeinsam und in absehbarer Zeit aus dieser Krise herauskommen werden.
Die Arbeitslosenzahlen zogen im März an
«Es war zu erwarten, dass wegen der Coronakrise allein in der zweiten Märzhälfte die Arbeitslosenrate im Kanton Zug von anfänglich 2.0 Prozent auf 2.3 Prozent per Ende März anstieg», sagt Gianni Bomio, der Präsident des Zuger Vereins für Arbeitsmarktmassnahmen (VAM).
Gemäss Seco waren im März 2’300 Personen arbeitslos, Anfang April stieg die Arbeitslosenzahl auf 2‘612 Personen an, Mitte April waren es schon 2‘750 Personen. Die betroffenen Stellensuchenden haben sich umgehend beim RAV gemeldet. Betroffen waren gemäss Bomio vorwiegend die Berufsbranchen im Detailhandel, Gastrobereich und in Dienstleistungsbetrieben.
Der Verein für Arbeitsmarktmassnahmen (VAM) ist eine privatrechtliche Organisation mit dem Ziel, die Integration von Zuger stellensuchenden Personen in den Arbeitsmarkt vielseitig zu fördern. Der VAM führt im Auftrag des Kantons Zug das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum (RAV).
Durch zielgerichtete Beratung, aktive Vermittlung und Arbeitsmarktprogramme mit integrierter Weiterbildung sollen die Chancen der Stellensuchenden auf dem Arbeitsmarkt verbessert werden.
«Durch diese Durststrecke gehen wir alle hindurch», sagt Bomio. Im Vergleich zum schweizerischen Durchschnitt weise der Kanton Zug eine tiefe Arbeitslosigkeit auf. Bomio spricht von der professionellen Arbeit des RAV Zug.
Bei der Rekrutierung und dem Einsatz von Beratern auf dem RAV Zug zählt Fachkompetenz und Sozialkompetenz. Das VAM pflegt Kontakte mit weiteren Ämtern, um Verdienstmöglichkeiten für Stellensuchende zu prüfen.