Im Schweizer Fussball sind auf Amateur- und Juniorenstufe die Vereine dazu verpflichtet, genügend Schiedsrichter zur Verfügung zu stellen. Keine leichte Aufgabe, denn lassen sich häufig nur schwer Unparteiische finden. Der SC Cham bildet dabei keine Ausnahme. Dabei weiss der Schiedsrichter-Verantwortliche des Vereins Markus von Flüe genau, was die Referee-Tätigkeit attraktiv macht.
Franz Beckenbauers Zitat «Abseits ist, wenn der Schiedsrichter pfeift» hat seit Einführung des VAR zwar etwas an seiner Richtigkeit verloren. Trotzdem ist der Unparteiische nach wie vor die wichtigste Person auf dem Fussballfeld.
Auf ihn sind 90 Minuten lang alle Augen gerichtet, er darf sich keinen Aussetzer erlauben und erwischt er keinen guten Tag, kann er nicht wie ein Spieler mal eben ausgewechselt werden.
Umso erstaunlicher erscheint es auf den ersten Blick, dass viele Schweizer Fussballklubs seit Jahren damit zu kämpfen haben, genügend Schiedsrichter zu finden. In den unteren Ligen und auf Juniorenstufe ist es die Aufgabe der Vereine, genügend Spielleiter zur Verfügung zu stellen, die auch eine bestimmte Anzahl an Spielen leiten.
Gelingt ihnen dies nicht, werden sie vom Verband finanziell sanktioniert. Die schmerzhaften Bussen können bald ordentlich ins Geld gehen, womit die Rekrutierung von genügend Schiedsrichtern im Interesse der Vereine ist.
Trotzdem gestaltet sich diese alles andere als einfach. Überalterung, zu wenig Nachwuchs und generell eine zu geringe Zahl an Spielleitern bilden die Kernpunkte des Problems.
Dabei bildet auch der SC Cham keine Ausnahme. Aktuell kann das Zuger Fussballaushängeschild auf sieben Schiedsrichter in seinen Reihen zählen, jedoch wären mindestens deren neun nötig, die zudem genügend Spiele arbitrieren.
Da aktuell einer der Unparteiischen verletzt ausfällt und auch immer wieder berufsbedingte Absenzen hinzukommen, wird auf den SC Cham wiederum eine Busse von Seiten des Verbandes zukommen. Diese bewegt sich sogleich im vierstelligen Bereich und ist durch das verwendete Bonus-Malus-System stark steigend.
Mehr als ein Hobby
Markus von Flüe ist Schiedsrichterverantwortlicher beim SC Cham. Das Urgestein (seit 50 Jahren im Verein) weiss um die Problematik und ist sich bewusst: Das Schiriproblem kann nur gemeinsam gelöst werden. «Der Regionalverband schafft Anreize für die Vereine.
Aber letztlich muss der gesamte Verein dazu beitragen, dass Schiedsrichter für diese Tätigkeit akquiriert werden können. Denn nur so ist auf Dauer der Wettspielbetrieb gewährleistet.»
Das Schiedsrichter-Sein sei gewiss nicht immer ein Honigschlecken, auch wenn viele im Breitenfussball wüssten, dass es ohne Schiedsrichter nicht geht. Dennoch gerät jeder Referee in fast jedem Spiel mit Entscheiden immer wieder in die Kritik.
«Den Umgang damit zu erlernen zum einen und der Kontakt mit rund 30 stets wechselnden Personen pro Spiel zum anderen tragen über eine längere Zeit zur Persönlichkeitsentwicklung eines Schiedsrichters bei», sagt von Flüe. Diese Vorzüge trage ein jeder Schiedsrichter, welcher ein paar Jahre Spiele leitet, für das ganze Leben im Rucksack.
Zusätzlich motiviere die sportliche Tätigkeit nebst einem guten Sackgeld (untere Ligen: zwischen 80 und 100 Franken inkl. Anreise), die Verbundenheit mit dem Fussball (Gratiseintritte bei SFV-Spielen, zumeist eine Freimitgliedschaft im Verein) und auch der Dienst am Verein zum Arbitrieren.
Gerade für Schiedsrichter im Alter junger Erwachsener mag das Entgelt eine nicht unbedeutende Rolle spielen. Schiedsrichter-Sein ist zu einem grossen Teil eine Frage der Routine: «Wenn man innerhalb kürzester Zeit und unter Anwendung der Regeln Entscheidungen treffen und dazu stehen muss, lernt man viel», sagt von Flüe. Konkret, im Schaufenster zu stehen, mit Erwartungen klarzukommen und den Umgang mit Menschen.
Gerade im zwischenmenschlichen Bereich könne man sich als Schiedsrichter wertvolle Kompetenzen aneignen und mit der Zeit das vielzitierte Fingerspitzengefühl auf dem Feld einfliessen lassen: Wann ist eine frühe gelbe Karte angebracht und wann reichen eine Ermahnung und ein paar deutliche Worte an den Spieler?
«Es gilt, mehrere Schauplätze gleichzeitig im Blickfeld zu behalten und Dinge frühzeitig zu erkennen», ergänzt von Flüe.
Ein Ur-Chamer
Der Chamer weiss, wovon er spricht: Im März 1981 leitete er seine erste Partie bei den D-Junioren. Von 1994 bis 1996 arbitrierte von Flüe zahlreiche 1.-Liga-Partien in der ganzen Schweiz.
Daneben war er viele Jahre im Innerschweizerischen Fussballverband aktiv, unter anderem von 2004 bis 2008 als Präsident der Schiedsrichter-Kommission den rund 450 Innerschweizer Schiedsrichtern vorstehend. Seit 28 Jahren ist er in der Schiedsrichter-Ausbildung engagiert und als Referee im 42. Jahr auf dem Platz im Einsatz.
Als Schiedsrichter-Verantwortlicher beim SC Cham ist von Flüe das Bindeglied zwischen den Chamer Schiedsrichtern, dem Verein und dem Verband.
Insbesondere hält er steten Kontakt zu den Unparteiischen im Verein, ist dafür besorgt, dass diese die obligatorischen halbjährlichen Ausbildungskurse besuchen und genügend Einsätze leisten. Zudem weibelt er zusammen mit Miguel Marin, einem weiteren Schiedsrichter-Instruktor des SC Cham, im Verein für das Schiedsrichteramt.
Zum Start nur eine Halbzeit
Vor ein paar Wochen führte von Flüe mit Marc Traut einen ganz jungen, neuen Kollegen in die aktive Schiedsrichter-Tätigkeit ein. Dies erfolgte in Zug bei einem sogenannten Tandemspiel auf Stufe C-Junioren.
Dabei sind beide Schiris auf dem Feld: Von Flüe leitete die erste Halbzeit, Traut die zweite, wobei von Flüe bei Bedarf korrigierend eingreifen konnte. Ein solches Spiel ist abschliessender Teil der Ausbildung, um anschliessend in den Ligabetrieb einsteigen zu können, so wie dies der 16-Jährige in den nächsten Monaten bei den C-Junioren tun wird.
«Das Tandemspiel dient dazu, erste Erfahrungen bei einem regulären Spiel zu sammeln, ist aufgrund der Schiedsrichterknappheit jedoch nicht immer möglich», erklärt von Flüe.
Bevor sich Marc Traut ans Tandemspiel wagen durfte, besuchte er den Schiedsrichterkurs in Luzern. Der Grundkurs dauert zwei ganze Wochenenden und wird mit einem Regeltest abgeschlossen.
Auch nach dem Tandemspiel sind die Schiedsrichterneulinge nicht auf sich alleine gestellt, sondern erhalten einen Coach an ihre Seite, der die ersten Spiele beobachtet und mit Nachbesprechungen und Tipps unterstützend einwirkt.
«Eine enge Betreuung ist enorm wichtig, damit sich die Schiedsrichter Schritt für Schritt entwickeln können und nicht allein gelassen werden», sagt von Flüe.
Der Weg nach oben
Im weiteren Verlauf wird die Tauglichkeit der Unparteiischen durch Ausbildungen und Inspektionen immer weiter gefördert – wobei sich interessierte Schiedsrichter mit dem Regelbuch und Regeltests selber weiterbilden und regelmässig trainieren können.
Schiedsrichter, welche ein Flair für das Amt entwickeln, werden früh in Sichtungs- und Talentgruppen oder später auf SFV-Ebene in die Referee Academy aufgenommen, wo sie intensiv auf höhere Aufgaben vorbereitet werden. Der Weg dorthin kann aber dauern, weil Erfahrung eben zentral ist.
Nur wenige schaffen den Sprung nach ganz oben, wie derzeit aus der Zentralschweiz Urs Schnyder und Lukas Fähndrich. Für wen es nicht reicht, der gewinnt mindestens für das eigene Leben viel dazu.
Aber auch als Schiedsrichter auf Niveau 2./3. Liga stehen Tätigkeiten wie das Beurteilen von Schiedsrichter-Leistungen oder die Instruktoren-Tätigkeit offen.
Beides macht sich gut in einem Lebenslauf. Dazu reicht auch ein Start im frühen ü30-Alter. Oder man will einfach sportlich unterwegs sein und ermöglicht als Schiedsrichter über viele Jahre in der 4./5. Liga zahlreichen Fussballern die Ausübung ihres Hobbys. Auch das kann Motivation sein.
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