Konkurrenz durch Onlinehandel, demografischer Wandel und neue technische Möglichkeiten. Eine Studie befasst sich mit der Zukunft des Einzelhandels und möglichen Trends.
Wer während des Lockdowns durch die Innenstadt fuhr oder lief, dem fiel auf, dass immer mehr Läden schliessen mussten. Aufgrund zahlreicher Beschränkungen infolge der Pandemie mussten vor allem kleinere Geschäfte Insolvenz anmelden.
Denn während weiterhin Kosten für die Ladenmiete, Nebenkosten sowie das Warensortiment anfielen, brachen die Einnahmen weg – ohne Kundenstrom auch keine Einnahmequelle. Wer nicht schon vor oder während der Pandemie ins Online-Business einstieg und auch keine grossen Rücklagen aufbauen konnte, der musste sein Geschäft in dieser Zeit aufgeben.
Doch nicht erst seit der Coronapandemie kämpft der Einzelhandel um sein Überleben. Aufgrund der zunehmenden Digitalisierung, dem Aufkommen grosser Onlineshops sowie einer immer grösseren Sortimentauswahl, nutzen mehr und mehr Kunden den bequemen Onlinehandel. Dies führt letztendlich dazu, dass die Einnahmen des Einzelhandels stetig zurückgehen.
Wie steht es nun um den Einzelhandel? Werden wir in Zukunft leere Innenstädte haben und nur noch online einkaufen? Und welche Möglichkeiten hat der stationäre Einzelhandel, um in unserer digitalisierten Welt nicht unterzugehen?
Zahlen und Fakten – stationärer Einzelhandel und Onlinehandel
Eine Erhebung des HDE hat für den Zeitraum von 2010 bis 2020 die Umsatzentwicklungen im deutschen Handel statistisch festgehalten – hier zeigt sich für den stationären Einzelhandel ein Plus von 1,7 Prozent, wohingegen der Onlinehandel im selben Zeitraum ein Plus von 12,9 Prozent verbuchen konnte.
In der Schweiz haben Einzelhandelsunternehmen 2020 einen Umsatz von 99,1 Milliarden Schweizer Franken erwirtschaftet, was eine Steigerung von 2,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr ist.
Das klingt erst einmal gut, doch vergleicht man das Wachstum mit dem der Onlineunternehmen (plus 11,8 Prozent), dann sieht man, dass die 2,6 Prozent kaum ins Gewicht fallen.
Schaut man sich dann noch die Umsätze des stationären Einzelhandels der letzten neun Jahre an, dann hat dieser im jährlichen Schnitt Umsatzeinbussen von 0,4 % erlitten. Während der Marktanteil von grossen Kauf- und Warenhäusern seit 2000 um knapp drei Prozent abgenommen hat, ist der Anteil des Versandhandels von 2000 bis 2015 um mehr als 50 Prozent gestiegen.
Die Digitalisierung im Einzelhandel
Die Digitalisierung durchdringt immer mehr Lebensbereiche und gewinnt auch im Einzelhandel zunehmend an Bedeutung. Denn wie aus den oben genannten Zahlen ersichtlich wird, nimmt die Anzahl der Onlinekäuferinnen stetig zu. 2020 betrug der Anteil dieser bereits 65,7 Prozent der Gesamtbevölkerung ab 14 Jahren.
Doch auch ältere Menschen kommen immer mehr auf den Geschmack des Onlineshopping – 2020 verzeichnete der HDE einen Zuwachs von 11 Prozent in der Altersgruppe 60+.
Corona hat die Situation des Einzelhandels zusätzlich erschwert. Kunden, die bisher hauptsächlich offline einkaufen gingen, konnten dies aufgrund der Restriktionen nicht mehr tun und mussten entsprechend auf das Onlineangebot der verschiedenen Händlerinnen ausweichen. Zukünftig wird diese Gruppe im Vergleich zu Vor-Pandemie-Zeiten wohl auch regelmässiger online einkaufen.
Demographischer Wandel als Hürde für den Einzelhandel
Ein weiterer Faktor, der es dem stationären Einzelhandel in Zukunft schwerer machen wird, ist der demographische Wandel. Während Grossstädte weltweit weiter wachsen, werden ländliche Gebiete gut 20 bis 30 Prozent ihrer Bevölkerung einbüssen – in manchen Gegenden wohl noch mehr. Dies führt im Grossen und Ganzen zu einer Ausdünnung der Einzelhandelsangebote.
Während es in Deutschland voraussichtlich zu einem Bevölkerungsrückgang kommen wird – Prognosen gehen davon aus, dass die Zahl von 83,2 Millionen auf 77,6 Millionen bis zum Jahr 2050 sinken wird – sehen Prognosen für die Schweiz einen Bevölkerungszuwachs. Doch sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland altert die Bevölkerung zunehmend.
Das bedeutet, dass sich auch der Einzelhandel an die demographische Entwicklung anpassen muss – beispielsweise durch Barrierefreiheit, eine bessere Lesbarkeit von Produktinformationen sowie den Ausbau des Onlinehandels.
Technische Entwicklung und Möglichkeiten für den Einzelhandel
Die Digitalisierung hat sowohl die Rolle der Konsumenten als auch jene des Handels verändert. Die Rolle der Kundin hat an Bedeutung gewonnen und so reicht es für den Anbieter nicht mehr aus, nur zu informieren, er muss in Dialog mit seinen Kundinnen treten.
50 Prozent der Konsumenten erwarten heutzutage digitale Dienstleistungen – dazu gehören neben Informationen, kostenlose Ratgeber und Erklärvideos die Möglichkeit des Dialogs, Bewertungssysteme, eine Online-Präsenz und vieles mehr. Zukünftig dürfte der Anteil auf 80 Prozent steigen.
Gleichzeitig steigt auch die Erwartung, alternative Zahlungssysteme zu nutzen, beispielsweise das Bezahlen per Smartphone oder Smartwatch. Diese Entwicklungen führen dazu, dass Omni-Channel-Strategien in Marketing und Vertrieb in Zukunft unerlässlich sein werden. Omni-Channel oder auch Omni-Business bezeichnet eine Verknüpfung von stationären Einkaufsmöglichkeiten mit Onlinekanälen.
Beispiele für Omni-Channel-Konzepte
- Kunden informieren sich zuerst online, um anschliessend das gewünschte Produkt im Laden zu kaufen
- Kundinnen kaufen das Produkt im Laden und lassen es sich nach Hause liefern
- Kunden bestellen oder reservieren die Ware online und holen sie dann im Laden ab
- Kundinnen lassen sich im Laden beraten und bestellen dann online
- Kunden informieren sich im Laden per Smartphone über die Produkte
- Kundinnen kaufen Produkte online und retournieren sie später im Laden
Neue Möglichkeiten
Da sich Trends immer schneller ändern und Produktzyklen zunehmend kürzer werden, muss der Einzelhandel flexibler hinsichtlich des Produktportfolios werden. Die Digitalisierung bietet jedoch auch Chancen. Durch eine effiziente Nutzung von Data Analytics können zum Beispiel Wertschöpfungsprozesse optimiert werden.
Anbieterinnen, die zugleich online und stationär auftreten, können mit innovativen Konzepten und intelligenten Geschäftsmodellen punkten. Jene, die die Omni-Channel-Strategie schon umgesetzt haben, verzeichnen ein höheres Wachstum als reine Onlineshops.
Zukünftig wird es wohl zu einem Rückgang der Verkaufsfläche sowie der Zahl der Geschäfte kommen. Das heisst jedoch nicht, dass der stationäre Einzelhandel ausstirbt. Kunden wollen weiterhin die Möglichkeit haben, sich im Geschäft beraten zu lassen, Kleidung anzuprobieren, ein Gefühl für die Produkte zu bekommen und lokal einzukaufen.
Kundinnen haben immer höhere Erwartungen an den Handel und dieser muss zukünftig mehr und mehr auf die Wünsche und Vorlieben des Kunden eingehen. Konsumentinnen wollen online und offline Angebote gleichzeitig nutzen können, sich mal online informieren und offline einkaufen, wann, wie und wo sie wollen.
Unternehmen, die sich hier nicht anpassen, werden es in Zukunft schwer haben, auf dem Markt bestehen zu bleiben. Denn die Erwartungen der Kundinnen bezüglich digitaler Services und kundenorientierter Omni-Channel-Angebote werden weiterhin steigen. Wir sehen also, dass der stationäre Handel auch in Zukunft eine bedeutende Rolle spielen wird und in den meisten Warengruppen noch immer eine wichtige Anlaufstelle bleiben wird.