Einst entdeckt von den indigenen Völkern des Amazonas, wird der in Trance versetzende Pflanzentrunk bei der südamerikanischen Mittelschicht immer beliebter. Ganze Religionen haben sich um Ayahuasca gebildet. Doch woraus genau besteht die Trenddroge eigentlich und ist sie gefährlich?
Wer noch nie von Ayahuasca gehört hat, sollte jetzt ganz besonders aufmerksam sein. Denn der Pflanzensud aus dem südamerikanischen Dschungel kann dich innerhalb kürzester Zeit in Trance versetzen. Er soll psychische Krankheiten heilen können, unter denen Menschen jahrzehntelang gelitten haben.
Entdeckt haben ihn die indigenen Völker im Amazonas, als sie vor über 1000 Jahren beim Einkochen verschiedener Urwaldpflanzen bemerkten, dass der Geruch geradezu benebelt, wenn man zwei ganz bestimmte Pflanzen miteinander vermischt: die Schlingpflanze Banisteriopsis caapi und den Kaffeestrauch Psychotria viridis. Wer den Sud trank, fühlte sich wie in Trance versetzt.
Die starke Wirkung gefiel den Urwaldbewohnern so sehr, dass sie begannen, das Gemisch in ihren Zeremonien zu verwenden. So versuchten sie auf ihrem Trip mit Ayahuasca Geister und Ahnen zu treffen, Lösungen für Konflikte zu finden und in die Zukunft zu blicken.
Sting schwärmt von Ayahuasca
Heutzutage wird die jahrhundertealte Naturdroge weit über den Amazonas hinaus geschätzt und konsumiert. Der wohl bekannteste Ayahuasca-Fan ist Pop-Sänger Sting, der 2012 in einem Interview verriet, dass er in den 90ern Ayahausca im Regenwald probiert hatte und noch immer hellauf begeistert ist: «Es gibt definitiv eine höhere Intelligenz in einem, die während dieses Erlebnisses zum Vorschein kommt.»
So wie Sting taten es auch Tausende andere, sodass es mittlerweile ein grosses Angebot an Retreat-Centern und Ayahuasca-Kursen in Südamerika, aber auch in den USA und in Europa gibt. Um die Droge haben sich zudem ganze Religionsgemeinschaften gebildet, die regelmässig zusammenkommen, um gemeinsam Übernatürliches zu erleben.
Ist Ayahuasca in der Schweiz legal?
So vielversprechend die Erfahrung mit der Naturdroge auch ist, in Konflikt mit dem Gesetz möchte man dafür nicht unbedingt kommen. Wir müssen also eine wichtige Frage klären: Ist der Besitz und Konsum von Ayahuasca in der Schweiz legal? Rechtlich bewegen wir uns dabei im Graubereich: Der Wirkstoff, der in Psychotria viridis, einer der benötigten Pflanzen, enthalten ist, DMT, ist in der Schweiz illegal. Ob der eingekochte Sud der Pflanze selbst gesetzlich erlaubt ist, muss noch geklärt werden.
Gibt es in der Schweiz Zeremonien?
Insbesondere in Südamerika wird man sehr schnell fündig, wenn man nach Ayahuasca-Zeremonien sucht. Sogenannte Schamanen kennen sich mit verschiedensten Pflanzen, ihrer Verarbeitung und Wirkung genauestens aus.
In der Schweiz sieht das anders aus. Es gibt zwar einzelne Gruppen, sogenannte schamanische Kreise, die sich regelmässig zum Ayahuasca-Ritual treffen. Allerdings ist der Zugang zu diesen äusserst schwierig. Rein kommt man nur, wenn man jemanden kennt, der für einen bürgt, und wenn es für die Organisatoren stimmt.
Die einzelnen Gruppen sind nur lose miteinander vernetzt, es existiert also weder ein Netzwerk noch einen Verband. Darüber hinaus gibt es einzelne Schamanen, die in der Schweiz ansässig sind und von hier aus Peru-Reisen anbieten. Gemeinsam mit dem Schamanen fliegt man dann ins Land der Inka, um dort Teil von Ayahuasca-Zeremonien zu werden.
So fühlt sich dein Trip an
Der Grund, warum Ayahuasca immer populärer wird, ist der einzigartige Effekt der Droge: Der Konsument erlebt keinen klassischen Trip, wie man ihn von Halluzinogenen wie LSD oder Magic Mushrooms kennt. Vielmehr sind sich die meisten Menschen ihrer visuellen Halluzinationen voll bewusst, wenn sie Ayahuasca konsumieren.
Sie lösen sich von ihrem eigenen Ich und können die eigene Person und das eigene Leben wie von aussen betrachten. Nicht selten krempeln Konsumentinnen nach ihrer Ayahuasca-Erfahrung ihr gesamtes Leben um: Sie wechseln den Arbeitsplatz, machen Schluss, brechen den Kontakt zu engen Freunden oder Verwandten ab oder ziehen in ein anderes Land.
Ayahuasca bietet einem die Gelegenheit, sich selbst aus der Sicht seines Gegenübers zu betrachten und so Dinge zu erkennen, die einem gar nicht bewusst sind. Deshalb bezeichnet man die Droge auch als bewusstseinserweiternd.
Ayahuasca als Medizin gegen Depressionen
Die Amazonas-Droge geniesst ausserdem den Ruf, selbst Depressionen mit schweren Verläufen heilen zu können. Viele Betroffene berichten in Internetforen, dass sie während der Trips den Sinn ihres Lebens wiedergefunden hätten und zeigen sich begeistert.
Das interessierte auch die Wissenschaft – schliesslich versuchen Medizinerinnen und Psychologen seit Jahrzehnten, effektive Lösungen gegen die weitverbreitete psychische Krankheit zu finden, an der laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzungsweise 300 Millionen Menschen weltweit leiden.
Forscherinnen haben in den letzten Jahren zum Thema Ayahuasca zahlreiche Studien veröffentlich. Eine von 2019 ist aber besonders erwähnenswert, da es hier auch eine Placebo-Gruppe gab: An dem Experiment, das von 2016 bis 2018 durchgeführt wurde, nahmen 29 Menschen teil, die an Depressionen litten.
Der Hälfte von ihnen wurde über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren regelmässig Ayahuasca gereicht, der anderen Hälfte ein Placebo. Man verbrachte den ganzen Tag zusammen und zu essen gab es nur ein leichtes Frühstück, um den Effekt nicht zu verringern.
Die im renommierten Fachblatt «Psychological Medicine» veröffentlichte Studie gelangte zu einem erstaunlichen Ergebnis: Die Forscher konnten beweisen, dass Ayahuasca selbst nach einem einzigen Trip die auf einer Skala gemessene Depression stark verringerte. Mit der Zeit nahm die Depression bei den Patientinnen, die Ayahuasca konsumiert hatten, stets ab.
Bei der Placebo-Gruppe konnte man auch Verbesserungen feststellen, allerdings lange nicht in dem Ausmass der anderen Gruppe. Aber wie genau funktioniert das im Gehirn? Welchen Effekt hat das Gebräu auf die Hirnzellen?
Das macht Ayahuasca mit dem Gehirn
Dieser Frage sind Forscher im Jahr 2004 nachgegangen. Dazu haben sie Menschen Ayahuasca verabreicht, abgewartet bis der Trip beginnt und sie dann in einen Magnetresonanztomografen (MRT) gesteckt.
Mit dem MRT kann man die Funktion des Gehirns genau untersuchen und zum Beispiel erkennen, welche Regionen besser durchblutet sind als andere, wenn der Patient bestimmte Bilder oder Videos sieht. Ergebnis: Sie konnten feststellen, dass die Patientinnen 30 Minuten nach der Einnahme von Ayahuasca allgemein eine sehr starke Aktivität in ihrem Gehirn hatten. Ganz besonders im limbischen System rattert das Gehirn geradezu, dort werden Emotionen und Erinnerungen verarbeitet.
Oft hat man auch beobachtet, dass das Gehirn nach dieser hohen Aktivität in eine Art meditativen Zustand verfällt, also wieder sehr wenig Aktivität zeigt. Das ist Teil dieses beruhigenden Effekts, den viele spüren, nachdem sie auf einem Ayahuasca-Trip waren. Angstzustände und Depressionen werden gelindert und oft auch ganz genommen.
Wie gefährlich ist es? Gibt es eine Suchtgefahr?
Die Wissenschaft schwärmt also von Ayahuasca, die meisten Nutzerinnen sowieso und selbst Sting ist von der Amazonas-Droge überzeugt. Stellt sich noch die Frage, ob Ayahuasca mit negativen Begleiterscheinungen verbunden ist. Nun, natürlich gibt es auch hier Nebenwirkungen, die sich allfällige Konsumenten bewusst sein müssen, denn sie können heftig sein. Hier ein Überblick der häufigsten Nebenwirkungen:
- Zu fast jedem Trip mit dem Gebräu gehört starke Übelkeit. Es gilt sich darauf vorzubereiten, nach der Einnahme brechen zu müssen. Dies, da die Flüssigkeit stark säurehaltig ist. Auch Durchfall kommt durchaus vor. Die Wirkung geht dadurch aber nicht verloren.
- Der Blutdruck steigt rasant an. Du schwitzt enorm und wirst unruhig. Wie nach zu vielen Espressi, nur noch stärker.
- Halluzinationen: Manche Anwenderinnen haben auch nach dem Trip noch Wahnvorstellungen und können Realität und Fiktion nicht mehr unterscheiden.
Sollte man Hilfe benötigen, gilt es, Hilfe anzunehmen. Sinnvoll ist es auch, Ayahuasca nicht alleine einzunehmen. Auf der andere Seite hat Ayahuasca ein sehr geringes Abhängigkeitspotenzial. Denn anders als beispielsweise Kokain oder Heroin triggert es nicht das Belohnungssystem des Gehirns, das durch Dopamin gesteuert wird.