Anja Leuenberger wurde als 14-Jährige auf der Strasse als Model entdeckt. Schon bald darauf startete sie in New York durch. Nach zwölf Jahren in der Stadt, die niemals schläft, lebt sie nun wieder in der Schweiz. Eine Umstellung, die ihrem Hund Shadow einfacher fiel als ihr.
Bye-bye New York, hello Switzerland! Nachdem das Schweizer Top-Model Anja Leuenberger seit 2009 im Big Apple gewirkt und gelebt hat, zog die Aargauerin vergangenen November zurück in die Schweiz. Im Interview mit FonTimes verriet die 29-Jährige, wie es ist, nun im europäischen Modelmarkt unterwegs zu sein, woran sie sich in der Schweiz erst wieder gewöhnen musste und für wann sie eine eigene Modekollektion plant.
Anja Leuenberger, Sie erkrankten Mitte April an Corona, hatten einen recht schweren Verlauf. Wie geht es Ihnen heute?
Immer besser und mittlerweile wieder ziemlich gut. Ich kann immerhin wieder knapp eine Stunde Sport am Stück treiben, auch wenn das Lungenvolumen noch nicht wieder bei 100 Prozent ist. Aber die erste Woche war wirklich übel und ich stand kurz davor, ins Spital zu gehen. Ich litt unter Atemnot und hatte Angst, nicht mehr ohne Hilfe in meine Wohnung im 5. Stock zu kommen.
Wie schwierig war es für Sie in dieser Zeit, sich nicht mehr selbst um Ihren Dackel Shadow kümmern zu können?
Das war echt schlimm, als ich ihn zwischenzeitlich abgeben musste. Aber meine Familie hat sich wunderbar um ihn gekümmert und es hat bestimmt auch sein Gutes, dass wir mal etwas getrennt waren – auch wenn er zu Beginn ein bisschen Mühe hatte, als wir wieder vereint waren.
Wie hat sich Shadow grundsätzlich in seiner neuen Heimat Schweiz eingelebt? Vor Ihrem Umzug in die Schweiz im vergangenen November kannte er ja nur das Leben in New York.
Ich würde sagen, er hat sich schneller eingelebt als ich (lacht). In New York war er komplett überstimuliert, denn ist nicht nur der Geräuschpegel konstant hoch, sondern sind auch die Hundeparks jeweils überfüllt. Hier ist alles viel ruhiger und die kurzen Wege in die Natur sind für ihn wie für mich ideal.
Auch die Modelbranche wurde hart von der Pandemie getroffen. Wie sieht bei Ihnen die Auftragslage aktuell aus? Bewegt sie sich schon wieder auf vor-Corona-Niveau?
Noch nicht ganz, doch zieht es wieder immer mehr an. Momentan kommen viele Anfragen rein, die wir nun koordinieren müssen. Dass es im Dezember und Januar eher ruhig war, kam mir freilich entgegen. So konnte ich in der Schweiz wieder richtig ankommen und meine Wohnung in Ruhe einrichten.
Sind Sie seit Ihrer Rückkehr in die Schweiz wieder verstärkt im europäischen Modelmarkt unterwegs?
Ja, was den Vorteil kürzerer Wege mit sich bringt. Ich erhalte jedoch nach wie vor auch Anfragen aus New York.
Gibt es grosse Unterschiede zum amerikanischen Markt?
Die Kunden ticken tatsächlich anders. In Europa geniesst man als Model tendenziell mehr kreative Freiheiten. Ausserdem ist es aufregend für mich, mit neuen Kundinnen zusammenzuarbeiten. In New York wiederholten diese sich mit der Zeit. Entsprechend ähnelten sich auch die Aufträge.
Haben Sie seit Ihrem Umzug irgendwann das Reissen gehabt, wieder zurück nach New York zu ziehen?
Bis jetzt nicht – ich warte immer noch darauf. Coronabedingt war ich ein Jahr und acht Monate am Stück in New York, weswegen ich die Stadt und ihr Ambiente für den Moment gesehen habe. Was mir hingegen fehlt, sind meine Freundinnen von dort. Während ich die vergangenen Jahre mit meinen Schweizer Freunden via Videocalls in Kontakt blieb, ist es nun umgekehrt. Und ich vermisse gewisse Alltagssachen.
Zum Beispiel?
Die Öffnungszeiten. Die Frage der Verfügbarkeit stellte sich gar nie.
An welche Eigenheiten der Schweiz mussten Sie sich erst wieder gewöhnen?
Dass man sich auf der Strasse oder beim Spazieren grüsst. Hier sind die Menschen herzlicher, während in New York alles viel oberflächlicher ist.
Es ist kein Geheimnis, dass Social Media in der Modelwelt eine wichtige Rolle spielen, die Agenturen auch darauf schauen, wie viele Follower jemand hat. Nimmt die Bedeutung dieser Plattformen ab, wenn man einen gewissen Status und eine gewisse Bekanntheit erreicht hat?
Dieser Trend setzte vor rund sieben Jahren ein, dass Agenturen grossen Wert darauf gelegt haben, wie viele Follower jemand hat. Teilweise hat sich dies sogar zum Hauptkriterium entwickelt, wer den Job bekommt. Mittlerweile hat mancherorts wieder ein Gegentrend eingesetzt und es kommt immer häufiger vor, dass Models unabhängige Social-Media-Kooperationen mit Kunden eingehen und so als Influencer tätig sind.
Sie wurden im Alter von 14 Jahren als Model entdeckt. Es hat allerdings Jahre gedauert, bis Sie mit dem Modeln wirklich Geld verdient haben. Teilweise mussten Sie mit 50 Dollar pro Woche auskommen. Was gab Ihnen die Kraft, sich durchzubeissen?
Ich bin ein sturer Kopf und wollte es auch meinen Zweiflern beweisen, dass ich mich durchbeissen kann. Ausserdem war da diese grosse Leidenschaft für den Job, die bis heute anhält.
Hat es Momente in Ihrer Karriere gegeben, als Sie das Gefühl hatten, die Arbeit als Model erfüllt Sie nicht mehr?
Die hat es gegeben. Insbesondere bei Aufträgen, bei denen man nicht so gut behandelt wurde. Ausserdem ist man als Model oft alleine. Gerade in den Anfangszeiten muss man sich entsprechend eine dicke Haut zulegen. Jedoch gibt es wohl in jedem Beruf schwierige Momente und es war nie so, dass ich das Modeln hätte aufgeben wollen. Ich liebe es nach wie vor.
Zur Person Anja Leuenberger (29) wuchs im aargauischen Fislisbach auf, wo sie als 14-Jährige auf der Strasse von einem Modelscout entdeckt wurde. 2008 begann sie in Baden eine Lehre als Kauffrau, doch setzte sie bald voll auf die Karte Modeln. Unter anderem hat die Aargauerin schon für Dolce & Gabbana und Victoria’s Secret gearbeitet. Leuenberger lebte und arbeitete seit 2009 insgesamt 12 Jahre in New York, bevor sie im November 2021 unter anderem wegen der Pandemie zurück in die Schweiz zog. Nun wohnt sie am Stadtrand von Zürich mit ihrem Hund Shadow. Den Dackel übernahm sie 2020 als Welpe von einer älteren Dame, die ihn nicht ideal behandelt hatte. Neben dem Modeln meditiert Anja Leuenberger regelmässig, belegte Kurse als Yoga-Lehrerin und widmet sich verschiedenen Formen der Energiearbeit.
Sie haben Ihr Buchprojekt «The Depths of My Soul» vor rund zwei Jahren abschliessen und veröffentlichen können. Darin verarbeiteten Sie unter anderem, dass Sie als Teenager zweimal vergewaltigt worden sind. Ist dieses Kapitel für Sie grundsätzlich abgeschlossen oder möchten Sie weitere Aufklärungsarbeit leisten, was dieses Thema anbelangt?
Es ist für mich mehr oder weniger abgeschlossen. Man muss sehr stark sein, um sich dafür einen Safe Space zu schaffen. Es war für mich enorm wichtig, das Erlebte zu verarbeiten. Doch genauso wichtig ist, es irgendwann ablegen zu können. Loslassen konnte ich das Geschehene nur, indem ich den Tätern vergab. Dies war alles andere als einfach, doch half mir dabei ein hawaiianisches Vergebungsritual, das sehr kraftvoll ist.
Sie haben für das Buch sehr viel Zuspruch erhalten und Menschen haben sich Ihnen anvertraut, die Ähnliches erlebt haben. Wann sind Sie sich der Plattform bewusst geworden, die Sie haben, die jedoch auch mit Verantwortung verbunden ist? Gerade weil viele junge Mädchen Ihr Tun verfolgen und schauen, was Sie äussern.
Da gab es keinen spezifischen Zeitpunkt. Ich begann irgendwann, mich auf Social Media stärker zu engagieren, führte zum Beispiel Q&As durch und erfuhr auf diese Weise, dass andere ähnliche Erfahrungen gemacht haben. So war die Motivation automatisch da, nicht nur schöne Modelbilder zu posten, die mit der Realität meist wenig zu tun haben, sondern auch ernste Themen anzusprechen.
Entsprang so auch die Idee, mit «Wild Plant Food» auf Instagram eine eigene Plattform zu schaffen, um Interessierten mit Rezepten und Restauranttipps aufzuzeigen, dass eine vegane Ernährung nicht nur für einen selbst und die Umwelt Vorteile mit sich bringt, sondern auch nicht mit enormem Mehraufwand oder mit einem extrem kleinen Angebot verbunden wäre?
Genau. Noch immer denken viele Menschen, sich vegan zu ernähren, sei mit grossen Anstrengungen und Verzichten verbunden. Dabei kann es auch grossen Spass machen. Ich überlege mir sogar, ob ich ein eigenes Kochbuch mit meinen 30 veganen Lieblingsrezepten in Angriff nehmen soll. Auf der anderen Seite muss man sich auch immer bewusst sein, dass veganes Essen nicht automatisch gesund ist – gerade wenn ich an Fertigprodukte denke.
Sie selbst leben seit rund acht Jahren vegan. Wie fällt Ihr Fazit aus, was das vegane Angebot in Zürich anbelangt? Ein Vergleich mit New York wäre dabei wohl etwas fies.
Was das Angebot an veganen Restaurants anbelangt, spielt New York natürlich in einer anderen Liga. Gerade bei nicht explizit veganen Lokalen ist die Menüauswahl hierzulande jeweils recht beschränkt. Ich muss jedoch auch sagen, dass in der Zeit, als ich nicht in der Schweiz war von Januar 2020 bis Herbst 2021, sich in Zürich sehr viel getan hat.
Sie setzen sich ausserdem für Tierschutz ein. Unter anderem unterstützen Sie eine Motion von Nationalrat Matthias Aebischer für ein Importverbot von tierquälerisch hergestellten Pelzprodukten. Ist Tierschutz etwas, was Ihnen schon immer am Herzen lag und Sie bereit waren, sich aktiv für einzusetzen?
Absolut, ich bin schon als Kind im Laden durch die Fischabteilung gerannt, weil ich den Anblick nicht ertragen konnte. Ich habe auch bereits in jungem Alter entschieden, kein Fleisch zu essen und begann, die Fleischproduktion zu hinterfragen. Dies hat sich weiter verstärkt, je mehr Esskulturen ich auf der Welt kennengelernt und je mehr ich mich darüber informiert habe, da ich die Zusammenhänge und Mechanismen so immer besser zu verstehen begann.
Wann haben Sie damit begonnen, die Brands, für die Sie arbeiten, gezielt auszuwählen? Sprich, nur noch von solchen Aufträge annehmen, die ethisch und nachhaltig arbeiten.
Daran kann ich mich noch genau erinnern. Es ist mittlerweile fast acht Jahre her an einem extrem heissen Tag in New York. Ich hatte ohnehin schon keinen guten Tag hinter mir und wir shooteten in einer offenen Garage. Es war alles in einem Raum und man musste an einer Fellfabrik vorbeigehen. Während des Shootings hatte ich immer wieder Fellfetzen in Nase und Mund. Ausserdem stank es nach totem Tier.
Dies war ein Schlüsselerlebnis für mich und im Anschluss teilte ich meiner Agentur mit, dass ich in Zukunft keine Aufträge mehr annehmen würde, die echtes Fell beinhalten. Obwohl jede/r immer seine Ideal vertreten sollte, ist es zugegebenermassen einfacher, seinen Standpunkt zu vertreten, wenn man ein gewisses Standing und mehr Erfahrung hat sowie finanziell nicht mehr auf jeden einzelnen Auftrag angewiesen ist.
Wie modebewusst sind Sie, wenn Sie im Alltag kurz aus dem Haus gehen?
Je nach Lust und Laune. Meine Outfits repräsentieren eigentlich immer, wie ich mich gerade fühle. Grundsätzlich finde ich Mode jedoch etwas Schönes und ziehe mich gerne hübsch an – auch für mich selbst.
Schauen wir zum Abschluss noch etwas voraus. Was stehen für Sie in den nächsten Wochen für Projekte an?
Ich habe unter anderem Anfragen aus New York, Paris und Spanien und muss mit meiner Agentur schauen, für welche Aufträge ich schlussendlich zusagen werde. Ausserdem befinde ich mich im Abschluss, um das «Soma Breath»-Zertifikat als Atemmeditations-Coach zu erwerben. Für diesen Sommer ist geplant, dass ich meine eigene kleine, umweltfreundliche Modekollektion präsentieren kann.
Sie haben 2013 und 2014 auch als Schauspielerin in mehreren Kurzfilmen mitgespielt. Ist auch geplant, dort wieder verstärkt Fuss zu fassen?
Die Schauspielerei gefällt mir tatsächlich sehr. Konkrete Projekte diesbezüglich gibt es jedoch noch keine. Ich muss mit meiner Managerin schauen, was sich da im deutschsprachigen Raum anbieten würde.
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