Mit Tattoos verhält es sich ähnlich wie mit der Ehe: Eigentlich für immer gedacht, wird dieses Ideal immer öfter von der Realität eingeholt. Der Name der/des Ex soll weg oder die politische Einstellung hat sich geändert und man will sich von alten Ansichten befreien. Doch wer die Farbe unter der Haut entfernen lassen will, muss tief ins Portemonnaie greifen und auf Holz beissen.
«Ich weiss schon, diese japanischen Schriftzeichen auf dem Unterarm gefielen mir vor sechs Jahren echt gut, als ich sie mir stechen liess, doch mittlerweile wünschte ich mir, ich hätte es sein lassen.» So oder so ähnlich denken immer mehr Leute über ihre Tattoos.
Der Name des/der Ex, eine exponierte Körperstelle, eine politische Einstellung, die man nicht mehr vertritt oder ein Motiv, das aus der Mode geraten ist – die Gründe, weshalb man sich eines Tattoos entledigen möchte, sind vielseitig und zahlreich.
Immer zahlreicher werden auch die Menschen, die sich unter die Nadel legen, Tattoos sind längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Vorbei die Zeiten, als in erster Linie Matrosen und Sträflinge Tinte unter der Haut trugen.
Eine immer weiter steigende Zahl Tätowierungen – in der Schweiz ist etwa jeder Fünfte tätowiert – ist auch verbunden mit mehr Tätowierten, die ihren Hautschmuck wieder loswerden möchten.
Dies bestätigt auch Marc Theissing. Er betreibt in Zürich und Zofingen unter dem Namen «Renaissance» Studios für die Entfernung von Tattoos und Haaren. Er sagt: «Die Nachfrage hat auf jeden Fall zugenommen.»
Der leidenschaftliche Fotograf führt dies nicht nur auf die gestiegene Zahl Tätowierter zurück, sondern hätten sich die Leute früher auch mehr Gedanken vor dem Stechen lassen gemacht. Heute entstehe ein Tattoo nicht selten aus einer spontanen Idee heraus.
Nicht jedes Tattoo muss komplett ausradiert werden
So wie es heute kaum mehr eine Frage des Alters oder der soziokulturellen Zugehörigkeit ist, wer Tattoos trägt, so widerspiegelt sich dies auch bei der Kundschaft von Marc Theissing.
«Von 18- bis knapp 80-Jährigen ist alles mit dabei», sagt er. Doch falle ihm auf, wie viele junge Leute zu seinen Kundinnen gehören. Generell seien es eher selten Kunden mit vielen Tattoos. Diese würden wenn dann eher das unerwünschte Tattoo für ein Cover-up aufhellen.
Ein Cover-up ist ein Tattoo, welches über ein altes gestochen wird, um dieses möglichst unsichtbar zu machen. Klingt gut, funktioniert gerade mit den aktuellen Trends jedoch nicht immer.
Denn sind momentan unter anderem dezente, feine Linien mit wenig Farbe angesagt, die für ein Cover-up entsprechend ungeeignet sind, da dieses dunkler und grösser als das alte Tattoo sein muss. Dafür ist diese Art von Tattoos relativ leicht wegzulasern.
Entscheidend ist, was zwischen den Lasersitzungen passiert
Doch wie funktioniert dies überhaupt genau? Mit einem Laser werden die Farbpigmente in der Haut erhitzt und durch photomechanische Prozesse in winzige Partikel zersetzt. Der Körper kann dann über das Lymphsystem diese zersprengten Pigmente abbauen und es werden neue Hautzellen gebildet.
Der Abbau des Pigmentstoffs dauert dabei ziemlich lange, zwischen den Sitzungen muss eine sechs- bis achtwöchige Pause eingelegt werden, «damit die Wunde in der zweiten Hautschicht verheilen kann», erklärt Theissing.
Ansonsten drohen Vernarbungen. Diese Gefahr konnte durch den technologischen Fortschritt in den letzten Jahren jedoch gesenkt werden. Auch Theissing setzt auf einen hochmodernen Pico-Laser.
Was beim Pigmentabbau hilft
Der Name ist dabei Programm: Die Schüsse werden in einer Pikosekunde, also einer Tausendstel Nanosekunde, auf die Haut abgegeben. Durch diese ultrakurzen Schüsse entsteht nicht mehr eine solch starke Hitzebelastung wie bei älteren Geräten.
Eine Nanosekunde sei im Vergleich dazu schon relativ lange, was die Gefahr für Hautverbrennungen deutlich erhöhe, ergänzt Theissing.
Eine Lasersession selbst nimmt nur einige Minuten in Anspruch, im Normalfall nicht länger als eine Viertelstunde, denn dauert es nicht lange, um einmal das ganze Tattoo zu lasern. Allerdings bewegt sich die Zahl der Sitzungen rasch im zweistelligen Bereich, um ein schönes Endresultat zu erzielen.
Die Grösse des Tattoos ist für die Zahl der Sitzungen tatsächlich weniger entscheidend als die Menge und Qualität der verwendeten Farbe und wie effizient die Haut diese abbaut. Dafür förderlich ist ein guter Stoffwechsel.
Theissing kennt einige Tipps, wie die Klientinnen zu einer rascheren Entfernung des Tattoos beitragen können: «Es hilft, viel Wasser zu trinken, die Stelle zu massieren, um das Lymphsystem und die Haut anzuregen und sie regelmässig einzucremen.»
Klassische Tattoocremes empfiehlt er dabei nicht, diese seien zu fetthaltig, was den Farbabbau hemme. Stattdessen helfe eine Feuchtigkeitscreme, die Poren zu öffnen.
Schmerzhaft und teuer
Auch wenn die Hemmschwelle für das Stechen eines Tattoos gerade bei der jüngeren Generation gesunken ist, sollte der Schritt wohlüberlegt sein. Denn ist das Weglasern schmerzhafter als das Stechen. Theissing vergleicht den Schmerz beim Lasern mit einem gut gestrafften Gummiband, das immer wieder auf die Haut gefletscht wird.
Hinzu kommen die stattlichen Kosten. Die Entfernung eines Tattoos in der Grösse eines «Fünfliibers» kostet im «Renaissance» pro Sitzung rund 90 Franken, bei einem Tattoo in Postkartengrösse muss pro Sitzung mit 240 bis 360 Franken gerechnet werden. «Wir haben sehr faire Preise, andere Studios beginnen erst bei 160 Franken oder mehr pro Sitzung», ergänzt er.
Die stolzen Preise hängen mit den hohen Anschaffungskosten der Pico-Laser zusammen, für ein gutes Gerät muss mindestens mit einem mittleren vierstelligen Betrag gerechnet werden. Dafür dürfen die Kundinnen auch ein gutes Endresultat erwarten.
«Natürlich kann ich im Vorhinein keine Garantie geben, da ich nicht weiss, was für Farbe verwendet wurde», sagt Theissing, «doch können wir tatsächlich die meisten Tattoos zu 100 Prozent entfernen». Manche Farben seien allerdings schlicht nicht für die Entfernung geeignet, so zum Beispiel solche mit einem hohen Metallanteil.
Welchem Tattootrend droht das Arschgeweih-Schicksal?
Manchmal mangle es auch an der Geduld der Kunden. In solchen Fällen empfiehlt er, das alte Tattoo für ein Cover-up bloss aufzuhellen. Wird hingegen direkt über das alte Tattoo gestochen, droht die Gefahr des Wasserzeichen-Effekts, also dass das alte Tattoo nach einigen Jahren wieder durchdrückt.
Waren vor rund 20 Jahren Arschgeweihe eines der beliebtesten Tattoodesigns überhaupt, sind sie mittlerweile der Klassiker schlechthin, wenn es um Tattoomotive und -körperstellen geht, die schlecht gealtert sind.
Welche aktuellen Tattootrends laufen Gefahr, dereinst diese Rolle einzunehmen? Marc Theissing wagt einen Blick in die Glaskugel: «Ich vermute, dass alles in Richtung Mandala das Tribal von morgen sein könnte», sagt er mit einem Schmunzeln.
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