Mit dem Rennrad stellt jeder nichtasphaltierte Streckenabschnitt ein schier unüberwindbares Hindernis dar. Und mit dem Mountainbike wird das Radeln auf Asphalt sogleich zum mühseligen Kraftakt. Die Lösung für jenes Dilemma bietet das Gravelbike. Dieses ist auch für verschiedenste Zuger Routen ideal geeignet.
Mit dem Mountainbike lässt es sich mit Leichtigkeit über Steine und Wurzeln fahren, die Federung dämpft die Schläge ideal und die breiten Reifen mit Profil sorgen dafür, dass die Rutschgefahr auch in unwegsamem Gelände minimiert wird. Radelt man hingegen mit dem Mountainbike auf asphaltierter Strasse, wird die Fahrt rasch mühselig, der Rollwiderstand macht das Pedalieren um ein Vielfaches anstrengender und die «Gümmeler» ziehen mit Leichtigkeit und eklatantem Geschwindigkeitsüberschuss vorbei.
Gilt es mit dem Rennrad hingegen, eine weniger gut ausgebaute Strasse mit Schlägen und vereinzelten losen Kieselsteinen zu bewältigen, schrillen sogleich (zu Recht) die Alarmglocken – geschweige denn, es geht über einen Kiesweg. Nur einmal zu ruckartig die Bremse betätigen oder etwas optimistisch in die Kurve gehen, und man legt sich äusserst schmerzhaft auf den Asphalt. Will man dieses Szenario vermeiden, ist eine penible Routenplanung nötig, die wiederum die Freiheit und den Fahrspass einschränken kann.
Die Antwort lautet Gravelbike
Wer nun als Resultat dieses beschriebenen Dilemmas nach einem Fahrrad dürstet, mit dem unbefestigte Wege befahren werden können und gleichzeitig schnelles und komfortables Pedalieren über Kies und Schotter erlaubt, landet beim Gravelbike. Dieses wurde genau zu diesem Zweck entwickelt und ist seit Mitte der 2010er Jahre unter diesem Namen bekannt, als verschiedene Hersteller begannen, Räder unter dieser Bezeichnung herauszubringen.
Ursprünglich stammt das Gravelbike aus den USA und hat seinen Ursprung in Radmarathons, die nicht nur auf asphaltierten Strassen stattfinden sollten, sondern auch auf Schotter – oder eben «Gravel». Normale Rennräder waren jedoch ungeeignet für die «Gravel Grinder»-Rennen mit ihren unbefestigten Streckenabschnitten und auch Crossvelos, wie sie bei Querfeldeinrennen eingesetzt werden, stellten sich als nicht ideal geeignet heraus. Denn diese sind auf schnelle Rundstrecken ausgelegt. Das Gravelbike hingegen wurde als Reaktion darauf für lange Fahrten auf nicht asphaltierten Strecken konzipiert.
Man sitzt deutlich entspannter als auf einem Crossbike mit einer eher aufrechten Sitzposition. Hinzu kommen ein relativ langer Radstand, ein höheres Steuerrohr und ein kürzeres Oberrohr. Die breiteren Reifen bieten zudem eine bessere Dämpfung als bei einem Rennrad. Ab der mittleren Preisklasse kommt meist etwas dämpfender Carbon hinzu. Die Rahmen sind in der Regel aus Aluminium, können jedoch auch aus (Edel-)stahl oder Carbon sein.
Zug als Gravelparadies
Um die Vorzüge des Gravelbikes voll ausnutzen zu können, sind keine weiten Reisen in dessen Herkunft Nordamerika nötig, sondern eignet sich auch die Region Zug perfekt dafür. So ist der Rossberg längst kein Geheimtipp mehr unter Zuger Velofans, und auch mit dem Rennrad kommt man vom Zugerberg auf den Wildspitz. Doch: Auf dem Kamm rollt es sich mit dem Gravelbike bedeutend komfortabler.
Besonders reizvoll mit dem Gravelbike ist auch die Spitzibüeltour durch das Goldauer Bergsturzgebiet. Kaum raus aus Goldau, zweigt in Richtung Steinerberg die Strasse gen Spitzibüel ab und man hat die Spuren des Bergsturzes von 1806 als konstanten Begleiter. Vom Rufiberg her wartet schliesslich eine spektakuläre Talfahrt in Richtung Zugersee zurück nach Goldau. Für die Fahrerinnen gilt es rund 1500 Höhenmeter und insgesamt 19 Kilometer, davon zwei Kilometer Naturbelag, zurückzulegen.
Ein zusätzliches Angebot kommt bald
Für alle Zuger Gravelfans wird es ab kommendem Jahr einen zusätzlichen Service geben. So erarbeitet Zug Sports in Zusammenarbeit mit Zug Tourismus aktuell einen Guide mit verschiedenen Zuger Routen, die auf das Gravelvelo zugeschnitten sind. Diese werden dann online unter Zug.Ride zu finden sein – parallel zum bereits existierenden Angebot Zug.Run.
Dort gibt es nicht nur zahlreiche Trails nach unterschiedlichen Kategorien geordnet (Schwierigkeit, Regionen, Distanz, Aufstieg, Untergrund, Streckentyp) zu finden, sondern auch verschiedene Statistiken. So kann man sich registrieren, seine zurückgelegten Distanzen und Höhenmeter erfassen und jene mit den anderen vergleichen. Ausserdem erfährt man auf dem zugehörigen Blog Zusätzliches bezüglich der passenden Ausrüstung, zu LäuferInnen und Tipps, was beispielsweise das Bergauf- und Bergabrennen anbelangt.
Gemeinsam «graveln»
Daniel Schärer, Präsident von Zug Sports, betont, dass das Projekt Zug.Ride noch am Anfang steht und man momentan daran ist, gemeinsam mit dem Amt für Raum und Verkehr abzuklären, welche Strecken sich nicht nur für das Gravelbike eignen, sondern auch als Routentipp mitgegeben werden können, ohne mit anderen Anspruchsgruppen in Konflikt zu geraten.
Schärer nennt ein Beispiel: «Rund um den Ägerisee ist ein Paradies für Gravelbiker – die Unterlage ist über weite Strecken perfekt für diese Art Velo geeignet. Doch gerade am Wochenende hast du auf den Wegen viele Wanderer und Familien, die am See spazieren gehen.» Sollte sich die Zahl der Gravelbikerinnen plötzlich stark erhöhen, wäre Dichtestress auf diesen Wegen entsprechend vorprogrammiert. Deswegen werde man diese Tour auch nicht bewerben, sondern stattdessen attraktive Alternativen aufzeigen. Aufgrund der noch auszuarbeitenden Routen wagt sich Schärer noch nicht auf die Äste hinaus, welche dies sein werden. Was Graveltouren-Tipps anbelangt, verweist er auf den vollen Service ab 2023.
Wer nicht so lange warten möchte und ausserdem seine Touren in Gesellschaft bevorzugt, wendet sich am besten ans Fahrradgeschäft Welcome Cycles an der Aabachstrasse in Zug. Dort treffen sich seit April und noch bis Ende September jeden Mittwoch um 18.30 Uhr Interessierte zum «Gravel Treff». Für 90 bis 120 Minuten geht es dann so oft wie möglich weg von Asphaltstrassen, um die Umgebung neu kennenzulernen. Welcome-Cycles-Mitbesitzer Lukas Blaser verrät eine seiner Lieblingstouren: «Diese führt von Sihlbrugg alles der Sihl entlang bis nach Zürich, direkt in die Stadt. Von da geht’s möglichst schnell an die Limmat, der wir folgen, bis wir auf die Reuss treffen. Dann der Reuss entlang wieder zurück bis nach Sins und dann heim.»