Darknet – das klingt schmutzig und verboten. Es klingt nach zwielichtigen Gestalten, Kriminalität und Gefahr, nach Untergrundkämpfern und Terrorismus.
Doch das muss gar nicht sein. Das Darknet ist ein Teil des Internets und bedeutet vor allem eins: Anonymität. „Es gibt von dem Darknet ein recht diffuses Bild in den Medien“, sagt Prof. Dr. Martin Steinebach vom Fraunhofer SIT. Per se ist das Darknet nichts Kriminelles. Es bedeutet nur, dass die Anfragen anonym sind.
Dafür wird mittels eines Tor-Browsers keine direkte Verbindung zu einem Server hergestellt, sondern über mehrere Server eine verschlüsselte Verbindung. Dadurch hinterlässt man quasi keinerlei Fussspuren im Internet. „Es ist eine Art ,Stille Post‘“, meint Steinebach. Nur mit viel Aufwand sind Spuren zu finden.
Sicher ist das für Kriminelle attraktiv. Es gibt daher für alle möglichen illegalen Geschäfte Umschlagsplätze – Drogen, Kinderpornografie, Waffen, Viren, Filme usw. Aber die eigentliche Bestimmung des Darknets war ein zensurfreies Internet.
Daher ist es nicht verwunderlich, dass das Darknet auch für politische Diskussionen aller Art verwendet wird. Wer allerdings glaubt, dass dies in dieser Form nur von Menschen genutzt wird, die in weniger freien Demokratien oder ähnlichem leben, der irrt.
„Auch in westlichen Demokratien wird es dafür genutzt. Die Leute berufen sich dabei auf ihr Recht auf Privatsphäre in Form einer nicht überwachten Kommunikation“, erklärt der Experte
Inzwischen hätten sich auch normale Bürger für das Darknet ausgesprochen. Denn am normalen Internet störe sie vor allem die Ausspähbarkeit. Die Menschen seien verärgert darüber, dass Online-Händler je nach IP-Adresse, Standort und Co. verschiedene Preise anbieten.
Zudem werden an jeder Ecke Daten gesammelt – diese werden seit langem schon als neuer Rohstoff gehandelt. „Die Bürger wollen versuchen kein Rohstofflieferant zu werden“, meint Steinebach.
Marcel Schäfer vom Fraunhofer SIT ist daher überzeugt, dass die Popularität des Darknets künftig zunehmen wird. Die genaueren Informationen zu dieser Form des Internets kämen jetzt erst so langsam durch. „Man muss kein Informatiker sein, um es nutzen zu können. Es ist ganz einfach.“
Denn es spreche nichts dagegen, dass die blosse Nutzung des Darknets strafbar ist. Amerikanische Fördermittel finanzieren sogar die sogenannten Tor-Browser. Das Darknet dient in erster Linie dem anonymen Surfen, daran ist nichts Illegales. Und, zumindest in einer freien Demokratie, ein Grundrecht.
Die beiden Experten hoffen, dass der „zwielichtige Mief“ des Darknets vertreiben wird, wenn auch normale Internet-Nutzer die Vorteile erkannt haben und das Parallel-Internet nutzen. Denn das Darknet wird auch für weitaus erfreulichere Sachen als die illegale Beschaffung von Drogen, Waffen und Co. Journalisten und Aktivisten aus totalitären Länder haben so die Chance auf zensierte, westliche Internet-Seiten zuzugreifen und auch zu recherchieren und informieren, ohne dabei ihre wahre Identität preisgeben zu müssen und sich so womöglich in Gefahr zu bringen.
Wie funktioniert das Darknet?
Die Daten werden von dem Dienst The Onion Routing (TOR) mittels einer zufällig ausgewählten Route über das Tor-Server-Netzwerk geleitet. Damit die Verschlüsselung konstant aufrechterhalten wird, wird die Route regelmässig gewechselt.
Diese Verbindungen entstehen, wenn sich viele einzelne Computer zu Netzwerken zusammenschliessen. Die Datenverbindungen zwischen den einzelnen Netzwerken werden zusätzlich noch verschlüsselt. Typische Darknet-Adressen erkennt man an der Domain-Endung „.onion“.
Diese können auch nur über den dafür vorgesehenen Browser aufgerufen werden. Über normale Suchmaschinen und Brower sind diese nicht auffindbar. Das Darknet bietet alles, was es im normalen Internet auch gibt: Nachrichten, Online-Handel, soziale Netzwerke oder Chatrooms.
Allerdings alles etwas reduzierter. Zudem wird die Internet-Verbindung durch die vielen Umwege der Daten langsamer. Wer in einem Darknet-Online-Shop einkauft, benötigt zudem die Kryptowährung Bitcoin.
Die Internet-Währung wird von keinem Staat reguliert und ist nur in gesonderten Online-Börsen erhältlich. In der Schweiz ist sie sogar am Bankautomaten erhältlich. Dafür wird das „normale“ Geld einfach in die digitale Währung umgetauscht.
Daher tun sich Ermittlungsbehörden im Darknet besonders schwer. Soweit bekannt, betreibe die Polizei im Darknet daher klassische Polizeiarbeit, sagen die beiden Fraunhofer-Experten. Das heisst, sie tätigen Testkäufe, verfolgen, woher die Pakete kommen und leisten Überwachungsarbeit im echten Leben. Doch das gelingt meist nur dann, wenn sich die Kriminellen durch Unachtsamkeit oder Fehler selbst enttarnen.
Und genau diese Schwierigkeiten der digitalen Überwachung kommen nicht nur Kriminellen zugute. Auch Whistleblower, Aktivisten oder Dissidenten finden hier eine Plattform ohne Angst vor Verhaftung oder schlimmeren haben zu müssen.
Missstände in Firmen oder staatlichen Institutionen können enthüllt werden. Regimekritiker finden Gleichgesinnte und verschaffen sich Gehör. So ist bekannt, dass der Arabische Frühling teilweise auch durch das Darknet zu einem solch bedeutenden Ereignis wurde.
Datenschützer und Menschenrechtsaktivisten begrüssen die Anonymität im Netz. Auch Journalisten nutzen das Netz für sicherere Recherchen. „Das Darknet ist das Internet, wie man es sich eigentlich wünschen würde.
Ein Netz ohne Zensur und Überwachung, mit all seinen Vor- und Nachteilen», sagte Linus Neumann, ein Sprecher des Chaos Computer Clubs (CCC) kürzlich in einem Interview. Er ist auch der Meinung, dass man in Ländern mit weniger Meinungsfreiheit, wie beispielsweise China, viel schneller im Darknet lande als in Europa.
Wer sich im Darknet bewegt, kann auf Sicherheit durch Anonymität hoffen. Nichtsdestotrotz sollte der Computer über ausreichend Sicherheitssysteme wie Anti-Viren-Programme, Firewall und Co. verfügen.
„Auch Darknet-Teilnehmer sind schon Opfer von Hacker-Angriffen geworden“, berichtet Steinebach. Das läge daran, dass die Schadsoftware eine Verbindung über das ClearNet – das „normale Internet“ – herstellt und so Zugriff auf die IP-Adresse bekommt.