Die Schweizer Eventbranche erlebt derzeit ihren ersten Frühling nach der Coronapandemie. Doch auch mit vollen Konzertsälen sind vorerst nicht alle Probleme gelöst. Die Nachwehen der Pandemie stellen die Branche vor neue Herausforderungen.
Kaum eine Branche wurde so stark von der Coronapandemie getroffen, wie der Kultur- und Veranstaltungssektor. Die Konzertsäle waren verwaist, Bands blieben zuhause und das Publikum gleich mit ihnen.
Die Aufhebung der Schutzmassnahmen im April fühlt sich zwar endgültiger an als in den vergangenen Jahren, aber sie zeigt vor allem eins: Der Kulturbetrieb lässt sich nicht so einfach wie ein Lichtschalter ein- und ausschalten.
Trotz der unvorhersehbaren Umstände hat «der grösste Teil der Schweizer Kulturlandschaft die Krise bis heute überlebt», sagt die Swiss Music Promoters Association (SMPA). Der Verband rief sogar einen eigenen «Thank You Day» aus, um sich bei allen Beteiligten und vor allem beim Publikum für die gemeinsamen Anstrengungen in den letzten zwei Jahren zu bedanken.
Gleichwohl schwingt die Angst mit, dass die Menge an verschobenen Konzerten und Grossveranstaltungen zu einem Produktionsstau und zu einer Übersättigung des Marktes führt. Dass diese Angst nicht ganz unbegründet ist und die Veranstalterinnen momentan von weiteren Unsicherheiten begleitet werden, bestätigen auch Stimmen aus der Schweizer Eventbranche.
Rückkehr zur Normalität
Stefan Breitenmoser, Geschäftsführer der SMPA, begrüsst die Öffnungsschritte des Bundesrats in diesem Jahr als ersten Schritt in Richtung Normalität für die Eventbranche. Jedoch sei es «noch ein monatelanger Weg, bis sich die Branche wieder erholt und das Besucherverhalten sich wieder auf dem Vor-Pandemie-Niveau einpendelt».
So sieht man etwa beim Theater Casino Zug noch zurückhaltende Buchungen bei Veranstaltungen, die von einem älteren Publikum besucht werden. Wobei der «Kulturzug» insgesamt erst langsam wieder ins Rollen kommt.
Auch bei MAAG Music & Arts sieht man im Theaterbetrieb eine graduelle Rückkehr zur Normalität. Hier seien es vor allem die Firmenevents, welche zum Beispiel einen Theaterbesuch mit einem Abendessen verbinden, die bisher noch schleppend laufen.
Allerdings wurden in diesem Jahr bereits wieder Messen und Unternehmensfeiern durchgeführt und auch die Anfragen dafür nehmen zu. Eine schnelle Rückkehr auf das Niveau von 2019 sei jedoch schwierig, «da die Veranstaltungsbranche zu diesem Zeitpunkt auf einem Zenit war», erklärt Fabian Duss, Geschäftsführer von MAAG.
Offene Türen, volle Kalender
Die Schweiz ist gerade für internationale Künstler nur ein kleiner Player auf dem Markt. Damit verbunden sind gewisse Abhängigkeiten von grösseren Ländern. Die Öffnungsschritte der Schweiz helfen wenig, wenn die Rolling Stones eine Welttournee planen – oder zumindest eine Tour durch Europa.
Diese Abhängigkeit von anderen Akteuren stellt die Veranstalterinnen auch weiterhin vor eine Planungsunsicherheit. So kann es denn auch in diesem Jahr noch zu Verschiebungen und Absagen in der Schweiz kommen. Auch wenn dann wahrscheinlich nur die Events der ganz grossen Künstler betroffen sind.
So musste etwa ein bereits ausverkauftes Konzert der italienischen Band Måneskin um zwei Monate verschoben werden. Und statt in der Halle 622 traten die ESC-Gewinner von 2021 neu im Hallenstadion auf.
Die zahlreichen Verschiebungen der vergangenen beiden Jahre spiegeln sich dabei auch im Verhalten der Kundinnen wider. Das führe dazu, dass «zum Beispiel namenhafte Interpreten noch nicht ausverkauft sind, weil die Menschen alle schon 6 bis 7 Konzerttickets daheim am Kühlschrank haben», sagt Fabian Duss. Wer also noch ungenutzte Tickets von 2020 besitzt, möchte vielleicht nicht noch einmal viel Geld für ein zusätzliches Konzert in die Hand nehmen.
Welche Veranstaltung darf es sein?
Die Kombination aus nachzuholenden und neugeplanten Veranstaltungen führe im Moment zu einem «absoluten Overload», erklärt Duss weiter. Anstelle der üblichen fünf Konzerte im Zürcher Letzigrund sind in diesem Jahr ganze neun Stück gebucht und genehmigt worden, heisst es von Seiten Ticketcorner.
Dazu zählt auch die deutsche Band Rammstein, deren Konzert bereits seit 2019 ausverkauft ist. Auch kleinere Veranstaltungsorte wie das Theater Casino Zug mussten aufgrund der hohen Termindichte bereits Anfragen auf das Jahr 2023 verschieben.
Der Produktionsstau ist also eines der grossen Themen für die Branche in diesem Jahr. Die Besucher erleben dadurch eine komfortable Situation: Sie können aus einem extrem grossen Angebot auswählen, wenn plötzlich alles auf einen Schlag stattfindet. «Aber für die Veranstalterinnen ist es eine grosse Herausforderung, bei dieser Dichte kostendeckend zu veranstalten», erklärt Stefan Breitenmoser.
Zudem sieht er auch einen Wandel beim Publikum durch die Pandemie: «Vor allem Veranstaltungen in Innenräumen wurden – sofern sie nicht ohnehin verboten waren – als ‹Hochrisiko› deklariert.
Es überrascht also nicht, dass diese Botschaft eine Verhaltensänderung beim Publikum bewirkt hat.» Es gilt also, nicht nur Vertrauen zurückzugewinnen, sondern das Publikum auch wieder an volle Säle zu gewöhnen.
Fachkräfte bitte auf die Bühne
Während die Eventbranche in den letzten zwei Jahren teilweise zum Stillstand kam oder im Energiesparmodus lief, mussten sich zahlreiche Menschen aus der Branche beruflich umorientieren. Der aktuell grassierende Fachkräftemangel betrifft dabei nicht nur den gastronomischen Teil, sondern alle Bereiche der Branche.
«Im Theater Casino Zug und auch anderen Kulturhäusern ist der Mangel an technischen Fachkräften stark zu spüren», erzählt Manda Litscher aus der Leitung des Theaters Casino. Hinzu kommen weniger Auszubildende, fehlende Gastarbeiterinnen und die Tatsache, dass viele Menschen die Branche vielleicht für immer verlassen haben.
Wer während der Pandemie beruflich umsteigen musste, kehrt nicht so leicht in eine dynamische Branche zurück, in der die Arbeit auf Abruf und mit zahlreichen Überstunden verbunden ist.
«Die Branche muss diese Ressourcen wieder aufbauen. Die Behebung wird wohl noch Monate bis Jahre in Anspruch nehmen», sagt Stefan Breitenmoser. Um den Prozess zu beschleunigen, wurden viele Initiativen gestartet.
Eine davon ist «Go Backstage». Hierbei sollen Auszubildende für die Branche gewonnen und Lehrstellen besetzt werden. Denn gerade die jungen Menschen gilt es für sich zu gewinnen, damit der Fachkräftemangel in der Eventbranche nicht ewig anhält.
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