Schweiz oder Australien? Pilot oder Sänger einer Hard-Rock-Band? Bei Nic Maeder lautet die Antwort jeweils beides. Bevor der Gotthard-Frontmann mit seiner Band im Frühling (hoffentlich) endlich wieder auf Tour gehen kann, verrät er im Interview mit FonTimes, welches sein wichtigster Gotthard-Song ist und warum er sich fürs Fliegen als Ausgleich zur Musik entschieden hat.
Es gibt nur wenige Schweizer Monumente, die national bis heute weitestgehend unangetastet geblieben sind. Selbst Roger Federer bläst mittlerweile von mancher Seite immer kälterer Wind entgegen, sei dies aufgrund seiner unzähligen Werbeverträge oder seiner fehlenden Haltung in Bezug auf heikle politische Themen und seines Wohnsitzes in Dubai.
Bei Gotthard hingegen wird Gegenwind höchstens von ihnen selbst durch ihr brachiales Spiel erzeugt. Die Tessiner Hard-Rock-Band gehört seit vielen Jahren zur Schweizer Musikszene wie die Schuluniform zu Angus Young und kann sich seit ihrem ersten Album «Gotthard» 1992 auf eine grosse und loyale Anhängerschaft verlassen.
Diese mussten Gotthard in den letzten Wochen und Monaten schweren Herzens immer wieder vertrösten, da die geplanten Touren mehrmals verschoben werden mussten. So auch Ende November, als sie sämtliche für Dezember geplanten Auftritte absagen respektive verschieben mussten. Stattdessen soll es für eine der erfolgreichsten Schweizer Bands aller Zeiten nun ab Mitte April auf Tour gehen mit Auftritten in Österreich, Ungarn, den Niederlanden, Frankreich, Spanien und an mehreren Orten hierzulande.
Während für die Band im kommenden Jahr das grosse 30-Jahr-Jubiläum ihres Debutalbums ansteht, durfte insbesondere Sänger Nic Maeder (50) vergangenen November bereits etwas feiern: Zehn Jahre zuvor nämlich erschien mit Remember It’s Me die erste Single mit Maeder als Frontmann. Die Umstände, wie der «Franko-Aussie» (siehe Box) zur Band fand, waren allerdings tragischer Natur: Gotthard-Sänger Steve Lee verunglückte am 5. Oktober 2010 bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall während eines Motorrad-Trips in den USA tödlich. Die Band suchte daraufhin nach einem Nachfolger für Lee, wobei die Wahl aus den über 400 Bewerbungen schliesslich auf Maeder fiel. Seither haben Gotthard vier Studio- und zwei Live-Alben produziert, 2020 kam ihre insgesamt 13. Platte «#13» heraus.
Wir haben bei Nic Maeder nachgefragt, ob er sich mittlerweile zu alt für das Tourleben fühlt, wie sie versuchen, immer wieder neue Akzente und Anreize zu schaffen und ob er als Sänger einer Hard-Rock-Band und leidenschaftlicher Pilot ein Adrenalinjunkie ist.
Nic Maeder, im April soll es mit Gotthard endlich auf Tour gehen, davor steht Anfang März ein Auftritt beim Motofestival in Bern an. Ist die Vorfreude auf die kommenden Auftritte im Frühling überhaupt uneingeschränkt vorhanden oder ist die Ungewissheit so gross, dass man ständig im Hinterkopf hat, dass die Auftritte jederzeit gecancelt werden könnten?
Es ist mental tatsächlich nicht einfach, da die Ungewissheit einfach riesig und seit fast zwei Jahren ständige Begleiterin ist. Dass wir die Dezember-Tour so kurzfristig absagen mussten, illustriert dies perfekt. Für kommenden Frühling sind wir jedoch optimistisch, dass es klappt – auch wenn wir natürlich keine Garantie haben. Wir Musiker und die Fans haben sehr geduldig sein müssen, dies wird sich früher oder später ausbezahlen. Wenn wir wieder vor vollem Haus auftreten und die Fans ohne Vorbehalte und Ängste kommen können, wird die Hütte wieder voll brennen, davon bin ich überzeugt.
Wie schwierig ist es, während einer solchen Zeit den Spirit innerhalb der Band voll aufrechtzuerhalten?
Wir haben bereits im letzten Jahr während der auftrittsfreien Zeit, als wir maximal in einigen TV-Shows auftreten konnten, realisiert, dass wir aktiv daran arbeiten müssen, ebendiesen Spirit zu pflegen respektive wieder voll zueinander zu finden. Denn ist klar: Über die zwei Jahre hinweg ohne Gigs beginnt man, sich immer seltener zu sehen, gerade wenn man ohne Auftritte kein konkretes Ziel vor Augen hat. Von Zeit zu Zeit zusammen zu essen und zu jammen, reicht da nicht. Mit dem Tourstart im April sieht es nun jedoch anders aus, ab Februar werden wir intensiv für die Konzerte proben. Fakt ist, man kann so oft proben wie man möchte, vor Live-Publikum zu spielen, ist immer etwas ganz anderes.
Unterscheidet sich bei Ihnen die Anspannung, ob Sie in Kürze vor einige Hundert oder Zehntausende ZuschauerInnen treten werden?
Tatsächlich bin ich weniger angespannt, je zahlreicher das Publikum. Denn je mehr Leute, desto mehr Spass macht es.
Wie habt ihr versucht, eure Fans während der auftrittsfreien Zeit bei Laune zu halten?
Ganz zu Beginn der Pandemie, als auch unser neues Album erschien, entschieden wir uns für die Variante Streaming. Später setzten immer mehr Kulturschaffende darauf und wir entschieden uns schliesslich dagegen, weiter zu streamen, da wir eine gewisse Übersättigung bei den Leuten fürchteten. Wir stehen jedoch regelmässig in Kontakt mit den Fans und haben dabei gespürt, wie viel Verständnis die allermeisten für die aktuelle Situation haben und dass die Gesundheit eines jeden Einzelnen Vorrang hat.
Plus, es gibt Licht am Ende des Tunnels. Unter anderem konntet ihr kürzlich bekanntgeben, dass ihr Ende Juni am Rockfest in Barcelona auftreten werdet. Dies neben Bands wie Manowar, Kiss, Judas Priest und Alice Cooper. Wie viel bedeutet es Ihnen immer noch, sozusagen die Bühne zu teilen mit diesen ganz grossen Namen?
Ich geniesse dies tatsächlich sehr. Zumindest während der pandemiefreien Zeit haben wir wie die meisten Hard-Rock-Bands einen gewissen Kreislauf, an welchen Festivals wir auftreten. So trifft man sich immer wieder mit denselben Bands und es entstehen Freundschaften. Dass wir darauf in den letzten knapp zwei Jahren verzichten mussten, schmerzt. Umso mehr freue ich mich darauf, hoffentlich bald all die vertrauten Gesichter wiederzusehen.
Wenn wir schon bei den «grossen alten Herren» des Heavy Metal sind. Wer waren früher Ihre Vorbilder?
Ich wuchs mit AC/DC auf und bin bis heute ein grosser Fan der Band. Hinzu kommen beispielsweise Iron Maiden, Judas Priest, Metallica, Slayer, Soundgarden, Alice in Chains und viele weitere. Ausserdem hatte ich an den erwähnten Festivals das Glück, viele meiner einstigen Jugendidole zu treffen.
Sie arbeiten auch bei der Albumproduktion mit grossen Namen zusammen, unter anderem mit Francis Rossi von Status Quo. Gab es in Ihrer Karriere einen Moment, in dem Sie gedacht haben, «ich bin jetzt ein Rockstar»?
(Lacht) Ich denke nicht, dass ich jemals so gedacht habe. Francis Rossi ist jedoch bis heute ein guter Freund und ich denke immer wieder gerne daran zurück, wie wir bei ihm Zuhause waren, er für uns gekocht hat und wir im Studio an den Songs getüftelt haben.
Freuen Sie sich auf die Reiserei, die mit der Tour verbunden ist oder sagen Sie von sich selbst, langsam aber sicher «bin ich too old for this s**t»?
Touren mit der Reiserei und dem konstanten Schlafmangel ist tatsächlich anstrengend. Körperlich gehen die kurz aufeinander folgenden Konzerte an die Substanz und nach einer Tour bin ich jeweils rund zehn Kilogramm leichter. Ausserdem wird ständig einer krank und steckt die anderen an. Es ist ein Kampf, der sich jedoch absolut lohnt. Die Momente auf der Bühne gemeinsam mit den Fans zu geniessen, ist durch nichts zu ersetzen. Ausserdem sind wir ja nicht ständig auf Tour, diese wechseln sich mit Songwriting- und Studiophasen ab.
Spulen wir gut zehn Jahre zurück, als sich Gotthard für Sie als neuen Sänger entschieden haben. Wie war es für Sie, in eine Band zu kommen, die weit über die Landesgrenzen hinaus schon sehr bekannt war? Einerseits konnten Sie davon natürlich profitieren, auf der anderen Seite ist es so nicht möglich, die Band neu zu erfinden, sondern mussten Sie sich in gewisse Strukturen integrieren.
Das ist richtig, zumal die Umstände natürlich schwierig waren nach dem tragischen Verlust von Steve Lee. Ausserdem waren meine vorherigen Bands jeweils mehr oder weniger wirklich «meine» Bands, entsprechend gross war die Umstellung, Teil einer Band zu werden, bei der der Teamgedanke sehr gross geschrieben wird und bei der die Produktion der Songs absolut im Kollektiv geschieht. Dies betrifft auch das Schreiben der Songs, ich war mich gewohnt, dafür alleine verantwortlich zu sein. Sprich, ich musste lernen, Dinge anders anzugehen, was jedoch sehr spannend war und ist. Plus, wir hatten grosses Glück, dass mich die Fans mit offenen Armen empfingen. Nur so war es möglich, dorthin zu kommen, wo wir heute stehen.
Benötigten Sie eine lange Anlaufzeit, bis Sie die Vorteile des Songwriting im Team erkannten?
Aus der Zeit mit meinen vorherigen Bands war ich mir gewohnt, Songs einzubringen, die mehr oder weniger fertig waren. Bei Gotthard begannen die Jungs, «meine» Songs auseinanderzunehmen und ihre Inputs einzubringen – daran musste ich mich erst gewöhnen. Nach einer Weile begann ich, mit Liedern und Songideen zu kommen, an denen weiter gearbeitet werden konnte. Mittlerweile geniesse ich es echt, die Songs im Team zu schreiben. Zumal man immer von den Inputs der anderen profitiert.
Wie ich gehört habe, habt ihr auch recht unterschiedliche Musikgeschmäcker innerhalb der Band. Ist das der Grund, weshalb ihr jeweils innerhalb eines Albums auf verschiedene Stile, Instrumente und Klangbilder setzt?
Absolut. Wir probieren auch gerne neue Dinge aus, arbeiten mit MusikerInnen aus anderen Genres zusammen oder wählen ungewöhnliche Auftrittsorte. Entsprechend ist es ein Balanceakt, die Ausgewogenheit zwischen musikalischen «Experimenten» und sich treu zu bleiben, zu wahren.
Ihre erste Single mit Gotthard war Remember It’s Me. Ist dies für Sie persönlich immer noch der wichtigste Gotthard-Song?
Ich würde schon sagen. Wenn wir diesen live spielen, ist das für mich immer ein spezieller Moment, denn es war auch das erste Lied, das ich für die Band schrieb und es ebnete den Weg für Gotthard mit mir als Sänger. Plus, er ist mittlerweile auch bei den Fans zu einem Klassiker avanciert. Wenn ich mit der akustischen Gitarre den Song eröffne und die Fans mitsingen, ist Gänsehaut jeweils garantiert.
Was bedeuten Ihnen Auszeichnungen wie der Swiss Music Award als «Best Band»?
Es ist schön, Anerkennung für seine geleistete Arbeit zu erhalten. Obwohl wir alle immer so tun, als würden uns solche Auszeichnungen nicht interessieren. Aber das stimmt nicht, es tut gut, für seine harte Arbeit etwas zurückzubekommen.
Sie sind nicht nur Sänger einer Hard-Rock-Band, sondern auch leidenschaftlicher Pilot, fliegen einmotorige Leichtflugzeuge. Sind Sie ein Adrenalinjunkie?
Ich glaube nicht, dass es so sehr um das Adrenalin geht, sondern eher um den Fokus, der beim Fliegen gefragt ist. Es war für mich als Ausgleich ausserdem wichtig, etwas zu tun, was nichts mit Musik zu tun hat.
Und warum ausgerechnet fliegen?
Ich bin seit jeher von Leuten umgeben, die fliegen, auch mein Vater war Pilot. So wollte ich schon immer fliegen. Im Tessin lebte ich direkt dem Flughafen Lugano – da musste ich praktisch den Pilotenschein machen und mit der Zeit entstanden auch Freundschaften mit den Leuten der dortigen Flugschule.
Wie regelmässig fliegen Sie aktuell?
Seit Ausbruch der Pandemie nicht so oft, wie ich gerne würde. Im vergangenen Jahr waren es rund acht Flüge. Da ich mittlerweile im Kanton Zürich wohne, bin ich auch nicht mehr so oft im Tessin aktuell – zumal wir uns zurzeit mit der Band nicht mehr so oft treffen wie vor der Pandemie. Es ist auf jeden Fall geplant, die Zahl der Flüge wieder zu steigern.
Sie sind sowohl in Yverdon als auch in Australien aufgewachsen, wohnen jedoch konstant in der Schweiz, seit Sie Sänger bei Gotthard sind. Wie oft reisen Sie noch nach Down Under?
In den letzten zehn Jahren bloss zweimal. Das Problem ist, dass man viel Zeit benötigt, damit sich die Reise nach Australien lohnt – mindestens drei Wochen – und es kommt selten vor, dass wir mehrere Wochen am Stück keine Termine haben. Allerdings vermisse ich Australien nicht allzu sehr.
Was vermissen Sie am meisten?
Meine Freunde und einige Familienmitglieder, die immer noch dort leben. So zog mein Bruder vor einigen Jahren wieder nach Australien.
Sie waren in ihrem Leben schon an vielen Orten zuhause: Australien, Yverdon, Tessin, nun in der Nähe von Zürich. Haben Sie sich überhaupt irgendwo so richtig zuhause gefühlt?
Schwierige Frage. Als ich zwei Jahre alt war, wanderten wir von Lausanne nach Australien aus und von da an war es meine ganze Kindheit und Jugend über ein ständiges Wechselspiel im Zwei- bis Dreijahresrhythmus zwischen Australien und der Romandie. Dies half mir jedoch auch, mich rasch an eine neue Umgebung gewöhnen zu können. Bevor ich zu Gotthard stiess, lebte ich 17 Jahre am Stück in Melbourne und ich vermisste die Schweiz mehr und mehr, begann, öfter hierher zu kommen. Nun in Zürich fühle ich mich sehr wohl.
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