LIEBST DU NOCH ODER PHUBBST DU SCHON?

Haben Sie schon mal was von „Phubbing“ gehört? Nein? Dennoch haben Sie es bestimmt schon einmal getan.„Phubbing“ beschreibt ein neues Phänomen in unserem Beziehungsalltag – es setzt sich zusammen aus den englischen Wörtern „phone“ (Telefon) und „snubbing“ (Abfuhr erteilen). Es beschriebt den Umstand, wenn wir Freunden, Familie oder Geschäftspartnern wegen der Handynutzung quasi eine Abfuhr erteilen. Das Phänomen ist inzwischen schon so weit verbreitet, dass es bereits Einzug in das „Urban Dictionary“ (Slangwörterbuch) fand.

Wir alle konnten es schon selbst beobachten oder haben es vermutlich auch schon selbst getan – der Freund sitzt einem gegenüber und erzählt vom vergangenen Wochenende. Da bimmelt das Handy und teilt uns mit, dass wir eine neue Nachricht haben. Zack – während des Freund noch immer am Erzählen ist, schnappen wir uns das Handy und lesen die Nachricht. Was früher als unhöflich galt, scheint heute fast schon salonfähig zu sein. Ganz egal ob es pures Desinteresse, Langweile oder einfach nur Ignoranz ist, wir nehmen es in Kauf, dass wir so wirken, nur um in der digitalen Welt nichts zu verpassen. Und dabei scheint es keine Tabus mehr zu geben: Laut einer Studie checken neun Prozent der Amerikaner ihre Nachrichten während dem Sex. Dabei zählt nicht nur das Lesen von Nachrichten zum „Phubbing“, auch die Platzierung des Smartphones direkt vor einem und das ständige Starren auf das Display ist bereits eine Form davon.

Eine besondere Form des „Phubbing“ – das „Pphubbing“, Partner phones snubbing – haben die US-Wissenschaftler James A. Roberts und Meredith E. David von Baylor University untersucht. Dabei stehen besonders die Handynutzung und die Liebesbeziehungen im Mittelpunkt. Ihrer Ansicht nach hat „Pphubbing“ einen negativen Einfluss auf die Beziehung und ist damit in der Folge auch verantwortlich für die eigene Unzufriedenheit, weniger Lebensfreude oder gar Depressionen. 46 Prozent der befragten Personen gaben an, sich durch die Handynutzung vom Partner ignoriert zu fühlen, bei 23 Prozent ist das Handy deswegen sogar häufig ein Streitpunkt. Ein Viertel fühlt sich sogar vom Smartphone bedroht – noch mehr als von einem möglichen menschlichen Nebenbuhler. Nicht zuletzt sind vor allem junge Menschen eifersüchtig auf die Zeit, die der Partner mit dem Smartphone verplempert.

Dabei sind vor allem die Partner von „Pphubbing“ betroffen, die wenig Selbstbewusstsein haben und daher die Bestätigung in der Beziehung suchen. Möglich ist auch, dass Partner, die mit der Beziehung unzufrieden sind, häufiger zum Smartphone in Anwesenheit des anderen greifen. Das führt auf Dauer zu Misstrauen. „Sie haben eine intime Beziehung zu ihrem Smartphone, und es ist nur etwas zwischen ihnen und dem Smartphone. Manchmal ist ihr Partner oder Kumpel eifersüchtig und sie werden denken, dass sie vielleicht auch andere Frauen, andere Männer kontaktieren“, sagt Beziehungsexpertin Donna Arp Weitzman in einem Interview mit CBS. „Dass du irgendeine Art von Zufriedenheit bekommst, die du durch deinen Partner nicht bekommst.“ Doch oft sei den „Phubbern“ nicht bewusst, was sie ihrem Partner antun. Daher sei es wichtig Regeln für die Smartphone-Nutzung in der Beziehung aufzustellen. Immerhin schauen wir gut 150 Mal am Tag auf das Display. Haben Sie Ihrem Partner schon einmal so oft in die Augen geschaut?

Doch was genau macht den Reiz des „Phubbens“ aus? Wenn uns früher – vor Zeiten der Internetflats und Co. – Freunde oder gar Geschäftspartner bei einer Verabredung mit dem Partner gestört haben, empfanden wir das auch als lästig. Warum checken wir dann heute in solchen Momenten WhatsApp-Gruppenchats und die Geschäfts-Mails? Dafür gibt es zwei wissenschaftliche Erklärungen. Erstens, das Internet bietet hohes Suchtpotenzial, weil die Nutzung unmittelbar und wirkungsträchtig ist. Dinge werden sofort gefunden und man bekommt Belohnungen. Mit dem Smartphone ist das Internet noch besser sowie schneller zugänglich und ermöglicht so einen einfacheren Weg zur Flucht aus der Realität. Zweitens kann man mit Hilfe des mobilen Internets „leere Momente“ füllen. Hat man sich früher am Bahnsteig beim Warten auf den Zug einfach den Gedanken hingegeben oder schlichtweg gelangweilt, greift man heute unmittelbar zum Handy. Diese Punkte tragen dazu bei, dass eine starke Abhängigkeit vom Internet aus psychologischer Sicht die gleichen Suchtsymptome aufzeigt wie andere Drogen.

„Phubbing“ wird in unserer digitalisierten Gesellschaft immer mehr Einzug halten. Daher haben einige Australier diesem Trend den Kampf angesagt und die Kampagne „stopphubbing.com“ ins Leben gerufen. Auf der Internetseite stehen Poster, Tischkarten für Hochzeiten und Online-Petitionen zur Verwendung bereit. Somit möchten die Australier auf den Sittenverfall und die Ausbreitung des „Phubbings“ aufmerksam machen.

Legen doch auch Sie mal wieder das Handy bei einem gemeinsamen Abend mit Ihrem Partner zur Seite und schauen Sie lieber dem Anderen mal wieder tief in die Augen.

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