Im Glanz der sozialen Medien mutiert der Beruf des Influencers immer häufiger zum Traumjob. Dabei profitieren heutzutage nicht nur die grossen Player von Werbedeals mit Unternehmen. Das Zürcher Start-up Refluenced möchte deshalb mit seiner Plattform grosse Brands und kleine Content Creator zusammenbringen.
Spätestens, wenn man den Umgang mit dem ersten eigenen Smartphone verinnerlicht hat, steht für viele Jugendliche der Berufswunsch fest: Influencer. Aufmerksamkeit, Gratisprodukte und einen Berufsalltag, der sich vom klassischen 9-to-5-Job unterscheidet. Dass der Traum vom Internetstar nicht nur die Jugendlichen betrifft, zeigt eine neue Studie aus den USA. Dort können sich 41 Prozent der erwachsenen TeilnehmerInnen vorstellen, als Content Creator zu arbeiten – also Inhalte für das Netz selbst zu erstellen.
Dabei sagten mehr als die Hälfte der Befragten, dass Content Creator als richtiger Job angesehen werden sollte. Denn im Endeffekt sehen die Menschen nur das fertige Produkt – ob als Bild bei Instagram oder als Youtube-Video. Verhandlungen mit Unternehmen, Konzeptionsphasen und die Nachproduktion bleiben als Arbeitsschritte im Verborgenen.
Neben den grossen Influencern, die gerne mal eine Woche in Dubai verbringen und sich von Premiummarken beschenken lassen im Austausch für eine gutplatzierte Werbung und wohlwollende Worte zum Produkt, gibt es allerdings auch einen neuen Trend, der sich um Personen dreht, die keine Millionen Follower haben. Diese Gruppe der sogenannten Nano-Influencer definiert sich über eine Followerzahl zwischen 1000 und 10’000. Durch sie sollen Produkte auf eine authentischere Art beworben werden.
Die Demokratisierung der Influencerszene
Als Vermittler zwischen den Influencerinnen und den Unternehmen möchte das Zürcher Start-up Refluenced fungieren. Angefangen als Eventfirma in St. Moritz, hat das Unternehmen von Gründer Quirin Hasler heute eine Plattform inklusive eigener App aufgebaut, auf der sich Brands und Content Creator finden können. Dabei erfolgte die offizielle Gründung von Refluenced erst im Februar 2022, nachdem man zuvor mit Prototypen der Plattform gearbeitet hatte. Als All-in-One-Tool soll die Plattform nicht nur eine Zeitersparnis für die Marketingverantwortlichen von Unternehmen sein, sondern auch die Influencerlandschaft weiter demokratisieren. Frei nach dem Gedanken: Auch du kannst für ein Produkt werben.
Mitmachen bei Refluenced darf, wer über 18 Jahre alt ist, mindestens 1000 Follower bei Instagram hat und auch eine aktive Community nachweisen kann. Dank der im September gestarteten App für iOS und Android können Nutzerinnen ihr Instagram-Konto ganz leicht mit der Refluenced-App koppeln. «Wir wollen nicht die klassischen Influencer ansprechen, sondern in der Breite erfolgreich sein», erklärt CEO Quirin Hasler im Gespräch. Die Idee hinter Refluenced nennt er «Community-Marketing».
Unternehmen buchen dabei bei Refluenced eine Kampagne, für die sich wiederum Influencerinnen bewerben können. Vom Dosengetränk über Weihnachtssocken bis hin zu einem Aufenthalt in Berlin werden die Nutzer für ihre Werbeaktivität durch Güter entschädigt. Eine klassische Bezahlung ist im Konzept nicht vorgesehen. Der Kontakt zwischen den Parteien läuft direkt über die App ab und die Konditionen sind für alle klar ersichtlich. Wenn eine Bewerbung erfolgreich war, hat man, wie man am Beispiel der Weihnachtssocken sieht, zwei Wochen lang Zeit, um das flauschige Produkt in drei Stories und einem regulären Post in Szene zu setzen.
Die Community regelt
Für Hasler ist jeder auf Social Media in gewisser Weise Werbeträger und Botschafter. Der Trend, dass Unternehmen dazu übergehen, die Werbeinhalte von der Community kreieren zu lassen, stammt dabei aus der Heimat von Instagram – den USA. Und Refluenced möchte diesem Trend gerecht werden. Aktuell tummeln sich 1200 Nutzerinnen auf der Plattform und es wurden bereits über 100 Kampagnen erfolgreich abgewickelt. Bezahlt wird dabei nach Leistung, die Kampagnen werden gemessen an Klicks und Views – ganz wie bei den grossen Playern Facebook und Google.
Zu den aktuell 60 vertretenen Unternehmen auf der Plattform gehören unter anderem Sigg, Ochsner Shoes und See Tickets. Aber auch internationale Firmen und kleinere Start-ups bieten ihre Produkte zum Bewerben an. Neben einer öffentlichen Ausschreibung können auch bestimmte Influencer für eine Kampagne angefragt werden. Zu den beliebtesten Kategorien bei Refluenced gehören aktuell Fashion, Schmuck und Food & Beverage. Also Lifestyleprodukte, die sich gut vor der Kamera machen und jeden ansprechen.
Der digitale Mund
Die Arbeit mit den Nano-Influencern ist für Hasler auch eine aktuelle Version der Mund-zu-Mund-Propaganda. Alles, was man früher mit seinem Familien- und Freundeskreis geteilt hat, teilt man heute mit seinen Followern in den sozialen Medien. «Es ist wichtig für die Nutzerinnen, zu sehen, dass es nicht nur Influencer in Dubai gibt. Sondern auch Menschen, die neben dem Job Spass daran haben, Content zu kreieren», sagt der Refluenced-Mitgründer. Ein weiterer Vorteil von lokalen Influencerinnen sei die geringere Streuung der Anhänger: «Bei kleinen Influencerinnen sind zwischen 80 und 90 Prozent der Follower in der Schweiz.» So kann man auch gezielter werben und beispielsweise für ein Restaurant in Zürich nur Zürcher Influencerinnen rekrutieren.
Während die Nutzer sich in einem kleinen Kreis bewegen, wagte Refluenced Anfang November mit einem Softlaunch den ersten Schritt nach Deutschland. 2023 möchte man auch dort Influencerinnen und Unternehmen verkuppeln. Dass man nun den grossen Kanton ins Auge fasst, liegt auch daran, dass die Plattform zurzeit nur auf Deutsch verfügbar ist. Einen Teil der nötigen Mittel zum Wachstum sammelte man in diesem Jahr in der Schweizer Fernsehsendung «Die Höhle der Löwen».
Eigentlich nur als Back-up-Kandidat eingeplant, wurden im Frühjahr über Nacht noch schnell T-Shirts gedruckt und der Pitch für die prominenten Investoren eingeübt. Vor und hinter der Kamera konnte man sich anschliessend mit der Jurorin Anja Graf einigen. Die Investition über 200’000 Franken wurde dabei auch gleich in die App-Entwicklung gesteckt. Zuvor lief Refluenced nur über den Browser. Ausgestrahlt wurde die TV-Episode übrigens erst Ende Oktober, solange musste man die erfolgreiche Showteilnahme geheim halten.
Und ist Refluenced am Ende nur ein Sprungbrett auf dem Weg zur erfolgreichen Influencerkarriere? «Ich denke, gewissermassen schon. Man muss aber immer bedenken, dass es nur ein Prozent ganz nach oben schafft. Das Influencerleben ist viel Arbeit und auch Zufall», sagt Hasler.