Peter Forsberg ist einer der ganz grossen Namen in der Welt des Eishockeys. Als einer von nur drei Spielern hat er es geschafft, mindestens zweimal den Stanley Cup, WM- und Olympiagold zu gewinnen. Seit 2018 wohnt er im Kanton Zug.
Wir haben ihn in Zug im Büro der Beratungsfirma 4sports, wo der 48-Jährige Partner und Verwaltungsrat ist, zum Gespräch getroffen, wollten von ihm wissen, ob die junge Spielergeneration anders tickt, warum er sich für Zug als Wohnort entschieden hat und weshalb es ein Nachteil sein kann, in Zug mit Englisch überall durchzukommen.
Exklusiver geht kaum: Nur drei ehemalige Eishockeyspieler weltweit können von sich behaupten, Teil des «Double Triple Gold Clubs» zu sein, sprich mindestens zweimal den Stanley Cup, Olympia- und WM-Gold gewonnen zu haben. Neben den beiden Russen Vyacheslav Fetisov und Igor Larionov ist dies Peter Forsberg.
Hinzu kommen zahlreiche persönliche Auszeichnungen, die der Schwede während seiner langen Karriere bis zu seinem offiziellen Rücktritt am 14. Februar 2011 erhalten hat (siehe Box). Der heute 48-Jährige gehört somit zu den erfolgreichsten Spielern aller Zeiten.
Heute lebt der zu seiner Zeit wohl beste Zwei-Wege-Stürmer der Welt mit seiner Familie weder in Schweden noch in seiner langjährigen Heimat USA, sondern in der Schweiz – genauer im Kanton Zug. Dies seit mittlerweile dreieinhalb Jahren. Den Weg in die Schweiz hat Forsberg dank seiner Verlobten Nicole Nordin gefunden, die bei einer Schweizer Schuhmarke einstieg.
Die Wahl auf Zug fiel unter anderem dank Daniel Giger, ehemaliger EVZ-Meisterspieler und CEO von 4sports, einer Sport-Marketing-Agentur und Event-Management-Firma mit Sitz in Zug. Giger schwärmte Forsberg bei einem Charity-Golfturnier vom Kanton Zug vor und überzeugte ihn so.
Mittlerweile lebt Forsberg nicht nur in Zug, sondern hat auch seine beruflichen Standbeine hier aufgebaut. Welche dies sind, was er an Zug schätzt, ob er für NHL-Spiele immer noch nächtelang aufbleibt und ob es sein zigfach operierter Fuss es erlaubt, wieder auf dem Eis zu stehen, verrät er in unserem Interview.
Herr Forsberg, geniessen Sie aktuell die letzten ruhigen Nächte, bevor Mitte Oktober die neue NHL-Saison losgeht und Sie bis tief in die Nacht aufbleiben müssen?
Dies mache ich nur noch selten, höchstens am Wochenende. Ansonsten geht dies schlecht, wenn ich am nächsten Tag mit den Kindern aufstehen muss – insbesondere bei Spielen im Westen wie bei Heimpartien meines langjährigen Arbeitgebers Colorado Avalanche.
Da beginnen die Spiele manchmal erst um 3 Uhr Schweizer Zeit. In solchen Fällen beschränke ich mich auf das Schauen der Highlights am nächsten Tag. Ich verfolge die NHL aber nach wie vor sehr eng und reise auch ein- bis zweimal pro Jahr nach Nordamerika, um einige Spiele zu besuchen und alte Freunde zu treffen.
Die vergangene NHL-Saison war eine besondere – nur schon deswegen, weil die Teams bis zu den Playoff-Halbfinals ausschliesslich innerhalb ihrer Division spielten. Wie blicken Sie auf die letzte Spielzeit zurück?
Ich verfolgte sie aufmerksam, nicht nur weil Victor Hedman, der aus meiner Heimatstadt Örnsköldsvik stammt, mit den Tampa Bay Lightning am Ende wieder den Stanley Cup gewinnen konnte. Es ist beeindruckend, dass sie den Erfolg wiederholen konnten, nachdem sie davor mehrmals als Mitfavoriten vorzeitig gescheitert waren.
Wer ist Ihr Favorit für die kommende Saison?
Tampa Bay wird auf jeden Fall wieder ein gewichtiges Wort mitreden. Auch die Vegas Golden Knights und die Colorado Avalanche werden stark sein. Einige Teams wie die Los Angeles Kings oder die New Jersey Devils werden wohl noch etwas Zeit brauchen, um den ganz grossen Wurf zu landen. Für die Conference Finals tippe ich im Westen auf Colorado und Vegas, und im Osten auf Tampa Bay und die New York Rangers.
Sie haben selbst viele Jahre für die Colorado Avalanche gespielt. Wie viele Leute sind in der Organisation immer noch mit dabei, mit denen Sie noch zusammengearbeitet haben?
Mitte Oktober werde ich für ein Benefizspiel nach Denver fliegen, um Pierre Lacroix zu gedenken, der Ende letztes Jahr an den Folgen von Covid-19 verstarb. Er war der Architekt unserer zwei Stanley-Cup-Siege 1996 und 2001.
Dann werde ich auf jeden Fall manche bekannte Gesichter sehen, unter anderem sind einige Trainer und Medienleute immer noch bei den «Avs» tätig – und natürlich ist Joe (Sakic, Anm. d. Red.) dort nun General Manager (GM).
Ich lebte insgesamt rund zehn Jahre in Denver, entsprechend habe ich auch immer noch Freunde dort, die nichts mit Eishockey zu tun haben. Andere ehemalige Teamkollegen sind mittlerweile anderswo GM, wie Rob Blake in Los Angeles und Chris Drury bei den New York Rangers. Ich freue mich sehr darauf, sie alle wiederzusehen.
Zur Person Peter Forsberg (48) wuchs im schwedischen Örnsköldsvik auf und begann seine Eishockey-Karriere beim dortigen Verein MoDo. Seine grössten Erfolge auf Vereinsebene feierte er im Trikot der Colorado Avalanche, als er 1996 und 2001 den Stanley Cup gewann. Sein Palmarès wird ausserdem von mehreren persönlichen Auszeichnungen geschmückt. So wurde er unter anderem in der Saison 2002/03 als MVP ausgezeichnet, als in der regulären Saison ebenfalls Topscorer war. Zum Ende seiner Karriere spielte er ausserdem für die Philadelphia Flyers, die Nashville Predators sowie wiederum seinen Stammverein MoDo. Insgesamt bestritt er in der NHL 859 Partien und erzielte dabei 1056 Scorerpunkte. Mit der schwedischen Nationalmannschaft wurde er 1994 und 2006 Olympiasieger und 1992 sowie 1998 Weltmeister. Seit April 2018 lebt Peter Forsberg mit seiner Verlobten Nicole Nordin und seinen drei Kindern Lennox, Lily und Diego im Kanton Zug. Lennox spielt in der U11 des EV Zug.
Sie sind Verwaltungsrat und Partner bei 4sports. Wie oft sind Sie für 4sports in Nordamerika und Schweden unterwegs?
Ich bin grundsätzlich für die Spieler, die wir betreuen, nicht die erste Ansprechperson. Aber ich schaue hin und wieder bei den Jungs vorbei und erkundige mich, wie es bei ihnen läuft.
Was ist Ihre Rolle bei 4sports?
Primär das «Recruiting». Jedoch habe ich auch noch andere Aufgaben, weswegen ich nicht ständig am Reisen bin. Unter anderem helfe ich den Spielern auch bei Dingen, die nicht direkt mit Hockey zu tun haben, beispielsweise bei Werbeverträgen. Und ich tausche mich regelmässig mit unseren Mitarbeitern in Schweden aus.
Sie haben entsprechend viel mit der jungen Spielergeneration zu tun. Spüren Sie, dass es punkto Mentalität Unterschiede gibt zu jener Zeit, als Sie ein junger Spieler waren?
Ja, die gibt es tatsächlich. Unter anderem lesen die Spieler heute viel mehr über sich, machen anschliessend beispielsweise ihren Anspruch geltend, öfter Powerplay zu spielen. Früher wussten wir: Wenn wir mehr Powerplay spielen wollen, müssen wir einfach härter an uns arbeiten. Natürlich haben auch die sozialen Medien viel verändert, man steht quasi unter ständiger Beobachtung und ein Fehltritt kann dich unter Umständen deine Karriere kosten.
Zudem waren wir damals viel mehr auf uns gestellt. Wir hatten zwei bis drei Stunden Training pro Tag und mussten selbst entscheiden, wie wir die restliche Zeit verbringen wollen. Heute nimmt Eishockey fast 24 Stunden des Tages ein, nicht nur das Training, sondern auch das ganze Drumherum wie die Ernährung und Regeneration.
Der Sport hat sich also generell verändert. Für die Spieler ist es meiner Meinung nach heute mental schwieriger, da sie neben dem Hockey aus Zeitgründen meist nicht viel anderes haben, das ihnen sonst noch Halt gibt, wenn es auf dem Eis gerade harzig läuft.
Sie hatten in den letzten Saisons Ihrer Karriere als Spieler noch aus einem weiteren Grund mehr Zeit für andere Dinge: Sie bestritten aus Verletzungsgründen in den letzten vier Spielzeiten vor Ihrem Rücktritt nur noch insgesamt 55 Spiele. Hat die zusätzliche Zeit neben dem Eis Ihnen geholfen, sich auf das Leben nach dem Sport vorzubereiten?
Ja, ich denke schon. Es ist dies sozusagen die gute Seite meiner Verletzungs- und Operationsserie. Ich begann mich mit anderen Dingen zu beschäftigen und fasste auch den Entschluss, nach dem Karriereende gleich eine Ausbildung in Angriff zu nehmen.
Ausserdem beteiligte ich mich an einigen Firmen. Nicht nur aus finanziellen Gründen ist es wichtig, nach dem Rücktritt eine Beschäftigung zu haben, etwas, wofür es sich am Morgen lohnt, aufzustehen.
Ich war nach dem Rücktritt auf jeden Fall ausgelastet. Auch wenn es hart ist, sich als Hockeyprofi noch etwas anderem zu widmen, lohnt es sich. Denn je nachdem was passiert, kann deine Karriere von heute auf morgen zu Ende sein.
Dachten Sie nie, ich sehe das Spiel nun mit anderen Augen und sollte vielleicht Trainer oder GM werden, als Sie verletzt auf der Tribüne sassen?
Ich war eine Zeit lang Assistenz-GM bei meinem Stammverein MoDo, jedoch realisierte ich, dass mir die Zeit dafür fehlt mit der Familie und den Firmen, bei denen ich beteiligt bin. Als mein Vater Trainer war, habe ich ausserdem gesehen, wie viel Zeit der Job beansprucht.
Ich wäre aber wohl sowieso kein guter Trainer, dafür bin ich zu nett (lacht). Jedoch liebe ich den Sport immer noch und es ist schön, das Wissen und die Erfahrungen irgendwie weiterzugeben, nun eben bei 4sports.
Eine dieser Firmen ist Aycane, die Sie mitgegründet haben. Ihr stellt unter anderem Funktionswäsche für Hockeyspieler her. Erst letztes Jahr gegründet, sind eure Produkte in der NHL bereits im Einsatz?
Ja, unter anderem setzt Timo Meier darauf, der auch bei der Entwicklung der Produkte beteiligt war. Dazu Spieler wie Victor Hedman, Hampus Lindholm, Rickard Rakell und in der Schweiz beispielsweise Sven Andrighetto.
Wie oft stehen Sie selbst noch auf den Schlittschuhen, um beispielsweise mit den Kindern Hockey zu spielen? Oder lässt dies Ihr unzählige Male operierter Fuss nicht mehr zu?
Gewisse Probleme wird mir der Fuss immer bereiten. Aber er fühlt sich auf jeden Fall besser an als auch schon. So trainiere ich seit September mit den EVZ-Senioren, wo der Spass im Vordergrund steht. Checks oder Slapshots sind tabu. Davor bin ich tatsächlich rund sieben Jahre nicht mehr regelmässig Schlittschuh gelaufen.
Ausschliesslich aus gesundheitlichen Gründen?
Naja, der Zeitfaktor spielte auch eine Rolle, insbesondere als wir in Stockholm lebten und die Kinder noch jünger waren. Ausserdem ist es in Schweden so, dass dich beim Hockey ständig jemand herausfordern will, das kann anstrengend sein. Hier geht wirklich um den Spass.
Wie sehen Sie das Niveau der National League? Überall wird von unserer Liga geschwärmt, doch scheitern die Schweizer Klubs in der Champions Hockey League (CHL) meist vorzeitig.
Ich denke, dies wird sich ändern. Meiner Meinung nach steigt das Niveau der Liga stetig, auch die Erhöhung des Ausländerkontingents wird dazu beitragen. Ausserdem stehen die meisten Schweizer Klubs finanziell auf gesunden Beinen, plus die Liga ist dank der neuen und gut gefüllten Stadien attraktiv. Ich erwarte entsprechend, dass wir in den kommenden Jahren einige Schweizer Vereine mindestens im CHL-Halbfinale sehen werden.
Meist sind es schwedische Teams, die am Ende den Pokal in die Höhe stemmen können. Was haben sie den Schweizern voraus?
(Überlegt) Eine ihrer Stärken ist die Kadertiefe, sie haben vier ausgeglichene Linien. Bei Schweizer Vereinen ist das Gefälle zwischen der ersten und vierten Linie teilweise grösser.
Sie wohnen seit rund dreieinhalb Jahren in Zug, einem sehr internationalen Ort, wo zweifellos niemand schräg angeschaut wird, wenn er auf Englisch etwas bestellen möchte. Hat dies Ihnen die Integration vereinfacht?
Auf jeden Fall. Vor allem auch für meine Kinder war dies zu Beginn eine grosse Hilfe, da sie kein Wort Deutsch sprachen, als wir hierherzogen. Manchmal wünschte ich mir jedoch, wir wären an einen Ort gezogen, wo man nicht so leicht mit Englisch durchkommt, damit wir gezwungen gewesen wären, Deutsch zu lernen (lacht).
Je nachdem, wie lange wir in Zug bleiben, werden wir nicht darum herumkommen, Deutsch zu lernen. Nur schon, um den Kindern weiterhin bei den Hausaufgaben helfen zu können.
Was schätzen Sie an Zug besonders?
Es ist bietet generell sehr viel Lebensqualität. Unter anderem fühlt man sich hier sehr sicher. Ausserdem komme ich als Liebhaber italienischen Essens hier auf meine Kosten, zum Beispiel im Restaurant Puccini. Und für Sushi gibt es beispielsweise das Negishi im Metalli.
Was von Ihrer Heimat vermissen Sie hier am meisten?
Schwierig zu sagen, denn wir reisen alle paar Wochen nach Schweden. Vielleicht die Sprache und natürlich Freunde und Familie. Von meiner Zeit in Nordamerika bin ich mir es gewohnt, nicht in Schweden zu leben, jedoch verbrachte ich die Sommermonate jeweils in meiner Heimat. Wäre dies nicht möglich, würde mir es auf jeden Fall fehlen, denn Schweden ist im Sommer wunderschön.
Werden Sie in Schweden immer noch auf der Strasse erkannt und nach Fotos gefragt?
Ab und zu, jedoch weniger von der jüngeren Generation. Die kennen mich eher von TV-Shows, in denen ich auftrat. Wenn ich Hockeyschulen besuche, sind es jeweils die Eltern, die ihre Kinder darauf aufmerksam machen, wer ich als Spieler war.
Dann schauen sich die Kinder zuhause einige Highlight-Videos auf Youtube an und beim nächsten Mal sagen sie «ja, du warst tatsächlich ganz gut als Spieler». Hier in der Schweiz kennen mich die Leute höchstens vom Namen her, aber nicht mein Gesicht.
Gibt es auch Aspekte aus Ihrer Zeit in Nordamerika, die Sie vermissen?
Québec erinnerte mich an meine Heimatstadt Örnsköldsvik: Eine verhältnismässig kleine, hockeyverrückte Stadt. Wir waren damals eine aufstrebende Franchise, entsprechend tat es mir für die Quebecer leid, als wir nach Colorado verkauft wurden. Auf der anderen Seite bin ich überzeugt, dass die Stanley-Cup-Siege aus finanziellen Gründen in Québec nicht möglich gewesen wären.
An Denver vermisse ich, nach einem Sieg bei 25 Grad mit dem Auto durch die Stadt zu fahren und einem die Fans dabei zugejubelt haben. Ich liebe Denver generell: Die Berge und Skigebiete sind nah, die Leute nett und sie lieben es, draussen zu sein. Es ist mittlerweile eine Grossstadt, die sich nicht als solche anfühlt. Auch wenn es unfassbar ist, wie stark sie in den letzten 20 Jahren gewachsen ist.
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