Viel Gegenwind ist dem Grasshopper Club Zürich entgegengeblasen, als er vor gut zwei Jahren verkündete, dass chinesische Investoren bei ihm einsteigen. Seither wurde der Aufstieg in die Super League bewerkstelligt und aufregende Jungstars laufen für den Rekordmeister auf. Doch dürfte dies erst der Anfang des «neuen» GC sein auf seinem langen Weg zurück an die nationale Spitze.
Nicht viele Fussballligen können von sich behaupten, dass ihr Rekordmeister als Aufsteiger aktuell um den Klassenerhalt in der höchsten Spielklasse kämpfen muss. In der Super League ist mit dem Grasshopper Club Zürich jedoch genau dies der Fall.
Nicht nur deswegen musste der einstige Nobelklub und Klassenprimus in den letzten Jahren viel Häme über sich ergehen lassen. Auch die neue Besitzerstruktur brachte den Hoppers viel Kritik ein.
Seit rund zwei Jahren leiten die chinesischen Eigentümer rund um Präsident Sky Sun die Geschicke des 27-fachen Schweizer Meisters. Befürchtungen wurden laut, GC würde zu einem Farmteam degradiert, das ohne eigenes Mitbestimmungsrecht wahllos Spieler mit dem Partnerverein und Premier-League-Vertreter Wolverhampton Wanderers austauschen würde.
Aller Unkenrufe zum Trotz sieht die sportliche Bilanz unter der neuen Ägide bislang zufriedenstellend aus. Das erste grosse Ziel, die Rückkehr in die Super League, wurde in der vergangenen Spielzeit geschafft. In der heurigen Saison ist es bislang ein Auf und Ab.
Nach einer mehr als soliden Hinrunde inklusive Überwintern auf Rang 6, geriet die Equipe von Trainer Giorgio Contini mit Rückrundenstart in eine Negativspirale, die sie gefährlich nahe an Relegationsrang 9 abrutschen liess. Trotzdem dürfen die Verantwortlichen spätestens seit dem 2:2 im Direktduell gegen den FC Luzern mit dem Klassenerhalt planen.
Der Thron scheint unbesetzt
Steht dieser auch rechnerisch fest, kann die Kaderplanung für die kommende Spielzeit richtig lanciert werden. Während für die aktuelle Saison der Klassenerhalt immer Priorität Nummer eins war, könnten dann die Ambitionen ungleich höher werden.
Einerseits wollen die Verantwortlichen in rund fünf Jahren um den Meistertitel spielen, auf der anderen Seite besteht in der Super League aktuell ein gewisses Machtvakuum.
Die einstigen Serienmeister Basel und Young Boys haben ihre Souveränität und Selbstverständlichkeit eingebüsst; die Aura des unbestrittenen Ligakrösus ist weg. Ob der FC Zürich die Ressourcen hat, um den Schweizer Fussball auf Jahre zu dominieren, ist zudem zu bezweifeln.
Ein Vakuum, das die Grasshoppers noch so gerne für sich nutzen möchten. Öffnen die Verantwortlichen tatsächlich das Portemonnaie, kann dies mit der richtigen Strategie absolut gelingen und die GC-Fans dürfen davon zu träumen beginnen, dass ihr Verein an einstige glorreiche Zeiten anknüpfen kann.
Ausserdem eröffnet die Zusammenarbeit mit den Wolverhampton Wanderers Möglichkeiten, deren Ausmass bislang erst erahnt werden kann. Dass Talente wie Bendegúz Bolla, Hayao Kawabe und Toti Gomes, der im Winter wieder nach Wolverhampton zurückbeordert wurde und innerhalb eines guten halben Jahres den Sprung von der Challenge League in die Premier League geschafft hat, den Weg in die Schweiz finden, wäre ohne diese Kooperation kaum vorstellbar.
Tatsächlich ist dadurch die Wahrscheinlichkeit gar ungleich höher, dass ein künftiger Premier-League-Star seine frühen fussballerischen Schritte in der Super League macht, wodurch die gesamte Liga an Attraktivität gewinnt.
Zumal in den vergangenen Jahren Spieler in der hiesigen Liga äusserst rar geworden sind, die später zu Superstars avancierten. Einziges aktuelles Beispiel ist Mohamed Salah und davor Ivan Rakitic.
Die Türe bleibt offen
Die Sorge, dass GC-Nachwuchskickern durch Wolverhampton-Leihspieler der Weg in die erste Mannschaft erschwert wird, hat sich bislang zudem nicht bewahrheitet. Während dieser Saison haben die Hoppers den Vertrag mit bereits sieben seiner Nachwuchsspieler verlängert: Leonardo Uka, Florian Hoxha, Francis Momoh, Filipe De Carvalho, Simone Stroscio, Dion Kacuri und Elmin Rastoder.
Sechs davon haben in dieser Saison mit der ersten Mannschaft bereits Einsätze in der Super League bestritten. Dass bei manchen jungen Spielern aktuell die Einsatzzeiten limitiert sind, ist mit der sportlichen Situation zu erklären.
In der ersten Saison nach dem Aufstieg, wenn der Ligaerhalt nie eine Selbstverständlichkeit ist, sind die erfahreneren Spieler gefordert, um den Klassenerhalt zu sichern. Dies soll sich zukünftig ändern, sobald GC eine gewisse Stabilität in der Liga erreicht hat. Dann kann man wieder mit weniger Druck auf den Platz gehen und den Jugendspielern mehr Einsatzminuten gewähren.
Dass die Grasshoppers gewillt sind, auch in Zukunft den eigenen Nachwuchs in die erste Mannschaft einzubinden, zeigt, dass das Engagement eines Konglomerats oder Investors nicht mit einem Identitätsverlust einhergehen muss.
Denn steht nach wie vor der Verein mit seinen Farben und seinem Logo über allem. Und daran hat sich beim Rekordmeister im Gegensatz zu abschreckenden Beispielen wie in Salzburg oder zeitweise in Cardiff nichts geändert.
Dass die Super League für viele junge Spieler nur eine Durchgangsstation und das Identifikationspotenzial mit einzelnen Akteuren nicht mehr vergleichbar ist mit vor 20 Jahren und mehr, ist bei den anderen Schweizer Vereinen nicht anders.
Die Super League positioniert sich als Ausbildungsliga, verbunden mit dem Geschäftsmodell der Vereine, junge Spieler aufzubauen und sie dann gewinnbringend weiterzuverkaufen. Dass der Stamm der Mannschaft über längere Zeit zusammenbleibt, kommt so kaum noch vor – egal, bei welchem Klub.
Ausserdem wissen die Grasshoppers mit Amir Abrashi, Petar Pusic oder Georg Margreitter durchaus Identifikationsfiguren in den eigenen Reihen. Und mit Allan Arigoni, Giotto Morandi und Noah Loosli kommen weitere Stammspieler hinzu, die im GC-Nachwuchs geformt wurden.
Geduld ist gefragt
GC kann den Spagat zwischen sportlichem Erfolg und Identitätswahrung schaffen und gerade durch die Zusammenarbeit mit den Wolverhampton Wanderers in den nächsten Jahren wieder zu einer der attraktivsten Adressen im Schweizer Fussball werden. Zumal sich auch die Befürchtungen, GC verkomme zu einem reinen Farmteam, bislang keineswegs bewahrheitet haben.
So betont der Verein, dass keine Spieler von den West Midlands gegen den Willen der Grasshoppers nach Niederhasli transferiert werden, sondern im Gegenteil der Fokus darauf gelegt wird, wo Synergien für beide Seiten sinnvoll sind.
Ab Juli erübrigt sich dies zu einem gewissen Grad sowieso, da die Fifa die Regeln so anpasst, dass Klubs während einer Saison nur drei Spieler an ein bestimmtes Team und insgesamt maximal acht Profis verleihen dürfen.
Plus darf nicht unterschätzt werden, wie wichtig es für den Verein ist, ohne finanzielle Sorgen planen und arbeiten zu können. Gerade in Anbetracht einer globalen Pandemie, die seit über zwei Jahren grassiert.
Das Projekt rund um den «neuen» Grasshopper Club Zürich kann also gelingen und ist es im Sinne der gesamten Fussballschweiz, dass eines seiner Aushängeschilder auch wieder auf die internationale Landkarte zurückkehrt. Wichtig dabei ist, dass die Leute dabei geduldig bleiben und dem Projekt die nötige Zeit geben, um das volle Potenzial erkennen zu können.