Der fortschreitende Klimawandel macht vielen Menschen Angst. Angst kann lähmen, aber auch motivieren, das Verhalten zu ändern. Psychologen beschäftigen sich zunehmend mit diesem Thema.
Der Begriff Klimaangst hat in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Also die Beschreibung der Sorge um das Klima und der Ängste vor den Folgen des fortschreitenden Klimawandels und dessen Auswirkungen. ForscherInnen definieren diese verbreitete Angst nicht als pathologisch, also krankhaft, sondern als Sammelbegriff für eine Vielzahl negativer Emotionen, die durch die aktive Wahrnehmung der globalen Klimakrise ausgelöst werden. Dazu gehören Furcht, Wut, Scham, Verzweiflung und Schuldgefühle.
Insbesondere junge Menschen im Alter von 16 bis 25 Jahren sind davon betroffen, da sie durch ihre Lebensdauer die Auswirkungen des Klimawandels am längsten erleben werden. Laut einer repräsentativen Umfrage aus dem Jahr 2022 in Grossbritannien leidet bereits jeder und jede Zehnte unter 30 Jahren an einer mehr als nur leichten Klimaangst, wie die Swiss Geomorphological Society feststellte.
Emotionen als Blockade und Antrieb
Klimaangst ist ein unangenehmes Gefühl. Aber wie jede Emotion hat Angst eine wichtige Funktion. Sie weist auf potenzielle Gefahren hin und motiviert uns, etwas zu unternehmen, um diese Gefahr zu bewältigen. Im Kontext des Klimawandels zeigt uns diese Angst, dass eine echte Bedrohung besteht – sei es für das Leben auf der Welt oder zumindest für dessen Qualität.
Gleichzeitig kann Klimaangst als Antrieb dienen, unser Verhalten zu reflektieren und zu verändern. Viele Menschen überdenken deswegen verstärkt ihren Konsum, ihre Reisegewohnheiten und ihre Ernährung, um einen Beitrag zur Schonung des Klimas zu leisten.
Frustration über kleine Wirkung
Jedoch kann Klimaangst auch lähmend wirken. Wenn Menschen das Gefühl haben, dass ihre individuellen Handlungen kaum Einfluss haben, kann dies zu Ohnmacht und Resignation führen. «Viele Menschen bemerken, dass ihre individuellen Verhaltensänderungen nicht so viel bringen wie erhofft», sagt Katharina van Bronswijk dazu. Sie ist Psychologin, Autorin und Klimaaktivistin.
Die Klimaangst könne eine wichtige Rolle spielen, wenn sie uns zum Handeln motiviert – solange sie nicht in Verzweiflung umschlage. «Deshalb ist es wichtig, möglichst vielen Menschen jetzt Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen, die darüber hinausgehen», sagt van Bronswijk. Die Psychologin fügt hinzu: «Wir haben gesellschaftliche Partizipation ein bisschen verlernt und müssen uns diese neu erobern. Die zentrale Frage dabei lautet: Wie können wir uns in Gruppen sinnvoll einbringen und gegenseitig unterstützen, um etwas gegen die Klimakrise zu unternehmen?»
In die gleiche Richtung zielt die Aussage einer anderen Fachfrau. «Wir glauben, dass das ‹Selbst-aktiv-Werden› hilft, mit der Angst und den Emotionen umzugehen. Es hilft auch gegen den Kontrollverlust, den wir bei diesem riesigen Thema spüren», lässt sich die Psychologin Amelie Schomburg auf dem Portal GMX zitieren. Sie ist ausserdem gemeinsam mit Friederike Schomburg Autorin des Buchs «Klimaangst – Wenn die Klimakrise auf die Psyche schlägt». «Wir sollten für uns versuchen einen Weg zu finden, bei dem man persönlich guckt, nicht zu viel Negatives beizutragen und im Alltag weitestgehend umsichtig und nachhaltig zu leben. Dass man zum Beispiel nicht so viel Fleisch isst oder weniger Auto fährt.»
Aber man müsse sich auch bewusst sein und sich sagen: «Ich kann nicht alles machen.» Wichtig dabei, so Amelie Schomburg, sei, immer zu fragen, welche Massnahmen für einen selbst alltagstauglich sind. Für den einen sei es vegetarische Ernährung, für den anderen der Einkauf im Unverpacktladen und der Dritte sage sich dann: «Ok, der Laden ist zu weit weg, ich trage etwas anderes bei.» Die Alltagstauglichkeit für sich selbst abzustecken, sei sehr wichtig.
Resilienz als Schlüssel
Um der negativen Wirkung von Klimaangst zu begegnen, spielt auch die Resilienz eine entscheidende Rolle. Resilienz beschreibt die Fähigkeit, trotz schwieriger und stressiger Umstände psychisch stabil zu bleiben.
«Menschen müssen lernen, ihre Handlungsfähigkeit zu erkennen, aber auch zu akzeptieren, dass sie nicht alle Probleme allein lösen können», heisst es in einem Bericht des Instituts für Klimapsychologie in München. Das Institut betont, dass der Aufbau von Resilienz und Selbstfürsorge zentral sei, um den Herausforderungen des Klimawandels gewachsen zu sein und dabei gesund zu bleiben.
Die Rolle von Schuld und Konsumverhalten
Klimaangst wird häufig von Schuldgefühlen begleitet. Viele Menschen hinterfragen ihr eigenes Verhalten und fühlen sich schuldig, nicht genug für den Klimaschutz zu tun. Besonders das Konsum- und Reiseverhalten steht oftmals im Zentrum dieser Reflexionen. Es besteht eine wachsende Einsicht, dass kleine Änderungen im Alltag, wie der Verzicht auf Flugreisen oder der Wechsel zu einer pflanzenbasierten Ernährung, grosse Auswirkungen auf das Klima haben können.
PsychologInnen raten freilich zu einem ausgewogenen Umgang mit diesen Gefühlen. Schuldgefühle allein seien nicht produktiv. Es sei wichtig, realistische Ziele zu setzen und anzuerkennen, dass nicht jede Entscheidung perfekt sein muss. Der Fokus sollte auf kleinen, kontinuierlichen Verbesserungen liegen, die sowohl das Klima schützen als auch die eigene psychische Gesundheit fördern.
Klimaangst als Chance und Herausforderung
Klimaangst kann also eine treibende Kraft sein, die uns alle zur Reflexion und zum Handeln anregt. Sie hat das Potenzial, tiefgreifende Veränderungen im individuellen Verhalten und in der Gesellschaft zu bewirken. Gleichzeitig ist es unerlässlich, dass wir lernen, konstruktiv mit unseren Ängsten umzugehen, um nicht in Verzweiflung zu verfallen. Der bewusste Aufbau von Resilienz und der Einsatz für das eigene Wohlbefinden sind entscheidend, um die psychologischen Belastungen durch den Klimawandel zu bewältigen.
Letzten Endes zeigt die Klimaangst, dass das Bewusstsein für die Umweltkrise tief in der Psyche verankert ist – ein klares Zeichen dafür, dass wir bereit sind, uns der Herausforderung zu stellen und aktiv für eine nachhaltigere Zukunft zu kämpfen.
Tipps für Eltern Gerade bei jungen Menschen ist Klimaangst ein immer grösseres Thema. Entsprechend sind auch Eltern gefordert, mit ihren Kindern über deren Ängste und Unsicherheiten zu sprechen, die im Zusammenhang mit unserem Planeten und dessen Zerstörung stehen. Die Stiftung Pro Juventute hat dabei folgende Ratschläge für Eltern zusammengestellt: - Sprich mit deinem Kind offen über den Klimawandel. Dabei gilt es nicht über die Existenz des Klimawandels zu debattieren. Nur so kannst du die damit verbundenen Ängste ernst nehmen. - Hilf deinem Kind, sich über den Klimawandel zu informieren. Vermittle dabei die Komplexität des Themas, aber auch die Hoffnung und die Möglichkeiten, die es für Veränderungen gibt. - Ermutige dein Kind, aktiv zu werden: ob durch Recycling, den Verzicht auf Plastik oder kürzeres Duschen. Verdeutliche, dass auch kleine Veränderungen im Alltag bereits einen Unterschied machen. Gleichzeitig ist es für dein Kind wichtig, zu spüren, dass Verzicht eine Herausforderung ist, nicht immer gelingt und dass das völlig okay ist. - Sei dir deiner Vorbildrolle bewusst. Zeige durch dein eigenes Verhalten, wie man nachhaltig lebt. - Wenn dein Kind durch die Klimaangst im Alltag nicht mehr funktionieren kann oder unter Panikattacken leidet, ziehe professionelle Hilfe in Betracht. PsychologInnen oder TherapeutInnen können wertvolle Unterstützung bieten.