Künstliche Intelligenz im Schulzimmer

Neue Herausforderungen für die Bildungsinstitutionen

Die künstliche Intelligenz wird stetig weiterentwickelt und inzwischen gibt es mit ChatGPT einen Chatbot, der ohne grossen Aufwand für seinen Benutzer komplexe Aufgaben lösen oder gar ganze Aufsätze schreiben kann. Längst ist diese Technologie auch in den Bildungsinstitutionen angekommen und stellt jene vor ganz neue Herausforderungen.

Lehrer sehen sich in Zukunft mit einer ganz neuen Problematik konfrontiert: Dank dem auf künstlicher Intelligenz (KI) basierenden Chatbot ChatGPT können Schülerinnen sich inzwischen mithilfe einfacher Eingaben umfassende Antworten schreiben lassen. Diese präsentieren sich üblicherweise gut geschrieben, ausführlich und je nach Thema inhaltlich recht überzeugend. Die Antwort wird trotz gleicher Fragestellung nie genau dieselbe sein, weswegen selbst bei einer Kontrolle seitens der Lehrperson nicht immer mit kompletter Sicherheit feststellbar ist, ob der Schüler seine Lösung vom robotischen Ghostwriter erhalten hat oder nicht. Schwer zu finden ist die Technologie ebenfalls nicht; eine schnelle Google-Suche und eine darauffolgende Anmeldung ist alles, was zur Benützung dieser Gratissoftware gebraucht wird.

Technologien wie diese werden unter Lernenden und Schülerinnen schnell bekannt und so kommen Bildungsinstitutionen nicht darum herum, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen. So wurde beispielsweise an der Universität Luzern für die Dozierenden und Mitarbeitenden bereits im vergangenen Dezember eine erste Informationsveranstaltung durchgeführt. Auch auf Kantonsschulebene hat sich das Thema bereits von einer einfachen Neugierde zu einem aktiven Gebrauch des Tools entwickelt. Ein komplettes Verbot wird generell nicht als zielführend angesehen – stattdessen soll die sinnvolle Nutzung des Tools als Lernhilfe gefördert werden. «Künstliche Intelligenz soll nicht pauschal als Bedrohung, sondern vielmehr als gute Unterstützung in vielen Bereichen verstanden und gezielt eingesetzt werden», meint dazu Dave Schläpfer, Kommunikationsverantwortlicher der Universität Luzern.

Missbrauch mit verheerenden Folgen

Der Missbrauch des Tools wird natürlich nicht toleriert; an der Universität Luzern wird Vertrauen in die Studierenden gesetzt. «Wir gehen davon aus, dass die überwältigende Mehrzahl unserer Studierenden ihre schriftlichen Arbeiten selbst und ohne unerlaubte Hilfsmittel verfasst und dies auch in Zukunft tun wird», versichert Schläpfer. Zur Prävention und Kontrolle dienen an der Uni zwei Pfeiler: die frühe Sensibilisierung der Studierenden bezüglich des von ihnen erwarteten Verhaltens sowie eine gute und enge Betreuung durch die Dozierenden. Sollte es trotzdem zu aufgedeckten Verstössen kommen, könnten diese im schlimmsten Fall zum Studienausschluss, möglicherweise auch zu der nachträglichen Aberkennung eines Titels, führen.

Universität Luzern

Auch in Bildungsinstitutionen wird der Gebrauch der künstlichen Intelligenz ein immer grösseres Thema. Bild: Facebook Universität Luzern

Man stellt sich nicht nur der Herausforderung der negativen Aspekte der KI, sondern ergreift auch die Möglichkeit, von den positiven Eigenschaften zu profitieren. Chancen gibt es hier tatsächlich einige. So kann das Tool nicht nur Antworten liefern, sondern auch Übungsmaterial generieren. Gabrijela Pejic-Glisic, Rektorin der Kantonsschule Menzingen, sieht in der künstlichen Intelligenz neue Lernmöglichkeiten: «Das Tool unterstützt die Schülerinnen und Schüler beim Lernen, ohne ihnen den Lernprozess abzunehmen. So können die Schülerinnen und Schüler ChatGPT ihre eigenen Fragen stellen und sich durch gezieltes Nachfragen die komplexen Inhalte erklären lassen.» Wichtig sei hier vor allem, mit Schülerinnen und Schülern über ihren Lernprozess, aber auch über die Qualität der Ergebnisse, welche das Tool liefert, im Gespräch zu bleiben.

Lernen mit dem Chatbot

Nicht nur Lernende und Schüler, sondern auch Lehrpersonen können von den neuen Möglichkeiten profitieren. So können Lehrerinnen diverse Routinearbeiten erleichtert werden. Neben der Generierung von Übungsmaterial kann ChatGPT auch bei der Organisation von Informationen helfen, Vorschläge für Zusammenfassungen von anspruchsvollen Fachtexten generieren und sogar Prüfungsfragen vorschlagen. Sowohl Lernende als auch Lehrpersonen können den von ChatGPT erhaltenen Input als Vorlage und auch als möglichen Denkanstoss verwenden. Die künstliche Intelligenz kann Ideen sowie Rohtext liefern und eventuell sogar selber als Übung gelten, in der Lernende eigenständig den Output des Chatbots kritisch analysieren. «Ich selbst bin durch ChatGPT auf neue Ideen für Prüfungsfragen gekommen», bestätigt Gabrijela Pejic-Glisic den Nutzen des Tools für sie.

Gabrijela Pejic-Glisic, Rektorin

Gabrijela Pejic-Glisic, Rektorin der Kantonsschule Menzingen, setzt sich für den sinnvollen schulischen Gebrauch der KI ein. Bild: zVg

Wichtig für Schülerinnen und Lehrpersonen ist, die von ChatGPT gelieferten Antworten kritisch zu betrachten. Generell probiert der Chatbot zwar, akkurate Daten zu liefern, aber je nach Thema kann es auch sein, dass dabei falsche Fakten ausgespuckt werden. Daher ist es bei der Informationsbeschaffung wie auch bei der Generierung von Aufgaben durchaus wichtig, die Behauptungen der künstlichen Intelligenz kritisch zu hinterfragen und je nachdem nochmals mithilfe anderer Quellen nachzuprüfen.

Neue Technologie, neue Herausforderungen

In dem Sinne wird auch für Lehrpersonen die Prüfung von Arbeiten ebenso wichtig wie herausfordernd sein – besonders bei schriftlichen Arbeiten, die über einen längeren Zeitraum zu Hause verfasst werden, wie beispielsweise Projekt- und Maturaarbeiten. In der Kantonsschule Menzingen wird dafür laut Pejic-Glisic bereits an einer Anpassung der entsprechenden Formate gearbeitet. Eine mögliche Entwicklung hierbei sei, dass sich der Fokus verschiebt – von der schriftlichen Arbeit zu einem Produkt, mitsamt Arbeitsprozess und mündlicher Präsentation. Das Ziel für Bildungsinstitutionen ist laut Pejic-Glisic klar: «Wenn die Zusammenarbeit mit KI zu mehr Tiefe und Verstehen führt, dann sind wir auf der richtigen Spur.»

Arbeit mit künstlichen Intelligenz

Die Arbeit mit der künstlichen Intelligenz soll gefördert werden – solange sie als Lerntool verwendet wird. Bild: Dmyrto_Z / Depositphotos

Offensichtlich ist: Die Technologie ist bereits heute nicht mehr wegzudenken. Jegliche Fortschritte sowie Schwierigkeiten, die mit der Technologie kommen, können nicht ignoriert werden. Bildungsinstitutionen sowie Schüler werden sich immer mehr mit diesen neuen Möglichkeiten auseinandersetzen und sich der Herausforderung annehmen müssen, mit diesen neuen Möglichkeiten zu wachsen. Eine solche Auseinandersetzung gehört zur Bildung dazu. Gabrijela Pejic-Glisic zitiert in dem Sinne ein schönes Zitat des Philosophen Julian Nida-Rümelin: «Bildung soll nicht Untertanen schaffen, Bildung soll nicht das Funktionieren der Ökonomie sicherstellen, Bildung soll keinen ideologischen Zielen dienen, sondern Bildung ist der Weg zur autonomen, zur selbstbestimmten Existenz. Das oberste Bildungsziel ist menschliche Freiheit.»

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