Lebensgeschichten gegen Rassismus

«Living Library» in der Bibliothek Zug

Diesen März nehmen viele Kantone an der Woche gegen Rassismus teil und so bietet auch die Bibliothek Zug ein besonderes Programm. Im Rahmen der «Living Library» werden kommenden Samstag Personen, die starke Diskriminierung aufgrund ihrer Herkunft erlebt haben, von ihren Erlebnissen berichten. Anschliessend stehen sie für Gespräche zur Verfügung.

Die Aktionswoche gegen Rassismus erinnert in 19 Kantonen, darunter Zug, Aargau, Zürich, Schwyz und Luzern, an die Diskriminierungen, die viele zugezogene Menschen in der Schweiz erleben müssen. Um mehr Verbindungen zwischen Menschen aus rassistisch marginalisierten Gruppen und solchen aus grösseren sozialen Gruppen zu schaffen, werden zahlreiche Aktionen und Angebote ermöglicht. So beteiligt sich auch die Bibliothek Zug an der Aktionswoche und organisiert die «Living Library» im Rahmen des kantonalen Integrationsprogrammes KIP am Samstag, 22. März, von 13:30 bis 16 Uhr.

In der «Living Library» kommen Personen, die Diskriminierung aufgrund ihres Aussehens, ihrer Ethnie, Sprache, Religion, Herkunft oder Lebensgestaltung erfahren haben, in einem besonderen Rahmen zu Wort. Als eine Art von «lebenden Büchern» erzählen sie von ihren Erfahrungen, ihren Geschichten und Herausforderungen. So werden kommenden Samstag vier Personen während jeweils 30 Minuten ihre Lebenserfahrung teilen, Fragen beantworten und anschliessend für Gespräche zur Verfügung stehen. Durch ein solches Format erhalten die Anwesenden die Gelegenheit, Vorurteile zu hinterfragen und durch die persönliche Verbindung mit einem Menschen aus einer rassistisch marginalisierten Gruppe diese etwas näher kennenzulernen.

«Schon wieder ein Kind?»

Theeban ist einer der vier Personen, die an der «Living Library» teilnehmen. Er ist 41 Jahre alt und im Alter von 15 Jahren aus Sri Lanka in die Schweiz geflüchtet. In der Schule hat er zahlreiche rassistisch motivierte Angriffe erlebt, doch heute erlebt er solchen offenen Rassismus viel seltener. Allerdings wird er in seinem Berufsalltag als Pflegespezialist immer noch aufgrund seiner Hautfarbe regelmässig mit Vorurteilen konfrontiert. Wie er seinen Humor nutzt, um solche Situationen zu entschärfen, und wieso sie trotzdem mehr als unangenehm sind, erzählt er in der Bibliothek Zug.

Die Living Library in der Bibliothek Zug räumt mit rassistischen Vorurteilen auf.

In der Bibliothek Zug wird durch das Gespräch mit rassistischen Vorurteilen aufgeräumt. Bild: Bibliothek Zug

Ebenfalls geflüchtet ist die 36-jährige Yohana. Damals war sie 21 Jahre alt und musste Eritrea verlassen. Ihr Weg in die Schweiz gestaltete sich lebensgefährlich und war menschenunwürdig. In der Schweiz wurde sie wieder besser behandelt, und doch war es für sie nicht einfach, gefühlt eine der ersten Dunkelhäutigen in Zug zu sein. Inzwischen hat Yohana eine Familie mit Ehemann und drei Kindern, doch muss sie sich ab und zu abschätzigen Sprüchen stellen. Zum Beispiel hat ihre Hebamme, als Yohanas drittes Kind zur Welt kam, vorwurfsvoll «Schon wieder ein Kind?» gefragt. Yohana reagiert auf solche Aussagen mit Souveränität.

Lebensgefährliche Flucht und anhaltender Antisemitismus

Die jüngste Gästin ist Setareh Maymandy mit 17 Jahren. Sie ist aus dem Iran geflohen, währenddessen musste sie der bewaffneten Verfolgung entkommen und monatelang ohne Unterschlupf schlafen. Auch ihre Überfahrt aus der Türkei nach Griechenland war höchst gefährlich und die junge Frau ist beinahe ertrunken. Heute erinnert sich Setareh Maymandy mit Wärme an Griechenland, wo sie mit Hilfsbereitschaft empfangen wurde. Sie hofft, eines Tages dorthin zurückzukehren und möchte bereits jetzt mit ihren ersten Ersparnissen Familien in Armut unterstützen.

Der 24-jährige Ari lässt es sich nicht ansehen, doch ist er traditioneller Jude und berichtet, dass sich der Antisemitismus bis heute hartnäckig hält. Zum Beispiel als er einmal eine Lehrperson vertrat und seiner Schulklasse sagte, dass er für den Unterricht einen jüdischen Gast einladen möchte, entsetzte ihn die Reaktion. Statt sich wie gebeten, Fragen zu überlegen, lieferte die Klasse zahlreiche Vorurteile und böse Witze über den Holocaust. Als Ari aufdeckte, dass er selbst der jüdische Gast ist, war es vielen Lernenden unangenehm, einigen aber auch egal. Deswegen ist es Ari wichtig, über das Judentum und den andauernden Antisemitismus zu sprechen.

Die Gespräche starten um 13:30, 14:10, 14:40 und 15:30 Uhr. Wer ein Gespräch mit einer der vier Personen reservieren möchte, kann dies mit einer kurzen Anmeldung via bibliothek@stadtzug.ch tun. Auch spontane Gespräche sind möglich. Die Teilnahme ist kostenlos.

Einen Kommentar hinterlassen