Gebietsfremde Insekten und Pflanzen, die in ihrer neuen Umgebung Schaden anrichten, gelten als invasiv. Ein solcher Übeltäter ist der Japankäfer, der im Tessin sein Unwesen treibt. Um seine Verbreitung in der Schweiz möglichst schnell zu hemmen, wird die Bevölkerung zur Unterstützung aufgefordert.
Wo bunte Gärten waren, ist von einer Blütenpracht nichts mehr zu sehen und von den grünen, saftigen Blättern sind nur noch deren Skelette übrig. Solch ein schauriges Bild der Verwüstung ist im Tessin seit 2017 vermehrt anzutreffen. Grund dafür ist das Wüten des invasiven Japankäfers (Popilia japonica), benannt nach seiner ursprünglichen Heimat.
In Europa ist der gefrässige Japankäfer ein gewaltiger Parasit, doch im asiatischen Raum richtet er kaum Schaden an. «Das liegt daran, dass er dort in ein Ökosystem eingebettet ist, das über Jahrhunderte oder Jahrtausende entstanden ist und ein Gleichgewicht zwischen Nützlingen und Schädlingen gebildet hat», erläutert Raymund Gmünder, Leiter des kantonalen Pflanzenschutzdienstes Zug. Ausserhalb des asiatischen Raumes habe der Japankäfer deutlich weniger natürliche Feinde, weswegen die Menschen ihn künstlich in Schach halten müssen.
Ein Japankäfer kommt selten allein
Um festzustellen, ob sich bereits einzelne Käfer nach Zug verirrt haben, hat Raymund Gmünder neben den Bahnhöfen in Baar und Rotkreuz diesen Sommer je eine Falle für die Krabbeltierchen aufgestellt. Diese Standorte sind für die Fallen optimal, da sich der Käfer gerne in Gartencentern, Kompostieranlagen und Verkehrsachsen wie solchen neben den Bahnhöfen aufhält.
Gmünder prüft regelmässig, ob er einen Japankäfer gefangen hat, doch ein potenzieller Fang ist nur für das kleine Gebiet des unmittelbaren Umkreises der Fallen aussagekräftig. «Deswegen bin ich froh um die Mithilfe der Bevölkerung aus dem ganzen Kantonsgebiet», meint er. Wer auf einen Japankäfer trifft, soll ein Foto davon schiessen und dem Leiter des kantonalen Pflanzenschutzdienstes zusenden, den Sichtungsort melden und das Exemplar, wenn möglich, einfangen.
Anschliessend soll der Käfer eingefroren an die Adresse des Landwirtschaftlichen Bildungs- und Beratungszentrums Zug (LBBZ) gesendet oder vorbeigebracht werden (siehe Box). Fressschäden können ein Hinweis auf mögliche Japankäfer in der Umgebung sein, brauchen jedoch nicht gemeldet zu werden.
Daran erkennst du den Japankäfer Der gebietsfremde Käfer ist mit einer Länge von acht bis zwölf Millimetern deutlich kleiner als der Maikäfer, doch sein Körperbau ist sehr ähnlich. Während seine Flügelpartie etwas goldiger ist als das Braun des Maikäfers, sticht sein goldgrüner Halsschild sofort ins Auge. Die weissen Haarbüschel an seinen Seiten sind ein weiteres Merkmal, das den Japankäfer vom einheimischen Gartenlaubkäfer deutlich unterscheidet.
Falls ein Käfer in eine Falle tappt oder von der Bevölkerung gemeldet wird, werden rund um die Fangstellen zusätzliche Fallen aufgestellt. So werde geprüft, ob es sich beim Käfer um einen Einzelfang gehandelt hat, oder ob es bereits Populationen gibt, die sich auf dem Gebiet festgesetzt haben, erklärt Gmünder.
Falls Letzteres der Fall ist, wird in einer ersten Phase versucht, mit vielen Fallen Massenfänge zu machen, um den Käfer wieder auszurotten. Wenn dieser aber bereits eine grössere Fläche befallen hat, reichen die Fallen nicht mehr aus.
«In diesem Fall kommen Insektizide und ein Pilz zum Einsatz», so Gmünder. Ist der Befall aber zu gross, so wie im südlichen Tessin, könne der Käfer nicht mehr ausgerottet werden. «Dann brauchen Landwirte Methoden, um den Schaden tief zu halten. Dazu gehört der konsequente Einsatz eines Pilzes, der jedoch nie eine 100-prozentige Wirkung hat», erläutert Gmünder.
Die Verbreitung vorbeugen
Es ist wichtig, die Verbreitung des Käfers möglichst schnell festzustellen, um ein Szenario wie im Südtessin zu vermeiden. Denn verglichen mit dem Maikäfer, der in grossen Mengen ebenfalls als Parasit gilt, vermehrt sich der Japankäfer fast dreimal so schnell.
So dauert der Entwicklungszyklus des Maikäfers drei Jahre, der Japankäfer hingegen braucht nur ein Jahr, um sich vom Ei zum ausgewachsenen Käfer zu entwickeln. Bereits im Larvenstadium, wenn das Tierchen in der Erde krabbelt, frisst der Japankäfer wahllos Wurzeln und Pflanzen an.
Wenn er im Juni schlüpft, nimmt er sich die oberirdischen Pflanzen vor und fliegt zur Paarung aus. Bei Temperaturen über 21 Grad fühlt sich der Käfer wohl, tiefere Temperaturen machen ihn hingegen träge. Aus diesem Grund dauert seine Hauptflugzeit von Juni bis September und erreicht ihren Höhepunkt im Juli.
Die beste Lösung gegen den Parasiten ist die Vorbeugung, denn wenn der Käfer einmal da ist, gleicht es einer Herkulesaufgabe, ihn loszuwerden. Doch wie ist er überhaupt in den Westen gekommen? Der Käfer liess sich als blinder Passagier in Pflanzen und deren Erde bereits Anfang des 20. Jahrhunderts mit dem Flugzeug nach Amerika transportieren. Mit zunehmendem Verkehr von Japan nach Europa ist der Käfer auch hierher ausgewandert.
Auch heute sollte man als Tourist darauf achten, den Schädling nicht aus Versehen aus einem befallenen Gebiet an den Kleidern oder in der Erde einer Topfpflanze zu verschleppen, ratet Gmünder. Denn bereits nur ein verschleppter Käfer kann grossen Schaden anrichten.
Pilz vs. Käfer
Denn wenn sich der Käfer ans Fressen macht, bleiben am Schluss nur Pflanzenskelette übrig. So kommt ein Japankäfer selten allein und sein Schwarm befällt die rund 300 Pflanzenarten, die auf seiner Speisekarte stehen, komplett. Der Japankäfer erfreut sich an Blättern, Blüten und Früchten wichtiger Nutzpflanzen wie Mais, Reben, Tomaten und Erdbeeren.
Allerdings ist die Ernte den Schädlingen nicht schutzlos ausgesetzt. Ein Mittel gegen den Parasiten ist ein Pilz, der die Larven des Käfers in der Erde abtötet. Forscher von Agroscope, dem nationalen Kompetenzzentrum für landwirtschaftliche Forschung, haben bereits 2017 denselben Pilz, der die Engerlinge des Mai- und Junikäfers abtötet, unter Laborbedingungen gegen den Japankäfer eingesetzt.
Das Resultat war eindeutig: Der Pilz hilft auch gegen den Schädling aus Fernost. Allerdings dauert es nach wie vor, bis sich die vielversprechenden Resultate auch im Feldeinsatz niederschlagen können.
So müssen bis dahin mehrere Tests gemacht werden, bis der Pilz eingesetzt werden darf. Dazu gehört auch das Experimentieren mit verschiedenen Pilzstämmen, denn diese müssen darauf geprüft werden, welcher am besten und nachhaltigsten wirkt, führt Gmünder aus.
Die Alpen halten Stand
Noch wurden bislang keine Japankäfer nördlich der Alpen gesichtet. Eine Ausnahme stellt ein gefangenes Exemplar beim Güterbahnhof Basel dar. Dort wird aktuell abgeklärt, ob weitere Käfer auf dem Gebiet gefunden werden können oder ob es sich hierbei nur um einen einzelnen blinden Passagier auf einem Bahnwagen handelte.
«Bei der Überwachung geht es darum, möglichst rechtzeitig den ersten Käfer nördlich der Alpen zu finden, um reagieren zu können, bevor er seine Eier ablegen und sich in der Gegend etablieren kann», so Raymund Gmünder. Glücklicherweise wurde festgestellt, dass der Basler Käfer ein Männchen war, denn nur weibliche Japankäfer können Eier legen.
«Mit der zunehmenden Globalisierung werden wir es immer mehr mit invasiven Insekten zu tun haben», bestätigt Gmünder und erinnert an den asiatischen Laubholzbockkäfer sowie an die Marmorierte Baumwanze, ebenfalls aus Asien, die in der Schweiz grossen Schaden angerichtet haben.
Mit dem globalen Personen- und Güterverkehr geht ein sehr hohes Risiko für die Verschleppung von gefährlichen Schädlingen einher. «Deswegen wurden die Kontrollen an Grenzflughäfen und -bahnhöfen stark intensiviert», sagt Gmünder.
Die Zuger Bevölkerung kann helfen, indem sie Fotos von möglichen Japankäfern an folgende Adresse sendet: raymund.gmuender@zg.ch, oder per Whatsapp an: 079 322 27 64. Exemplare des Japankäfers können gesendet oder gebracht werden: LBBZ Schluechthof, Bergackerstrasse 42, 6330 Cham. Weitere Informationen unter www.schluechthof.ch
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