Leere auf dem Lehrstellenmarkt

Mit regionalen Plattformen zur richtigen Ausbildung

Unbesetzte Lehrstellen dominieren im Sommer jeweils die Schlagzeilen. Je nach Beruf und Standort gibt es aktuell ein Überangebot für die Jugendlichen. Neue Lehrstellenportale und -angebote sollen beide Seiten bei der Suche unterstützen und so das Problem zumindest zum Teil lösen.

Nach Informationsveranstaltungen, Bildungsmessen und vielleicht sogar einem Besuch an den Berufsmeisterschaften – den SwissSkills – stellt sich für junge Menschen in der Schweiz jedes Jahr die Frage nach der richtigen Lehre für den Start in das Berufsleben. In den letzten beiden Jahren lag die Zahl der LehranfängerInnen bei knapp 67’000, die ein eidgenössisches Fähigkeitszeugnis EFZ anstreben. Eher selten stehen dabei die frisch gebackenen Schulabgänger und -abgängerinnen im Fokus, welche trotz zahlreicher Bewerbungen keine passende Lehrstelle finden. Oft geht es um die schiere Masse der noch unbesetzten Lehrstellen. Es scheint wie ein Wettlauf gegen die Zeit zu sein, der aber gleich mehrere terminliche Zielankünfte hat.

Fachkräftesicherung im Vordergrund

Der Verein Berufsbildung Zentralschweiz veranstaltet als Träger jeden Herbst die Zentralschweizer Bildungsmesse Zebi und begrüsst dann in der Messe Luzern mehr als 20‘000 BesucherInnen. Der Verein selbst engagiert sich auf breiter Ebene. «Die Berufsbildung und die Fachkräftesicherung sind umfassende Themen. Alles, was damit zusammenhängt, ist für uns von Interesse», erklärt Vereinspräsident Gaudenz Zemp.

Gaudenz Zemp

Gaudenz Zemp ist Präsident des Vereins Berufsbildung Zentralschweiz. Bild: zVg

So betreibt man seit Mai 2021 auch die Online-Lehrstellenbörse Zentralschweiz. Auf der digitalen Plattform sollen erste Kontakte zwischen Lehrstellensuchenden und Unternehmen geknüpft werden. Auf der Website können sich die Jugendlichen über die teilnehmenden Ausbildungsbetriebe informieren. In diesem Jahr haben sich laut Zemp Firmen an 283 verschiedenen Unternehmensstandorten auf der Online-Börse registriert. Im monatlichen Rhythmus fanden dann an fünf festen Terminen die Gespräche zwischen Betrieben und Suchenden über das Programm Microsoft Teams statt.

Über TikTok zur Lehrstelle

Die Digitalisierung der Prozesse bei der Lehrstellensuche ist für Zemp dabei zwingend notwendig. «Das Verhalten bezüglich Information und Medien hat sich radikal verändert. Die Jugendlichen sind heute praktisch ausschliesslich über digitale Kanäle erreichbar», so der Präsident des Vereins. Das reicht sogar so weit, dass man laut ihm überlegen sollte, populäre Berufe wie Kaufmann/-frau und Detailhandel über Social-Media-Plattformen auszuschreiben. So könnte man etwa die Jugendlichen direkt über TikTok ansprechen und so das Interesse in ihrer natürlichen Umgebung erwecken.

Angemeldet haben sich in diesem Jahr 205 Schülerinnen und Schüler für die Online-Lehrstellenbörse Zentralschweiz. Allerdings habe nur rund ein Viertel am Ende auch ein Gespräch gebucht. Der Grund dafür ist simpel: Die Lehrstellensuche verläuft nicht auf einer geraden Linie. Die SchülerInnen nutzen auch andere Plattformen und schreiben zahlreiche Bewerbungen. Zwischen Anmeldung und möglichem Gesprächstermin finden viele bereits eine Stelle. «Ein weiterer Grund ist, dass der gesuchte Wunschberuf nicht bei uns ausgeschrieben war», so Zemp. Am Ende waren es immerhin 92 Firmen, welche konkrete Stellen auf den Online-Börsen ausgeschrieben haben.

Checkliste Online Lehrstellen Börse

Funktionierende Technik ist genauso wichtig wie die richtige Kleidung beim Online-Gespräch. Bild: zVg

Der Verein Berufsbildung stellt den Jugendlichen zahlreiche Merkblätter zur Seite, die ihnen Tipps für den richtigen Umgang beim digitalen Erstgespräch sowie zur technischen Seite von Microsoft Teams geben. Jeder, der in der Pandemie zum ersten Mal ein modernes Konferenztool benutzt hat, weiss, dass es nicht immer sofort perfekt funktioniert und sich durchaus von der privaten Videotelefonie unterscheidet. Und natürlich gibt es die Anleitung für die Registrierung und Buchung auch als kurzes Youtube-Video.

Besonders gefragt waren in diesem Jahr an der Lehrstellenbörse die Berufe Elektroinstallateur-/in EFZ, Koch/Köchin EFZ, Montage-Elektriker-/in EFZ. Angesichts der steigenden Nachfrage nach alternativen Energiequellen wird das technische Wissen um Photovoltaikanlagen und alles, was man für die Planung und Installation braucht, gefragt sein und dürfte so der Montage-Elektriker ein Beruf mit Zukunft sein. Während die Gastronomie zu jenen Branchen zählt, die seit der Pandemie besonders mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen hat. «Zudem werden insbesondere in Berufen des Rohbaus, also Gipser, Sanitärinstallateure und so weiter, noch Auszubildende gesucht», so Zemp.

Keine Konkurrenz

Während Vereine wie Berufsbildung Schweiz gut vernetzt in der regionalen Wirtschaft und Bildung sind, stehen sie heute auch in Konkurrenz mit privaten Unternehmen. So bezeichnet sich die Zürcher Plattform Yousty selbst als «grösstes Lehrstellenportal der Schweiz» und ist so manch anderem Anbieter in Sachen Digitalisierung ein ganzes Stück voraus. Zemp sieht die Plattform eher als weiteres Angebot statt als direkte Konkurrenz, da sie ganzjährig und zudem national aktiv ist. «Die Lehrstellenbörse hingegen kommt ganz am Ende der 9. Klasse zum Einsatz und richtet sich an alle, die noch keine Lehre für den Herbst gefunden haben», so der FDP-Kantonsrat. Und da die Online-Börse von den Innerschweizer Kantonen mitgetragen wird, kann sie auch in den Schulen behandelt und besprochen werden.

Ausbilder erklärt Lehrlingen etwas in der Werkstatt

Die klassische Geschlechterverteilung bei Berufen wird zunehmend aufgeweicht. Bild: monkeybusiness / Depositphotos

Mit ihrem Online-Angebot ist die Zentralschweiz nicht allein. Auf kantonaler und sogar regionaler Ebene entstehen derzeit zahlreiche weitere digitale Plattformen und Veranstaltungen, um den Jugendlichen wirklich bis zum letztmöglichen Termin eine Lehrstelle in diesem Jahr zu vermitteln. So nennt sich das Programm des Kantons Freiburg sogar «Last Minute» und bietet noch bis in den August hinein Unterstützung bei der Lehrstellensuche sowie der Optimierung des Bewerbungsdossiers – auch in Form von Einzelcoaching. Ein weiteres Beispiel ist die neue Plattform «Lehre BeO», welche sich um den Fachkräftemangel im Berner Oberland kümmern will. Firmen und Jugendliche sollen durch eine bessere Angebotsübersicht und Networking-Events einfacher zueinander finden.

Aufgrund der aktuellen demografischen Verhältnisse haben vor allem Firmen in ländlichen Regionen Probleme, alle Lehrstellen zu besetzen. Schweizweit blieben 2022 etwa neun Prozent der ausgeschriebenen Lehrstellen unbesetzt. Hinzu kommt noch die Verschiebung im Schweizer Schulsystem, die zu einer immer höheren Gymnasialquote führt. Diese liegt in Zug aktuell bei 25,5 und in Luzern bei knapp 20 Prozent. Und damit bleiben auch die Jugendlichen vorerst weg vom Lehrstellenmarkt.

Ewig wird das Überangebot für die Lehrstellensuchenden aber nicht anhalten. Denn spätestens mit dem Jahrgang 2014 startete in der Schweiz eine geburtenstarke Generation, die im Jahre 2021 mit fast 90‘000 Geburten ihren vorläufigen Höhepunkt fand. Wenn diese Kinder ins Ausbildungsalter kommen, dürfte es deutlich mehr Lehrstellenplätze benötigen als heute. Und bis dahin dürfte auch die Digitalisierung des Lehrstellenmarkts abgeschlossen sein.

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