Heisse Tage, warme Nächte. Die steigenden Durchschnittstemperaturen stellen vor allem die urbanen Zentren vor grosse Herausforderungen. Bei der Suche nach einer möglichen Abkühlung spielt der Umgang mit dem Wasser eine zentrale Rolle – gerade für das Überleben in der Grossstadt.
Genf 38,3 Grad Celsius, Basel 36,5 Grad, Bern 35,1 Grad, Zürich 34,7 Grad – der letzte Sommer sorgte für überdurchschnittlich viele Hitzetage und Tropennächte. Während im letzten Jahr in mehreren Monaten Hitzerekorde gebrochen wurden, war 2022 auch insgesamt das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in der Schweiz. Dabei ist eine anhaltende Hitzeperiode besonders für die Städte ein Problem. Durch die bauliche Verdichtung gibt es in den Innenstädten nicht genügend Abkühlungsmöglichkeiten und es entstehen wortwörtliche Hitzeinseln. Also Orte, an denen die Hitze eingeschlossen und gespeichert wird.
Beim Interdisziplinären Themencluster der Hochschule Luzern (HSLU) heisst es: «Der Klimawandel führt in den gemässigten Breitengraden im Sommer zu häufigeren und längeren Hitzeperioden», wozu auch die Schweiz zählt. Aus diesem Grund beschäftigt man sich an der Hochschule nicht nur in einzelnen Disziplinen mit dem Thema, sondern versucht es umfassend anzugehen. Damit urbane Gebiete in der nahen Zukunft nicht zu unbehaglichen Lebensräumen werden.
Gefährliche Kettenreaktionen
Laut einer Studie der Technischen Universität München beträgt der durchschnittliche Temperaturunterschied zwischen der Stadt und der Agglomeration im Sommer bereits heute 1,3 Grad. Eine höhere Luftbelastung durch Verkehrs- und Industrieabgase, Flächenversiegelung und bauliche Verdichtung führen nicht nur zu erhöhten Temperaturen im urbanen Raum, sondern haben auch negative Auswirkungen auf die Insekten- und Vogelpopulationen, was wiederum zu Monokulturen führt. Ebenso wie es bei den Problemen nicht allein die höhere Anzahl an Hitzetagen ist, braucht es auch verschiedene Werkzeuge, um die Städte zukunftssicherer und damit auch lebensfreundlicher zu gestalten.
Vor allem sollte man bedenken, dass die Schweizer Städte für unsere heutige Klimazone ausgelegt sind. Strassen, Leitungen, Kanalisation und selbst die meisten Begrünungen sind nicht dafür ausgelegt, um pro Jahr 40 Hitzetage – Tage, an denen über 30 Grad Celsius erreicht werden – und die daraus resultierenden Folgen wie Starkwetterereignisse auszuhalten.
Grün und Blau sind meine Farben
In Zürich hat man bereits 2021 unter dem Motto «Mehr Grün und Blau statt Grau» beschlossen, sich den Herausforderungen langfristig anzunehmen. Zur Minderung der Hitzebelastung im Sommer sollen zukünftig mehr durchgrünte Siedlungen entstehen. Dazu gehören nicht nur schattenspendende Bäume, sondern auch unversiegelte Flächen und kühlende Wasserelemente. Ausserdem muss eine ständige Zirkulation der Kaltluft aus dem Umland ermöglicht werden – Gebäude und Wärmeproduzenten wie Industrieanlagen sollten also nicht die bestehenden Kaltluftschneisen blockieren. «Als positiver Nebeneffekt steigert ein grösserer Grünanteil die Lebensqualität im Quartier, was sich wiederum positiv auf die Standortattraktivität auswirkt», heisst es im Konzept der Stadt.
Klimaanpassungen werden in der Stadtentwicklung zu einem zentralen Thema werden und sollten schon heute bei der Planung von Quartieren eine dominante Rolle spielen. Allerdings bewegt man sich bei der Stadtplanung in den meisten Fällen in bestehenden Strukturen, deren Anpassung eine zeit- und kostenintensive Aufgabe darstellt – selbst ohne möglichen Widerstand aus der Politik und der Bevölkerung.
Alle Wege führen zur Schwammstadt
Wenn es heute zu einer Überschwemmung durch Starkregen kommt, liegt dies nicht nur am Aufnahmelimit der Kanalisation. Das Wasser sucht sich zum Abfliessen seinen natürlichen Weg und steht anschliessend für die nächste Hitzeperiode nicht mehr zur Verfügung. Dass es mit einer zusätzlichen Baumallee und einer autofreien Strasse nicht getan ist, zeigt sich beim ganzheitlichen Konzept der Schwammstadt. In dieser soll das Wasser nicht einfach aus dem Quartier abfliessen, sondern auf natürlichen Wegen vor Ort gespeichert werden.
Laut Professor Peter Schwehr, Leiter Kompetenzzentrum für Typologie & Planung in Architektur an der HSLU, könnte man in Luzern beispielsweise freie Flächen in Parks umwandeln, welche dann im Falle von Starkregen durch die Wassermassen zu einem künstlichen Teich werden. Mit dem richtigen Konzept für die Oberflächen im urbanen Raum kann die ganze Stadt quasi selbst zu einem grossen Schwamm werden, welcher das Wasser aufnimmt und speichert. Durch diese Art von Regenwasserbewirtschaftung kann das kühle Nass anschliessend für andere Zwecke verwendet werden.
Das gespeicherte Wasser kann zudem nach dem Extremwetterereignis als eine Art natürliche Klimaanlage für die Stadt genutzt werden, wenn es per Verdunstung die Umgebungsluft abkühlt. Ausserdem müssen die Pflanzen in der Umgebung nicht extern bewässert werden, wenn sich der Boden mit ausreichend Feuchtigkeit vollgesogen hat. Damit dies geschehen kann, braucht es in den Städten ausreichend offene Flächen anstelle von zugepflasterten Asphaltwüsten.
Dass es sich bei der Schwammstadt nicht nur um ein Konzept oder Ideal handelt, zeigt die Stadt Kopenhagen. Dort wurde vor Kurzem ein multifunktionaler Park – inklusive Teich – eröffnet, der im Notfall 15’000 Kubikmeter Wasser aufnehmen kann. Das entspricht umgerechnet 75’000 Badewannen. Und auch in der Giessereistrasse in Zürich läuft bereits ein Pilotprojekt, bei dem die Vorteile der Schwammstadt in der Realität erprobt werden. So fliesst dort aktuell das Wasser nur noch im Winter in die Kanalisation.
Kühle Wände, angenehme Nächte
Zu einer zukunftsfähigen Stadt, die Wasser aufnehmen und speichern kann, gehören letztendlich auch begrünte Fassaden und Dächer. Deshalb forscht man am Institut für Gebäudetechnik und Energie der HSLU auch daran, wie man mit dem geringsten Aufwand den grössten Effekt bei der Kühlung von Gebäuden erzielen kann. Laut Urs-Peter Menti, Co-Leiter des Instituts, lässt sich so die Temperatur an der Oberfläche um bis zu 8 Grad senken, wenn mit begrünten Fassaden gearbeitet wird. So spart man nicht nur Energie bei der Kühlung der Gebäude, sondern die Gebäude selbst geben auch weniger Hitze an ihre Umgebung ab. Auf der Suche nach der idealen Kletterpflanze für den vertikalen Anbau wurden die Pflanzen an der HSLU nicht nur auf ihren Windwiderstand getestet, sondern auch verschiedene Materialien als Kletterhilfe ausprobiert.
Bei ständig wachsenden Städten dürften die Hitzeprobleme zukünftig noch zunehmen. Denn je grösser eine Stadt ist, desto stärker kann sie sich aufheizen und desto länger dauert die Abkühlung. Und wer sich an den schlechten Schlaf der letzten Tropennacht im August 2022 erinnert, weiss, dass darunter auch die Produktivität am nächsten Tag leidet. Von den gesundheitlichen Folgen der Hitze mal abgesehen.