Irene Brügger ist seit mittlerweile 14 Jahren als Frölein Da Capo auf den hiesigen Kleinkunstbühnen unterwegs. Ab dem 22. September präsentiert sie als Teil des Secondhand Orchestras Queen-Songs in Mundart. Wir haben uns mit der Willisauerin über Freddie Mercurys Vermächtnis, drohende Deadlines und Velotouren mit Viktor Giacobbo unterhalten.
«Ich bruch amigs chli Hilf vo mine Fründe!» So klang es vor gut vier Jahren aus dem Theater am Hechtplatz in Zürich. Erinnert irgendwie an die Beatles? Absolut richtig, denn anlässlich des 50. Geburtstags des Beatles-Albums «Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band» führte das Secondhand Orchestra den Klassiker in einer Mundart-Version auf, ergänzt mit Eigenkreationen. Die Gesichter hinter dem Secondhand Orchestra, das sind Adrian Stern, Daniel Schaub und Roman Riklin (bekannt von Heinz de Specht) sowie die Willisauerin Irene Brügger, besser bekannt als Frölein Da Capo.
Nun kehrt das vierköpfige Orchester mit seinem zweiten Projekt auf die Bühne zurück. Wiederum wird seine Wahl von einem Jubiläum begleitet: Vor 30 Jahren – genauer am 24. November 1991 – verstarb Queen-Frontmann Freddie Mercury im Alter von nur 45 Jahren an Aids. Das Secondhand Orchestra bringt anlässlich dieses Todestags nun das Projekt «Freddie – die Mundartshow» auf die Schweizer Bühnen (für mehr Infos zu den Auftritten: siehe Box).
Die ZuschauerInnen erwartet ein multimedialer Theaterabend, der das Leben und Werk von Freddie Mercury durch die wichtigsten Queen-Songs in parodistischen Mundart-Versionen und überraschenden Arrangements neu aufleben lässt. Dabei werden neue Songs mit Klassikern wie «Bohemian Rhapsody» und «The Show Must Go On» verwoben. Ergänzt wird die Show durch audiovisuelle Beiträge von Radiolegende François Mürner.
Für Frölein Da Capo ist es freilich nicht die einzige Hochzeit, auf der sie aktuell tanzt. In welche Projekte sie sonst noch involviert ist, warum sie Freddie Mercurys Tod damals nachhaltig geprägt hat und wie regelmässig sie Viktor Giacobbo und Mike Müller trifft, verriet die Willisauerin im Gespräch mit FonTimes.
Frau Brügger, im Frühling konnten Sie vor einer beschränkten BesucherInnenzahl als Einfrauorchester einige Konzerte spielen, anschliessend folgte für Sie eine Sommerpause. Am 22. September werden Sie im Rahmen der Vorpremiere von «Freddie – die Mundartshow» im Theater am Hechtplatz in Zürich wieder vor einem grösseren Publikum auf der Bühne stehen – sofern es die epidemiologische Lage zulässt. Wie sehr Ihnen während der Pandemie die Auftritte vor Publikum gefehlt haben, brauche ich Sie nicht zu fragen. Doch könnten Sie sich ein Leben ohne Bühne und Publikum überhaupt noch vorstellen?
Nein, das ist mittlerweile tatsächlich unvorstellbar. Ich realisierte im vergangenen Jahr, wie sehr mir die Auftritte fehlen. Dass ich mich derart stark nach ihnen sehnen würde, hätte ich selbst nicht erwartet. Umso mehr weiss ich es nun zu schätzen, wieder auftreten zu können.
Wenn am 22. September die Scheinwerfer angehen, beginnt für euch vom Secondhand Orchestra ein neues Kapitel einer langen Reise. Wann fiel der Startschuss für «Freddie – die Mundartshow»?
Vor langer Zeit (lacht). Den Anfang machte Roman (Riklin, Anm. d. Red.), als er die Liedtexte – zum Teil zusammen mit Daniel Schaub – in Mundart zu übersetzen begann. Eine besondere musikalische Herausforderung war das Heraustüfteln, wo wir welches Instrument einsetzen möchten und welche Stimmen wir abdecken wollen und können. Freddie Mercurys unglaubliches Talent, höchste Höhen und tiefste Tiefen abzudecken, erschwerte die Aufgabe zusätzlich. Ausserdem arbeitete Queen gerne mit Chorelementen – für uns als Quartett nicht ganz einfach, alles abzudecken. Wir mussten auf jeden Fall unsere Komfortzone verlassen, aber das ist auch gut so.
Zumal Sie sich während der auftrittslosen Zeit wohl sowieso lange genug in einer Komfortzone bewegt haben.
Zu lange! Das Schlimme ist, dass man sich an diesen Gammel-Zustand gewöhnt. Tatsächlich musste ich nach über einem halben Jahr Pause erst den Rost abschütteln und wieder reinkommen. Ohne Aussicht auf Auftritte mangelte es mir auch an Motivation zum Proben – als Bühnenmensch fehlten mir schlicht die Ziele. Es gab zwar Streamingmöglichkeiten, doch bieten diese keinen echten Ersatz, da die Emotionen so nicht gleich transportiert werden können.
Zur Person Seit 2007 ist Irene Brügger (41) als Frölein Da Capo auf den Schweizer Kleinkunstbühnen unterwegs. Davor war sie als Sängerin in verschiedenen Bands und in einer A-Cappella-Formation unterwegs, als Mitglied des Blasmusikvereins, als Sängerin, Musikerin und Schauspielerin im Jugendtheater Willisau, im Musical Hair und als Comiczeichnerin für ein Jugendmagazin und am Fumetto Comic Festival Luzern. Bevor sie voll auf die Karte Kleinkunst setzte, arbeitete die ausgebildete Kauffrau als Produktmanagerin im Musik- und Filmversand. Aktuell ist sie nicht nur Teil des Secondhand Orchestras und als Kolumnistin tätig, sondern ab Frühling 2022 auch wieder als Einfrauorchester unterwegs. Brügger spielt Klavier, Gitarre, Trompete, Euphonium und Flügelhorn. Von 2010 bis 2012 trat sie bei «Giacobbo/Müller» auf. Sie lebt mit ihrer Familie in Willisau.
Bei «Sgt. Pepper – Ein Mundartabend» erwähnten viele vor allem eher ältere BesucherInnen nach der Show, wie sie während des Abends in Erinnerungen geschwelgt sind. Wie sehr haben Sie sich während des Auseinandersetzens mit Queen nun selbst in der Zeit zurückversetzt gefühlt?
Natürlich kamen immer wieder Erinnerungen auf. Den grössten Spass hatte ich, als es um die musikalische Umsetzung ging, den Prozess, bis der Song wirklich nach Queen klang. Dafür muss man die Lieder bis ins Detail sezieren. Im Gegensatz zum Beatles-Projekt haben wir uns nun nicht auf ein Album konzentriert, sondern das Gesamtwerk unter die Lupe genommen. Entsprechend schwierig gestaltete sich die Auswahl der Songs. Dazu werden wir das Programm wiederum mit Eigenkompositionen ergänzen.
Was dürfen die BesucherInnen in audiovisueller Hinsicht, zum Teil präsentiert von François Mürner, erwarten?
Jedes Detail möchte ich noch nicht verraten. Aber es wird auf jeden Fall erstaunliche Fakten und Zahlen zu Freddie Mercury geben. Ausserdem wird eine Live-Kamera zum Einsatz kommen, mit der wir gewisse Songs visualisieren – so wie man es teilweise auch von meinen Auftritten, oder denjenigen von Roman und Dani alias «Riklin & Schaub», kennt.
Hat Freddie Mercury Sie schon früh inspiriert und begleitet?
Queen war für mich immer präsent, ihre Lieder liefen damals ja ständig im Radio. Ich hatte sogar ein Poster von Freddie Mercury über dem Bett hängen. Sein Tod hat mich dann nachhaltig geprägt, weil er das erste prominente Aids-Todesopfer war, das ich bewusst wahrnahm. Mit diesem Projekt nun höre ich seine Musik mit anderen Ohren. Ich realisierte bei manchen Songs erst jetzt, was er damit ausdrücken wollte und begriff ihre Komplexität. Lieder, die zuvor nicht gerade zu meinen Favoriten gehörten, hörte ich plötzlich auf und ab. Um den Queen-Sound möglichst authentisch zu gestalten, erschien Adrian (Stern, Anm. d. Red.), unser «Grätli-Nerd», immer wieder mit neuen Geräten zu unseren Proben.
Adrian Stern, Roman Riklin und Daniel Schaub lernten sich vor rund 30 Jahren an einem Bandwettbewerb in Wettingen kennen. Wie haben Sie die drei Herren kennengelernt?
Roman und Daniel habe ich im Rahmen von «Giacobbo/Müller» erstmals getroffen. Später kam ich an einem Konzert von Heinz de Specht in Huttwil wieder mit ihnen in Kontakt. Mit Adrian stand ich erstmals im Rahmen eines Projekts namens Klanghotel auf der Bühne.
Und wie seid ihr auf die Idee gekommen, gemeinsam ein Projekt anzureissen?
Daniel und Roman waren die Initianten. Die Idee damals, die Beatles in Mundart auf die Bühne zu bringen, schwirrte schon lange in ihren Köpfen. Adrian kannten sie schon so lange, er war quasi als Teil des Projekts gesetzt und dann haben sie mich angefragt, ob ich Lust darauf hätte.
Und Sie mussten nicht lange überlegen?
Erst konnte ich es mir nicht so recht vorstellen – die Beatles in Mundart, wie soll das klingen? Aber Gott sei Dank habe ich zugesagt!
Dabei arbeiten und spielen Sie doch sehr gerne mit dem Schweizerdeutschen. Auch in Ihre geschriebenen Texte bauen Sie immer wieder Mundartwörter ein.
Durch Dialektwörter versuche ich meinen Texten eine gewisse Färbung mitzugeben. Das Schweizerdeutsche liegt mir einfach am meisten und ich kann mich am besten durch diese Sprache ausdrücken und mich verständlich machen. Dies ist für meine Lieder besonders wichtig, da ich durch sie Geschichten erzählen möchte. Die Kehrseite der Medaille ist natürlich, dass die ZuschauerInnen alles verstehen. Entsprechend muss jedes Wort sitzen. Die verschiedenen Dialekte machen die schweizerdeutsche Sprache umso faszinierender. Dies hat man jetzt bei «Freddie – die Mundartshow» gerade wieder gesehen, als es ums Dichten und Reimen ging. Mit vier verschiedenen Dialekten ist es nicht einfach, dass es am Schluss für alle passt (lacht).
Auf Deutsch zu singen war für Sie nie eine Option?
Nicht wirklich, die Sprache ist für mich einfach zu «gstabig» und mir schlicht weniger nah.
Aktuell müssen Sie sämtliche Ressourcen in «Freddie – die Mundartshow» investieren. Generell sind Sie jedoch jemand, der verschiedene Projekte am Laufen hat, manche grösser, manche kleiner. Brauchen Sie das Tanzen auf mehreren Hochzeiten?
Ich weiss nicht, ob ich das wirklich brauche, jedenfalls ist es bei mir immer so. Dies ergibt sich jedoch eher – es ist nicht so, dass ich es explizit suchen würde. Es liegt wohl auch in der Natur des Künstlers, da es oftmals nicht reicht, nur einem Projekt nachzugehen. Jedenfalls geht es Adrian, Roman und Daniel genau gleich.
«Freddie – die Mundartshow» Das Secondhand Orchestra tritt vom 22. September bis 23. Oktober im Theater am Hechtplatz in Zürich auf, am 27. Oktober im Lorzensaal in Cham und vom 2. November bis 6. November im Kleintheater Luzern. Weitere Auftrittsorte sind Arbon, Winterthur, Muri und Mels. Für weitere Infos: secondhandorchestra.ch
Zu Ihren Tätigkeiten gehört unter anderem ein selbstgestalteter Kalender, bestückt mit etwas anders gelösten Kreuzworträtseln. Derjenige fürs aktuelle Jahr ist bereits ausverkauft. Wie weit fortgeschritten ist jener fürs 2022?
Aktuell bin ich mit dem Zusammenstellen beschäftigt. Für dieses Jahr habe ich einige GastkünstlerInnen mehr gewinnen können, die ein paar Tage übernehmen. Aber irgendwie müssen immer noch total 365 Seiten gefüllt werden (lacht). Ich muss zugeben, ich bin ein Deadline-Mensch. Aktuell habe ich das Gefühl, dass ich noch viel Zeit habe, um den Kalender fertigzustellen. Doch plötzlich ist November und es ist Eile geboten.
Wie sind Sie auf die Idee eines eigenen Kalenders gekommen?
Ich wusste im vergangenen Jahr, dass ich im Dezember Zeit haben würde und wollte ein Projekt abseits der Bühne in Angriff nehmen. Der Aufwand war am Ende zugegebenermassen grösser als anfänglich gedacht. Doch dass sich bereits mehrere Leute nach dem Kalender fürs 2022 erkundigt haben, bestätigt mich und freut mich sehr.
Ausserdem schreiben Sie seit 2015 eine Kolumne für die «Schweizer Familie». Wie oft sind Sie am Kämpfen, weil Sie für die kommende Ausgabe noch einen guten Aufhänger brauchen und irgendwie kreativ und witzig sein sollten?
Es passieren doch so viele kleine Dinge, die ich aufgreifen kann. Es ist wie eine Art Tagebuch schreiben und Resümee ziehen am Ende der Woche. Während des Lockdowns war es aber zugegebenermassen nicht ganz einfach, da ich tatsächlich nicht sonderlich viel erlebte. Zu Beginn wollte ich die Pandemie noch so gut als möglich ausblenden in meiner Kolumne, da die Leute sonst schon den ganzen Tag damit konfrontiert worden sind. Aber irgendwann kam ich nicht mehr darum herum.
Das heisst, Sie müssen selten aktiv nach möglichen Themen für die Kolumne Ausschau halten?
Meist greife ich kleine Dinge auf, die ich im Alltag erlebe. Ich diskutiere diese dann mit meinen Mitmenschen und oftmals erzählen mir diese, dass es ihnen genauso geht und sie sich entsprechend damit identifizieren können.
Auftritte, Kalender, Kolumne – was machen Sie, wenn Sie mal runterfahren müssen?
Ich habe meine Passionen zum Beruf gemacht – das ist Fluch und Segen zugleich. Alles, was ich mache – ob nun musizieren, zeichnen oder schreiben – ist im Prinzip beruflich. Selbst das Heraustüfteln der Kreuzworträtsel ist für den Kalender und das Basteln für unsere Queen-Show. Aber das ist ja auch das Tolle daran.
Ist das Basteln quasi Ihr Spezialgebiet im Secondhand Orchestra?
Ja, wir haben alle ein wenig ein Spezialgebiet. So ist Adrian unser Soundtüftler und Roman der Leader, wenn es ums Übersetzen geht. Dani ist in musikalischen Belangen generell sehr kreativ – und zudem unser Schatzmeister.
Einem breiten Publikum wurden Sie 2010 bekannt, als Sie als musikalischer Sidekick bei «Giacobbo/Müller» auftraten. Wie regelmässig sehen Sie die beiden Herren noch?
Viktor und der damalige Headwriter Domenico Blass kommen einmal im Jahr für eine Velotour zu mir ins Luzerner Hinterland, inklusive anschliessendem Abendessen. Mike kreuze ich ab und zu, doch ist er leider immer sehr vielbeschäftigt.
Wie viele Türen haben Ihnen die Auftritte bei «Giacobbo/Müller» geöffnet?
Nach der Sendung haben wir jeweils noch gemeinsam gegessen, inklusive den KünstlerInnen, die aufgetreten sind. Dadurch habe ich bereits sämtliche angesagten KleinkünstlerInnen gekannt. Ausserdem habe ich mit diesen Auftritten natürlich ein Publikum erreicht, wie es sonst für mich gar nie möglich gewesen wäre. Nun ist mein Abschied von der Sendung jedoch auch schon wieder neun lange Jahre her. Wenn man anschliessend nicht dranbleibt und sich auch nicht weiterentwickelt, gerät man rasch in Vergessenheit.
Sie sind gebürtige Willisauerin, wohnen mit Ihrer Familie immer noch dort. Was macht Willisau für Sie aus?
Ich habe hier meine Wurzeln – und ich schlage gerne Wurzeln (lacht). Hier fühle ich mich wohl, hier bin ich in meiner Oase. Ausserdem schätze ich es sehr, mich hier zurückziehen zu können, da ich mich beruflich oftmals an Orten aufhalte, wo es laut und chaotisch zugehen kann. Und: Die Innerschweiz hat den Vorteil, dass man von hier aus relativ rasch in praktisch sämtlichen Ecken der Schweiz ist.
Viele weitere Artikel findest du in unserem E-Paper.