Der Freiruum in Zug ist eine der grössten Zwischennutzungen der Schweiz. Doch ist er auch «too big to fail»? Denn Gastronomie und Events bedienend, wurde er von der Coronapandemie gleich doppelt getroffen. Wir haben Freiruum-Betriebsleiter Marco Husi zum Gespräch getroffen.
Marco Husi – Selten war in den letzten Jahren der Rummel bei einer Eröffnung in Zug derart gross wie im Sommer 2019, als der Freiruum seine Tore öffnete. Eine Zwischennutzung auf dem Siemens-Gelände, die sich auf knapp 8’000 m² erstreckt und neben einem Street-Food-Markt mit 14 Foodständen auch eine Sporthalle für Trampolin- Boulder- und Parkourbegeisterte, eine Vinothek, eine Kaffeerösterei, eine Zigarrenlounge, Konferenz- und Seminarräume, Workshops sowie verschiedene Bereiche für Veranstaltungen jeglicher Art wie Hochzeiten oder Apéros zu bieten hat.
Ein Konzept, das von Tag eins an die Zugerinnen und Zuger zu begeistern vermochte. Doch wie sich seit Ausbruch der Coronapandemie zeigt, auch eines, das fragil sein kann. Denn mit den Standbeinen Gastronomie und Events setzt der Freiruum auf zwei Branchen, die von der Pandemie besonders hart getroffen worden sind.
Seit dem 11. Juni wieder offen
Nach dem landesweiten Lockdown im März, erfolgte für den Freiruum die Wiedereröffnung am 11. Juni. Aktuell ist die Foodhalle geöffnet, der Betrieb erfolgt im Rahmen der Auflagen. Mit dem Aushilfe- und Eventpersonal umfasst das Freiruum-Team rund 40 Mitarbeitende, das Kernteam besteht aus sechs Personen. Für sie alle musste Kurzarbeit beantragt werden.
Zuvor als Technischer Leiter im Freiruum-Team eingespannt, ist Marco Husi (35) seit Anfang Oktober Betriebsleiter der Zwischennutzung. Er übernahm das Amt von Markus Kragler. Wir trafen Husi im Freiruum zum Gespräch, um zu erfahren, wie die Zwischennutzung das herausfordernde Jahr verkraftet hat und wie optimistisch er die Zukunft des Freiruums beurteilt.
Herr Husi, welche zusätzlichen Schutzmassnahmen habt ihr am 29. Oktober mit den verschärften Vorschriften bei euch einführen müssen?
Unter anderem, dass an einem Tisch nur noch maximal vier Personen sitzen dürfen. Durch diese Massnahme wurden wir wieder ziemlich eingeschränkt. Wir müssen auf fast einen Drittel unserer Plätze verzichten. Noch schmerzhafter sind für uns jedoch die Einschränkungen, was Events anbelangt. Seither führen wir gar keine Events mehr durch – nicht einmal mehr die kleinen wie organisierte Apéros, welche den Sommer über noch stattfinden konnten. Diese erfreuten sich grosser Beliebtheit. Vor der Coronapandemie konnten wir viele verschiedene Events wie Hochzeiten, Tagungen, GVs, Konzerte und grosse Ausstellungen durchführen. Immerhin dürfen wir in der Sporthalle mittlerweile wieder Besucher empfangen.
Wie sieht es bezüglich Trampolinbereich aus?
Dieser ist seit Mitte November wieder geöffnet. Dort arbeiten wir nun mit Slots, die vor Ort oder online gebucht werden können. Sowohl als private Gruppe als auch als Firma kann man den Trampolinbereich jeweils für 90 Minuten buchen.
Welche grösseren Events hattet ihr für den Sommer geplant, die ihr wieder absagen musstet?
Wir hätten unsere neue Terrasse intensiver bespielen wollen. Eine Idee war, ein Foodfestival auf dem Parkplatz zu organisieren. In der Eventhalle waren zudem Ausstellungen geplant. Tatsache ist jedoch auch, dass wir uns im Februar auf der Suche nach neuen Ideen befanden. Gleich anschliessend folgte der Lockdown und die Projekte wurden noch in der Findungsphase eingestellt. Als wir die Tore wieder öffnen durften, wollten wir uns zuerst aufs Wesentliche konzentrieren und den Apparat langsam wieder hochfahren. Irgendwann realisierten wir, dass es selbst mit den Winterprojekten nichts werden wird.
Welche Events habt ihr nun noch bis zum Jahresende geplant?
Keine mehr. Zumal wir dieses Jahr auch nicht mehr erfahren werden, wie die Situation im Frühling aussehen und was machbar sein wird. Das ganze Jahr glich einer Achterbahnfahrt. Ich habe das Gefühl, aktuell erholen sich die Leute gerade etwas davon und gewöhnen sich an den neuen Alltag.
Sie haben das verminderte Platzkontingent angesprochen. Wirkt sich dieses stark auf die Einnahmen aus?
Wir haben die Situation auf jeden Fall finanziell sehr stark gespürt und hohe Umsatzeinbussen in Kauf nehmen müssen.
Könntet ihr mit den aktuellen Auflagen die nächsten Monate überhaupt überleben?
Wir hoffen es (lacht). Ernsthaft: Wir sind optimistisch, haben ein Konzept erarbeitet, bei dem der Aufwand und die Einnahmen mit der beschränkten Zahl an Besuchern in einem gesunden Verhältnis stehen.
Wie sieht es bei euren Gastronomen finanziell aus? Für viele ist es der erste eigene Stand oder das erste eigene Projekt.
Vom Lockdown wurden alle ziemlich überrascht, sie waren dadurch etwas angeschlagen. Wir konnten es jedoch so organisieren und den Schaden auf eine Weise limitieren, dass wir anschliessend den Betrieb wieder hochfahren konnten. Die Zeit von der Wiedereröffnung am 11. Juni bis zum Eintreten der verschärften Massnahmen hat uns allen gutgetan. Trotz der aktuellen Situation sind unsere Gastronomen nach wie vor positiv gestimmt, spüren, dass die Leute weiterhin vorbeikommen möchten. Wir stehen in engem Austausch mit unseren Gastronomen. Klar ist: Jene, welche im Freiruum ihr erstes eigenes Projekt haben, besitzen finanziell nicht dieselben Möglichkeiten wie jene, die daneben über weitere Standbeine verfügen.
Fühlt ihr euch – stellvertretend für die Gastro- und die Eventbranche – von Bund und Kanton gut unterstützt oder würdet ihr euch mehr Support wünschen?
Marco Husi – Das ist sicher ein sehr schwieriges Thema und wir sind in engem und ständigem Austausch mit den zuständigen Behörden. Die Situation ist für alle Beteiligten neu und so ist es teilweise schwer, den Überblick zu behalten. Bis anhin war die kurzfristige Schadensbegrenzung im Vordergrund und alle versuchen in erster Linie, zu überleben – wie der Support von Bund und Kanton effektiv aussieht, werden wir erst in den kommenden Wochen und Monaten erfahren. Wir konnten uns aber in Zug stark etablieren und viel für die Bevölkerung tun. Nun hoffen wir, dass auch wir Unterstützung erhalten.
Sie sind erst seit Anfang Oktober Betriebsleiter des Freiruums. Davor waren Sie als Technischer Leiter tätig. Wie viel stressiger ist es für Sie seither geworden?
Es handelt sich nun um einen anderen Stress. Als Technischer Leiter war mehr körperliche Arbeit gefordert. Nun gilt es, für das Team immer ein offenes Ohr zu haben. Ausserdem stresst mich eher, dass wir aktuell mit angezogener Handbremse unterwegs sein müssen und ich unsere Leute vertrösten muss, wenn sie mit coolen Ideen kommen. Jetzt liegt es zudem an mir, Projekte auf ihre wirtschaftliche Machbarkeit zu überprüfen.
Sie sind seit dem Start vor rund eineinhalb Jahren Teil des Freiruum-Teams. Wie sind Sie auf den Freiruum aufmerksam geworden – zumal Sie nicht aus der Region Zug stammen?
Ich komme ursprünglich aus der Haustechnikbranche. Als sich der Freiruum noch in der Bauphase befand, stiess ich durch einen Bericht auf das Projekt. Der Grundgedanke dahinter mit dem Austausch, dem Sport und dem kreativ sein sprach mich an und so bewarb ich mich.
Wie haben Sie persönlich den Lockdown erlebt?
Marco Husi – Zu Beginn war es eine psychische Belastung, weil wir dadurch komplett ausgebremst wurden. Ich verbrachte viel Zeit mit meiner Familie. Dies genoss ich sehr, denn in meiner Branche kann es vorkommen, dass die Familie etwas zu kurz kommt. Im Freiruum führten wir währenddessen zahlreiche Wartungs- und Reparaturarbeiten durch und setzten Verbesserungsvorschläge um, hauptsächlich ging es dabei um prozessinterne Abläufe.
Beim Freiruum handelt es sich trotz des grossen Aufwands und den beeindruckenden Dimensionen um eine Zwischennutzung. Bis wann können die Zugerinnen und Zuger am Zählerweg noch schlemmen und bouldern?
Offiziell läuft unser Vertrag Ende 2022 aus. Ob dann wirklich das Ende des Freiruums gekommen ist, werden wir sehen.
Der Vertrag wurde nun verlängert und der Freiruum bleibt bis mindestens Ende 2024 erhalten.
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