Eine Maske im Gebüsch, eine Bierflasche neben dem Abfalleimer und der Zigarettenstummel auf der Strasse. Sorglos entsorgter Abfall wird in der Schweiz zunehmend zum Problem. Während der Coronapandemie entstehen zudem neue Hotspots. Der Kanton Zürich geht das Problem mit mehreren Kooperationen an.
Schon im Kindergarten lernt man, seinen Müll nicht einfach auf die Strasse zu werfen. Heute trägt das unachtsame Wegwerfen des eigenen Abfalls einen neuen Begriff: Littering. Zu den Abfallprodukten, die häufig nicht im Mülleimer landen, gehören unter anderem Zigaretten, Take-Away- und Getränkeverpackungen und Flaschen sowie Deckel, Servietten und Flyer.
Die Folgen sind nicht nur eine zugemüllte Natur und verschmutzte öffentliche Räume. Littering hat Auswirkungen auf die Lebensqualität der Menschen und das Ökosystem sowie direkte ökonomische Konsequenzen. Eine dreckige Stadt lockt unter Umständen weniger Touristen an und ein einziger Zigarettenstummel kann mehrere Liter Wasser vergiften. Das Bundesamt für Umwelt hat in einer Studie die Kosten des Litterings berechnet: Jedes Jahr werden in der Schweiz 200 Millionen Franken für die Reinigung aufgewendet. Ein Viertel des Abfalls bleibt im öffentlichen Verkehr liegen, die restlichen 75 Prozent werden im öffentlichen Raum weggeworfen. Dazu kommen noch Kosten für Kampagnen und andere Präventionsmassnahmen. Am Ende zahlen also immer alle Bürger und Bürgerinnen, wenn jemand seinen Abfall verantwortungslos liegen lässt.
Take-Away an der Limmat
Die Coronapandemie spielt auch hier eine Rolle. Mit den Schutzmasken ist ein neuer Litteringartikel entstanden, der zudem noch gut sichtbar ist. Dies verstärkt die subjektive Wahrnehmung der Menschen für den Abfall im öffentlichen Raum. Besonders Gemeinden mit Naherholungsgebieten wurden in der Pandemie plötzlich überproportional von der Bevölkerung aufgesucht. Auch die bekannten Hotspots in den Städten werden verstärkt frequentiert. «Zum Beispiel die Aufenthaltsräume an der Limmat. Wenn dort mehr Leute sind, wird auch automatisch mehr gelittert», erklärt Dominik Oetiker. Er ist in Zürich beim kantonalen Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft für die Abfallwirtschaft und die Zusammenarbeit mit den Gemeinden verantwortlich. Dazu gehört ebenfalls das Littering.
Unter den Litteringartikeln finden sich ebenfalls die immer grösser werdenden Take-Away-Verpackungen. «Das ist natürlich ein Trend, der schon viel länger läuft. Diese Art der Ausserhausverpflegung hat es früher weniger gegeben, weil die Leute zu Hause gegessen haben», sagt Oetiker.
Putzen, putzen, putzen
Beim Littering und in der Abfallwirtschaft generell stellt sich immer die Frage, wie sauber die Gemeinde gehalten werden soll. «Wenn die Abfallkübel schneller voll sind, dann muss man sie häufiger leeren und das generiert zusätzliche Kosten», erklärt Oetiker. Er schätzt, dass das Littering im Kanton Zürich unter zehn Prozent des Abfallbudgets ausmacht, wenn man den Durchschnitt aller Gemeinden nimmt. Vor allem bei Grossveranstaltungen kann die Stadt Zürich heute die Reinigungsaufgaben direkt an die Veranstalter abgeben. Die finanzielle Hauptlast beim Littering tragen am Ende vor allem die Gemeinden «und letztendlich zahlen wir das mit unseren Abfallgebühren. Wenn mehr gelittert wird, kostet es am Ende mehr», sagt Oetiker.
Ein Beispiel für den Balanceakt zwischen Verschmutzungsgrad und Kosten ist der Sauberkeitsindex der Stadt Zürich. In diesem werden öffentliche Räume wie Parks periodisch analysiert. Ist ein Standort zu verschmutzt, wird eine zusätzliche Reinigungstruppe eingesetzt. Damit soll über die gesamte Stadt ein bestimmter Sauberkeitsstandard eingehalten werden. «Eine Massnahme gegen Littering ist, gut zu reinigen. Denn wo schon Abfall herumliegt, sinkt die Hemmschwelle, zusätzlich zu littern», weiss Dominik Oetiker.
Austausch und Patenschaften
Im Kampf gegen Littering existiert nicht die eine wirksame Massnahme. «Littering ist schlussendlich ein lokales Phänomen. Es hat eine geografische und eine soziale Komponente. Die Anti-Littering-Massnahmen müssen für die jeweilige Situation passen», so Oetiker. Ein öffentlicher Raum mit vielen Jugendlichen müsse anders beurteilt werden als eine vielbefahrene Strasse. Die Sensibilisierung in der Schule für Themen wie Littering und Recycling ist dabei ein Instrument, ein anderes kann die Bereitstellung von zusätzlichen Abfallbehältnissen sein.
Der Kanton Zürich setzt ausserdem auf Kooperationen mit der IG saubere Umwelt (IGSU) und anderen Kantonen. So entstand auch das Konzept der Raumpatenschaften. Bei diesem Projekt können Gemeinden, Unternehmen und Schulen, aber auch Einzelpersonen sich dazu verpflichten, einen bestimmten öffentlichen Raum sauber zu halten. Die Raumpaten bekommen von der IGSU Material wie Hinweistafeln und Ausrüstung für die Aufräumarbeiten. Die Patenschaften sollen nicht nur als Putzkolonne funktionieren, sondern auch die Menschen für die Litteringproblematik sensibilisieren.
Für die Gemeinden gibt es ausserdem die Plattform «Littering-Toolbox». Hier werden realisierte Anti-Littering-Massnahmen gesammelt und bewertet. Die Plattform ermöglicht einen Austausch zwischen den Abfallfachstellen der Gemeinden sowie den Kantonen. Ausserdem bietet der Kanton Zürich jedes Jahr ein Gemeindeseminar mit wechselnden Themen für die Abfallstellen an.
Littering als teures Vergnügen
Wer beim Littering auf frischer Tat ertappt wird, dem droht eine Ordnungsbusse. Allerdings haben nur rund 40 Gemeinden im Kanton Zürich eine Busse für Littering eingeführt. Theoretisch können die Ordnungsbussen dabei bis zu 200 Franken betragen. «Die Busse ist ein Werkzeug im Werkzeugkasten, aber man braucht sicherlich noch mehr», erläutert Oetiker.
Ein anderes Werkzeug kann die soziale Kontrolle sein. Oetiker berichtet von Spaziergängern, die sich direkt beim Kanton melden und über die Verschmutzung von Feuerstellen im Wald berichten. «Man kennt es auch von den Recyclingstellen, dass sich die Sichtbarkeit auf das Verhalten der Leute auswirkt», sagt Oetiker. Ein temporäres Problem ist Littering längst nicht mehr. Auch wenn sich die Hotspots mit dem möglichen Ende der Coronapandemie dereinst ändern, «wird Littering in vielen Gemeinden natürlich weiterhin ein grösseres Problem bleiben», so Oetikers Fazit.